News aus einem Guss
Der neue Newsroom ist das grösste Projekt in der Geschichte von SRF: Er bringt dem Publikum bessere und mehr Online-Inhalte. Und den Redaktionen einen grossen Wandel. Ein Zwischenbericht.
Das Bild von Menschen, die auf ihre Handys schauen, ist allgegenwärtig. Gerade jüngere Personen konsumieren Medien vor allem auf mobilen Geräten. Und immer weniger schauen klassisch fern. Doch dieser Realität wurde das Angebot von SRF bis anhin nur beschränkt gerecht. «Wir waren bisher zu wenig dazu aufgestellt, im Nachrichtenbereich digital zu arbeiten», sagt Urs Leuthard, der das Projekt Newsroom publizistisch leitet. Doch dieses Manko wird behoben: Der Newsroom in Zürich-Leutschenbach bringt eine neue Infrastruktur wie auch neue redaktionelle Strukturen. Ziel ist, den digitalen Output deutlich zu stärken, vor allem mit Videos für den Online-Bereich. Gleichzeitig sollen die Nachrichtenqualität erhöht und die Kosten gesenkt werden. «So können wir unseren Auftrag, die Gebührenzahlerinnen und -zahler mit unseren Inhalten zu bedienen, besser erfüllen», sagt Leuthard.
Veränderter Arbeitsweise Rechnung tragen
SRF ist keineswegs allein mit seinem Newsroom. Fast alle Medienunternehmen setzen solche Konzepte um. Ziel ist dabei immer, die Produktion aufeinander abzustimmen und Synergien zu nutzen. Die Journalistin und MAZ-Studienleiterin Alexandra Stark unterstützt Medienunternehmen in diesem Prozess. «Wir Journalistinnen und Journalisten müssen verstehen lernen, dass sich unser Berufsbild und unsere Arbeitsweise verändern», sagt sie. Der Newsroom schaffe Strukturen, damit Inhalte in der zur Marke passenden Qualität für die verschiedenen Kanäle optimiert werden könnten. Man müsse sich dabei von Anfang an überlegen, wie sich eine Geschichte am besten über die verschiedenen Kanäle erzählen lasse. Und: «Wir müssen beim Publikum ansetzen: Was ist wichtig? Welche Bedürfnisse hat es zu welcher Uhrzeit?»
«Hüter der DNA»
Auch SRF orientiert sich an diesen Überlegungen, wenn es die bisherigen Sendungsredaktionen zugunsten von Fachredaktionen umbaut. Die Sendungsredaktionen werden auf einen kleinen Kern reduziert – auf Produzentinnen und Moderatoren. Diese sind quasi die «Hüter der DNA» eines bestimmten Gefässes, das durchaus seinen Charakter behalten soll.
Neu beliefern die Fachredaktionen mit ihren Inhalten alle Sendungen. Eine bisherige «Tagesschau»-Redaktorin gehört nun etwa zur Inlandredaktion und bereitet ihre Themen spezifisch fürs Web und die verschiedenen News-Gefässe auf. Dabei gilt: digital first. «Der erste Gedanke soll sein: Wie bringen wir die Geschichte auf unserer Website und unserer App?», sagt Leuthard, der sich von der Neuorganisation auch mehr journalistische Fachkompetenz verspricht. In den neuen Fachredaktionen wird bereits gearbeitet – wenn auch in den alten Büros. Dies habe sich gut eingespielt, findet Leuthard, doch er verhehlt nicht, dass es am Anfang «gerumpelt» hat: «Wir haben unseren Mitarbeitenden nach Jahren oder Jahrzehnten die Heimat genommen.»
Herausfordernde Raumakustik
Bald werden die Redaktionen ihre neuen Arbeitsplätze beziehen. Die etappierte Bauabnahme für das News- und Sportcenter, so der offizielle Name, begann im Dezember. Gesamtprojektleiter Mario Löffel führt ganz entspannt durch den Neubau, obwohl er strenge Wochen hinter sich hat. Der Stolz auf sein «Baby» ist ihm anzumerken. Die Räume wirken freundlich, durch die grosszügigen Fensterflächen fällt viel Licht, und der Innenhof schafft grosszügig Raum. Und erstaunlich: Es gibt keinen Hall. Die Raumakustik sei eine der grössten Herausforderungen, sagt Löffel. Immerhin sollen in der offenen Bürolandschaft nicht nur Dutzende Menschen arbeiten, sondern auch Sendungen produziert werden. Absorber an den Decken und ein aktives Soundmasking-System verbessern die Akustik.
Das Herzstück des Newsrooms ist der zweite Stock, wo die Redaktionen arbeiten, die tagesaktuelle Sendungen und die Online-News produzieren. Zentrales Element ist der Decision Desk. Im dritten Stock finden sich die Fachredaktionen, im vierten der Sport, im ersten die Technik. In der Studiolandschaft im Erdgeschoss werden künftig die Hauptausgaben der Nachrichten- und Sportsendungen produziert. Daneben entsteht ein öffentliches Restaurant. Die Besucher können durch Glasscheiben den Moderatorinnen und Moderatoren zuschauen: SRF öffnet sich so dem Publikum.
«Keine Turnhallenatmosphäre»
Neben offenen Flächen bietet die neue Infrastruktur kleinere, multifunktionale Räume für Sitzungen oder technische Tätigkeiten. Die meisten Mitarbeitenden werden im offenen Raum arbeiten und keine persönlichen Plätze mehr haben. «Es war uns wichtig, dass keine Turnhallenatmosphäre entsteht», sagt Löffel. So gibt es auf allen Etagen Rückzugsmöglichkeiten und Begegnungszonen.
Laut Projektleiter Urs Leuthard hat der SRF-Newsroom viele Väter und Mütter, ein Vorbild gibt es nicht. Man habe diverse Sender angeschaut, etwa BBC oder das dänische TV DR, das seit 2008 so arbeite, «und schon sechs Reorganisationen hinter sich hat», wie Leuthard schmunzelnd sagt. Newsrooms müssten laufend optimiert werden. «Wir müssen eine lernende Organisation werden und die Haltung verinnerlichen: Die Medienwelt verändert sich, wir müssen uns immer wieder anpassen.»
«Wir müssen eine lernende Organisation werden und die Haltung verinnerlichen: Die Medienwelt verändert sich, wir müssen uns immer wieder anpassen.» Urs Leuthard, Projektleiter
Der Newsroom verändere die Art und Weise, wie gearbeitet wird, sagt auch Expertin Alexandra Stark. Manchen Medienschaffenden mache diese Veränderung verständlicherweise Angst. Habe es vor ein paar Jahren noch grössere Widerstände gegen das neue Konzept gegeben, renne sie heute aber zusehends offene Türen ein. Die meisten Journalisten würden sehen, dass es nicht wirklich Alternativen gebe.
Gewisse Widerstände
Doch alles ist im SRF-Newsroom nicht neu: Man kann auf bestehende Erfahrungen zurückgreifen. So arbeiten etwa die Korrespondenten bereits für verschiedene Gefässe, und Fachredaktionen gibt es beim Radio schon lange. In Anbetracht der enormen Komplexität des Projekts sei es bisher sehr gut gelaufen, findet Leuthard. «Es gab gewisse Widerstände, doch insgesamt ziehen die Mitarbeitenden mit und machen einen super Job.»
Neben allen publizistischen Vorteilen ermöglicht der Newsroom auch Kosteneinsparungen. Die benötigte Arbeitsfläche schrumpft um einen Viertel. Mehrere ausserhalb des Stammareals Leutschenbach genutzte Gebäude können zurückgegeben oder verkauft werden. Baulich läuft alles nach Plan – obwohl ein grösseres Unwetter Wasserschäden verursachte und damit die Bauarbeiten um rund sechs Wochen verzögerte. Das Timing ist für Gesamtleiter Mario Löffel für die kommenden Monate das grosse Thema. Ab Juni soll die neue Infrastruktur einsatzbereit sein. Erst wird ein Parallelbetrieb aufgebaut, bis im November 2019 der Newsroom voll im Einsatz ist. Den SRF-Nachrichten-Mitarbeitenden steht ein intensives Jahr bevor. Freuen dürfen sich die Zuschauerinnen und Zuschauer: auf noch mehr Fachkompetenz sowie mehr und bessere Online-Inhalte.
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