Inkasso mit Sympathie und Effizienz

Ab Januar 2019 wird die Radio- und Fernsehabgabe neu von Serafe erhoben. Diese anspruchsvolle Aufgabe will das Start-up aus dem Zürcher Oberland mit modernster Software anpacken. Und mit viel Empathie.

Die Stimmung ist locker beim Besuch. In der Pause lachen und scherzen die Mitarbeitenden. Im Januar dürfte die Atmosphäre etwas angespannter sein. Dann müssen hier innert weniger Tage 3,5 Millionen Rechnungen produziert und verschickt werden. Alle Schweizer Haushalte erhalten dann eine Jahres- oder Teilrechnung für die neue Medienabgabe. Eine Herkulesaufgabe. «Wir freuen uns, dass es bald richtig losgeht», sagt Erich Heynen, Leiter Kommunikation bei Serafe.

Serafe steht für «Schweizerische Erhebungsstelle für die Radio- und Fernseh­abgabe». Mit dieser Tätigkeit – Rechnung stellen und wenn nötig mahnen und betreiben – wird man keine grossen Sympathiepunkte gewinnen, dessen sind sich die Mitarbeitenden bewusst. «Sexy ist unser Produkt nicht», sagt Tamara Rüefli, Leiterin Kundenbetreuung.

Nüchtern und funktionell

Zur nüchternen Aufgabe passt die Umgebung. Das schmucklose Bürogebäude befindet sich in einer grauen Gewerbezone in Fehraltorf. Essen gehen die Angestellten meistens in der Kantine der Türenfabrik nebenan.

Bei Serafe ist alles auf Funktionalität getrimmt. Die Firma setzt auf modernste Software und weitgehend automatisierte Prozesse, um die gewaltigen Datenmengen effizient zu managen. Daher arbeitet das Unternehmen vergleichsweise günstig, was mit ein Grund war, dass es den vom Bundesamt für Kommunikation öffentlich ausgeschriebenen Auftrag bekommen hat. Das KMU wurde eigens für diese Aufgabe gegründet, profitiert aber vom Know-how des Mutterunternehmens Secon, einem IT-Dienstleister. Der Auftrag wird per 2026 neu öffentlich ausgeschrieben.

Die Mitarbeitenden verfügen in der Regel über langjährige Erfahrung im Inkasso-Bereich. Kommunikationsleiter Heynen hingegen war vorher Werber im Wallis. Nun hat er die Aufgabe, den Betrieb positiv zu «verkaufen» – mit wortreichem En­thusiasmus, Charme und einem dicken Panzer. «Meine frühere Arbeit war auch nicht nur Honiglecken», sagt er mit breitem Walliser Akzent.

Einfach ist das Erbe nicht, das Serafe antritt. Billag, die das Mandat noch bis Ende 2018 betreut, hatte mit einem angeschlagenen Image zu kämpfen. Bei Serafe äussert man sich nicht zur Vorgängerin, von der weder Daten noch Mitarbeitende übernommen werden. «Wir haben einen gesetzlichen Auftrag, und den wollen wir auf eine für die Kunden möglichst einfache, klare und verständliche Weise erledigen», sagt Heynen.

Während Billag eine Tochterfirma der halbstaatlichen Swisscom war, ist Serafe ein Privatunternehmen, das aber keine anderen als die nach dem Gesetz übertragenen wirtschaftlichen Tätigkeiten ausüben darf. Auch sonst ist vieles neu in Sachen Radio- und Fernsehabgaben. Das Wichtigste: Der Betrag pro Haushalt sinkt auf 365 Franken pro Jahr, die Kontroll-Hausbesuche sind praktisch abgeschafft und einen Wohnortswechsel muss man der Erhebungsstelle nicht mehr melden. Was bei einer Adressänderung zu tun sei, ist die meistgehörte Frage beim Serafe-Kundendienst, der jetzt schon täglich zahlreiche Mails und Telefonanrufe aus der Bevölkerung beantwortet. Die Antwort ist: «Nichts!» Die Bürger sind entlastet, Adressänderungen melden Gemeinden und Kantone.

Lockere Atmosphäre in der Pause. Ganz rechts Inkassoleiter Tom Koch, daneben ­Kundendienstleiterin Tamara Rüefli.

Strenge Datenschutzvorschrifen

Punkto Datenschutz ist dies eine He­rausforderung. Geliefert werden die Adressdaten via die Datenplattform des Bundes, sedex. «Wir gelten als Bundesorgan im Sinn des Datenschutzes, müssen sehr hohe Datenschutzvorschriften einhalten und werden regelmässig vom Bundesamt für Kommunikation kontrolliert», sagt Heynen. Zudem müsse Serafe operativ und strategisch komplett von ihrer Mutterfirma getrennt sein.

Im Vollbestand wird das Unternehmen rund 25 Mitarbeitende im Back-Office haben. Mit so einem kleinen Team sämtliche Schweizer Haushalte betreuen zu können, ist nur dank digitalisierten Prozessen möglich. Auch die Rechnungen können online bezahlt werden. Bei Serafe geht man davon aus, dass die den – brieflich verschickten – Rechnungen beigelegten und auf der eigenen Website publizierten Informationen die wichtigsten Kundenfragen klären werden. Dennoch rechnet man besonders in der Anfangsphase mit vielen Anfragen. Die meisten werden Mitarbeitende in einem externen Call Center beantworten, nur die besonders kniffligen Fragen landen bei Serafe selber – und dann vielleicht bei Kundendienstleiterin Tamara Rüefli.

Rüefli ist die Ruhe selbst. Dass sie ab Januar mit einem Schlag quasi 3,5 Millionen Kunden betreuen muss, nimmt sie gelassen. «Ich stelle mich einer Aufgabe, wenn sie kommt, und mache mich nicht schon im Vorfeld wahnsinnig.» Auch mit emotionalen oder gar aggressiven Kunden umzugehen, hat sie als langjährige Krankenkassen-Mitarbeiterin gelernt. «Der liebe Gott hat verschiedene Kostgänger», sagt sie trocken. Wichtig sei, ruhig zu bleiben und Verständnis zu zeigen, auch wenn das Gegenüber gewisse Grenzen überschreite. «Der Kunde soll am Ende sagen, er habe ein sympathisches, professionelles Gespräch gehabt.»

Das Gespräch vor der Betreibung suchen

Ähnlich äussert sich Tom Koch, Leiter Inkasso. Sobald jemand weder auf eine Rechnung noch auf Mahnschreiben rea­giert, übernimmt sein Team – bis zum letzten Mittel, der Betreibung. «Unser Ziel ist, wenn immer möglich eine Betreibung zu verhindern. Dazu werden wir das Gespräch mit den Kunden suchen und, so weit es die rechtlichen Rahmenbedingungen zulassen, Kulanz walten lassen. Letztlich hat Serafe einen Auftrag des Bundes zu erfüllen», sagt Koch, der grosse Berufserfahrung im Inkassobereich mitbringt. Seine Aufgabe gehe er mit Empathie, Intuition und der notwendigen Härte an: «Jeder kann in eine Schieflage geraten, das wollen wir uns immer vor Augen halten.» Noch haben die Serafe-Mitarbeitenden eine Schonfrist. Ab Januar dürften die Drähte heiss laufen in Fehraltorf.

Text: Daniel Bütler

Bild: Mirco Rederlechner

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