Der Chef von SRF Kultur Online arbeitet mobil
Viereinhalb Stunden an einem Tag in Zug, Bus und Bahnhöfen: Das ist für Damian Schnyder mehrmals die Woche Normalität. Mobil arbeiten? «Machbar!», meint der Chef von SRF Kultur Online.
Das einzige Papier, das Damian Schnyder mit sich herumträgt, sind zwei Post-it-Zettel, die auf der Rückseite seines Tablets kleben. Es sind Notizen, die auf die Schnelle praktischer festzuhalten sind als mit dem Computer. Aber wenn er am Abend die Wohnung im Zürcher Unterland betreten wird, die er mit seiner Familie teilt, will er sich auch dieser beiden Zettel entledigt haben. Es bleiben ihm ab Radiostudio Bruderholz in Basel über zwei Stunden dafür – und für die diversen weiteren Arbeiten, die er von unterwegs erledigt.
Den ersten Teil des weiten Weges legt er oft zu Fuss zurück, es ist ein schöner Spaziergang vom Wohnquartier am Hügel oben runter zum Bahnhof. Jedes Mal, wenn er diese Teiletappe wählt (er könnte auch mit dem Tram fahren), kann er sehen, wie sein zukünftiger Arbeitsort entsteht: Ende April 2019 werden die Kulturmitarbeitenden von Radio, Fernsehen und Online am Meret-Oppenheim-Platz direkt auf der Südseite des Bahnhofs Basel mehrere Stockwerke des neuen Hochhauses beziehen. Damian Schnyder freut sich darauf: «Endlich mit den verstreut arbeitenden Kulturredaktoren von Radio und Fernsehen vereint sein, in einem Kultur-Newsroom. Endlich einfach schnell zum Kollegen rübersitzen können, wenn wir einen kurzen Videobeitrag schneiden.»
«Ich habe einen hohen Workload. Deshalb nutze ich diese Zeit produktiv, schreibe E-Mails und anderes, koordiniere, lese, telefoniere – auch in Sitzungen habe ich mich schon per Telefon eingeschaltet.»
Zurzeit ist es nämlich so: Die meisten von Damian Schnyders Team arbeiten im Radiostudio Bruderholz in Basel, zwei kleine Teams in Zürich. Er selber pendelt zwischen Zürich und Basel, arbeitet zwei oder drei Tage hier, zwei oder drei Tage dort. «Dort» für Basel bedeutet, dass der 50-Jährige an einem solchen Tag viereinhalb Stunden in Zügen und Bahnhöfen verbringt. Zuvor arbeitete er viele Jahre einigermassen nahe von zuhause aus, im Leutschenbach: Ab Mitte der Neunzigerjahre war er beim Fernsehen, produzierte einst die Jugendsendung «Oops!» mit Mona Vetsch und Susanne Kunz, gestaltete später in leitenden Funktionen Kultursendungen mit. Das Pendeln störe ihn nicht, sagt der Journalist in Kaderposition, er habe sich das beim Wechsel vom Kulturplatz zu SRF Kultur Online vor sechs Jahren mit seiner Familie zusammen gut überlegt. Er habe «ja» gesagt und sich bald ans viele Reisen gewöhnt. Mit dem Auto hätte er zwar nur halb so lange, aber «in der einen Stunde im Wagen kann ich nichts erledigen – ich habs versucht». Anders im Zug: «Ich habe einen hohen Workload. Deshalb nutze ich diese Zeit produktiv, schreibe E-Mails und anderes, koordiniere, lese, telefoniere – auch in Sitzungen habe ich mich schon per Telefon eingeschaltet.»
Schnyder pendelt in der zweiten Klasse. Die Wagen sind oft komplett besetzt. Er kennt die Kompositionen, wartet am Abend auf dem Perron in Basel genau dort, wo der Speisewagen halten wird. «Da muss ich jeweils kurz überlegen: Welche Arbeit will ich im Zug verrichten und welcher Ort eignet sich besser dazu – der Speisewagen mit einem Tisch auf guter Höhe, aber manchmal mit Betrunkenen an Bord, oder der normale 2.-Klasse-Wagen, wo es Stromanschlüsse hat?»
Er könne die meiste Arbeit diskret erledigen, nur das Telefonieren sei im Zug nicht optimal – «wenn ich unterwegs telefonieren muss, plane ich die Gespräche auf den Spaziergang vom Radiostudio zum Bahnhof.» Mit dem Tablet hat er Zugriff auf den Geschäftsserver und kann genauso an Dokumenten arbeiten wie an einem der Computer seiner Abteilung, wo es keine persönlichen Arbeitsplätze mehr gibt. «Ohne die verschiedenen digitalen Hilfsmittel, die ich nutze – auch das Smartphone und die diversen Apps – könnte ich diesen Job aber nicht machen, so viel, wie ich pendelnd unterwegs bin.»
«Bei der inhaltlichen Arbeit, der journalistischen, ist es ein grosser Vorteil, wenn man zusammen an einem Ort arbeiten kann.»
Damian Schnyder fällt auch im Zürcher Leutschenbach als Nomade auf. Obwohl er dort einen festen Platz hat, arbeitet er oft von der Kantine aus, macht von dort seine Termine. Sein Büro sei weit weg vom Haupthaus, deshalb. Er sei aber bei Weitem nicht der Einzige innerhalb von SRF, der so ortsungebunden arbeite: «Es gibt viele, ich habe ein Auge für sie. Bei der inhaltlichen Arbeit, der journalistischen, ist es aber ein grosser Vorteil, wenn man zusammen an einem Ort arbeiten kann.»
In Zürich hat Schnyder seit dem letzten Fahrplanwechsel jeweils 25 Minuten Aufenthaltszeit im Shopville im Zürcher Hauptbahnhof. Alles ist hier auf schnellen Konsum ausgerichtet. Der einzige Ort, wo er sich hinsetzen und einen Kaffee trinken kann, ist die Filiale einer gehobenen Confiserie. Er passe nicht unbedingt dahin, «aber es lässt sich da arbeiten». Spätestens jetzt müssen die Post-it-Zettel verschwinden, denn die letzte Etappe seines Arbeitswegs ist nur noch ein kurzer Sprung aufs Land.
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