«Tagesschau»-Beitrag «Suche nach neuen Kampfjets» beanstandet II
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Mit Ihrer E-Mail vom 15. April 2019 beanstandeten Sie die Sendung «Tagesschau» (Fernsehen SRF) vom 12. April 2019 und dort den Beitrag «Suche nach neuen Kampfjets».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Der Beitrag war skandalös populistisch und tendenziös! Ich fühlte mich genötigt dem SRF folgendes Mail zuzustellen:
<Ihre tendenziöse und populistische Berichterstattung im Bezug auf das leidige Thema der ‘Kampfjetbeschaffung’ -wie Sie es gerne nennen- oder des schweizer Militärs, ist absolut ungenügend und manipulativ! Über Jahrzehnte beobachte ich nun, wie Sie wirklich keine Gelegenheit auslassen, über das Militär im Allgemeinen und der Luftwaffe im speziellen darüber herziehen, wann immer sich eine Möglichkeit bietet! Ihnen ist wirklich nicht bewusst, dass die Luftwaffe einen sehr wichtigen Beitrag für unsere Neutralität und unsere Sicherheit beiträgt.
Wenn Sie schon einen Bericht über die Neubeschaffung von Jagdflugzeugen berichten wollen (so nennt man diese Flugzeuge), dann erzählen Sie doch zur Abwechslung einmal, welches die VORZÜGE von einem Eurofighter im Vergleich zu den anderen Maschinen sind, und nicht was die Österreicher für Probleme mit einer Tranche-1-Maschine hatten. Viele der Probleme, welche die Österreicher mit dem Eurofighter hatten, waren übrigens hausgemacht. Ich bin kein Fan von diesem Flieger und würde es auch nicht begrüssen, diesen zu Beschaffen, aber die Gründe dafür liegen bei den Fähigkeiten, Nutzen, Einsatzerfahrungen und Kosten des Flugzeuges und nicht bei der Politik von unserem Nachbarn von vor 10 Jahren.
Ich bin es leid, mich immer wieder über Ihre negative und tendenziöse Berichterstattungen zu diesem Thema nerven zu müssen. Sie verzerren die Tatsachen, manipulieren das im grossen und ganzen zu diesem Thema eher unwissende Volk, fallen unsern Soldaten die Ihren Job ausführen (und im Ernstfall Ihr Leben riskieren müssen) in den Rücken und ignorieren komplett, was der Nutzen einer Armee ist! Sie ist eine der wichtigsten Versicherung für unsere Freiheit, Neutralität, Unabhängigkeit und Wohlstand die wir haben! Man ist froh, wenn man eine Versicherung hat und sie nie brauchen muss. Auch wenn Sie Bundesrat Ueli Maurer für diese Aussage mehrfach durch den Schmutz gezogen hatten, so hatte er doch recht, als er sagte, wir hätten eine der besten Armeen der Welt: Wir haben sie seit 300 Jahren nie benützen müssen! Trotz zwei Weltkriegen um uns herum innerhalb von 30 Jahren!
Wir sind im Moment auf bestem Wege, genau diese Versicherung aufzugeben, dabei mache ich Sie mit Ihrer Berichterstattung zum Hauptverantwortlichen!
Man darf kritische Fragen stellen, sollte man auch! Das ist Ihre Pflicht! Genauso aber müssen Sie die Tatsachen richtig darstellen und ein stimmiges Allgemeinbild zeigen, und da Versagen Sie auf ganzer Linie; und das seit Jahrzehnten! Wenn (nur um ein Beispiel zu nennen) eine FA-18 abgestürzt ist, wird nicht berichtet, dass wir eine sehr niedrige Verlustzahl im Vergleich zu allen anderen Nationen haben, nein, dann wird in einer 15 Minütigen Berichterstattung jeder Absturz -seit dem ersten Weltkrieg von vor 100 Jahren- aufgezählt! Das verfälscht das Gesammtbild und wiederspiegelt nicht die Tatsache, dass wir alles in allem eine (noch!) sehr fähige Luftwaffe haben. Honorieren Sie für einmal unsere Piloten und das was Sie leisten, anstelle diese immer durch den Dreck zu ziehen! Von einer seriösen Berichterstattung erwarte ich etwas anderes! Änderen Sie dies endlich! Das ich dafür gezwungen werde auch noch die Serafe bezahlen zu müssen, schlägt dem Fass den Boden aus! Tragischerweise habe ich keine Hoffnung, dass mein Leserbrief daran etwas ändert. Aber möglicherweise bin ich nicht der einzige, der Ihnen solche Zeilen schreibt!
Freundliche Grüsse von einem aufgebrachten Zuschauer!
PS: Wenn Sie eine Anleitung brauchen, wie eine seriöse Berichterstattung aussehen sollte, dann sehen Sie sich doch bitte den Beitrag von Tele Zürich an. Es ist also wirklich möglich...>
Heute (15. April 2019) erhielt ich folgende - absolut innakzeptable - Antwort:
<Sehr geehrter Herr X
Ihre Nachricht zur Sendung vom Freitag hat uns erreicht. Sie haben die Kritik im Vorfeld der «Arena» abgeschickt: Haben Sie die Diskussion gesehen?
Freundliche Grüsse>
Das ist skandalös!
Offensichtlich wurde mein Mail erst gar nicht gelesen! Oder soll das eine Stellungnahme zu dem sein, was ich geschrieben habe? Nehmen die beim SRF Ihre Arbeit und Ihren Auftrag überhaupt ernst, oder ist das alles nur ein Experiment, ‘wie manipuliere ich die Öffentlichkeit’?? Mir ging - und geht es immer noch - darum, dass die TAGESSCHAU Ihren Auftrag zur seriösen Berichterstattung ernst nimmt und nicht, was in derer Arena diskutiert wird!! Trotzdem hatte ich danach noch kurz reingeschaut und das Thema war - wenn ich richtig gesehen habe - die Steuerreform und AHV-Finanzierung. Was hat dies bitteschön mit der Tagesschau und der Flugzeugbeschaffung zu tun???
Wenn Die Antwort aus Sicht der SRG in einem Satz und einer Frage erledigt sein sollte und nicht einmal ansatzweise darauf eingegangen wird, was ich geschrieben habe, so fühle ich mich als zahlender Kunde auf keine Art und Weise ernst genommen! Auch entstehen bei mir sehr ernste Zweifel, ob das Fernsehen sich überhaupt bewusst ist, was für eine Verantwortung es trägt! Es ist mit Abstand das mächtigste Medium und geht trotzdem grobfahrlässig verantwortungslos damit um:
Ungenügende Qualität der Berichterstattung, ungenügende Fachkenntnisse und ungenügende Kundenkommunikation!
Wenn ich so arbeiten würde wie der SRF, wäre ich meine Stelle postwendend los! Ich erwarte ein korrektur des SRF und eine Antwort zu diesem Thema welche wenigstens konkret zu dem geschriebenen Stellung nimmt.
Ich entschuldige mich über den harschen Ton in den obigen Mails, aber wie Sie sehen sind diese nicht gegen Sie gerichtet. Man fühlt sich machtlos, wenn immer und immer wieder solche ‘Reportagen’ ausgestrahlt werden. Das muss sich unbedingt ändern! Deshalb freue ich mich auf eine Stellungnahme und eine etwas ausführlichere Antwort von Ihnen! Herzlichen Dank für Ihre Mühe.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Tagesschau» äußerte sich Herr Franz Lustenberger, ehemaliger stellvertretender Redaktionsleiter:
«Mit Mail vom 15. April hat Herr X eine Beanstandung gegen die Tagesschau vom 12. April eingereicht. Es geht um den Beitrag zum Testflug des Eurofighters in Payerne. Der Beanstander kritisiert im Weiteren ganz allgemein die Berichterstattung über das Militär. Zudem beklagt er sich über einen Mailwechsel mit dem Kundendienst von SRF. Auf beide Punkte gehe ich in dieser Antwort auch ein.
Grundsätzliches
Das Evaluationsverfahren zur Beschaffung eines neuen Kampfflugzeuges startet mit der Präsentation des Eurofighters; dies ist eines von fünf Kampfflugzeugen, die zur Auswahl stehen. Am Tag des Testfluges hat die Tagesschau die Vorteile des Flugzeuges aufgezeigt, sie hat aber auch die Probleme thematisiert, welche im vergleichbaren Nachbarland Österreich bei der Beschaffung und beim Betrieb auftraten. Es ist aus Sicht der Tagesschau Teil der journalistischen Pflicht, diesen Aspekt aufzugreifen und auch den Vertreter der Hersteller-Firma dazu zu Wort kommen zu lassen. Auch der Delegierte des Bundesrates für die Flugzeugbeschaffung kann diese Thematik in den aktuellen Schweizer Kontext einordnen.
Vorteile und Probleme
Im ersten Teil des Beitrages werden die Vorzüge und Vorteile des Eurofighters für die Schweiz aufgezeigt. Schon in der Moderation ist von einem ‘Jet mit vielen Vorzügen’ die Rede. Die Tagesschau nennt dabei explizit die Wendigkeit, die Fähigkeit zu Boden- und Lufteinsätzen, was für die Schweizer Luftwaffe explizit gewünscht ist. Dazu wird erklärt, dass es sich um ein gesamteuropäisches Rüstungsprojekt (D, GB, I, E) handelt, mit mehr als 550 bereits ausgelieferten Flugzeugen. Und der Vertreter von Airbus Defence & Space, Bernhard Brenner, zeigt auf, welche Vorteile dies der Schweiz bringen würde – nämlich ‘Kooperation mit Deutschland aber auch Trainingsmöglichkeiten in anderen Eurofighter-Ländern’. SRF hat in diesem Beitrag ausführlich die Vorteile des Eurofighters erwähnt; ein Vergleich mit anderen Flugzeugen ist derzeit nicht möglich, da die entsprechenden Präsentationen erst noch bevorstehen.
Im zweiten Teil des Beitrags werden die Probleme des Nachbarlands Österreich bei der Beschaffung des Eurofighters thematisiert. Die Republik Österreich hat im Februar 2017 eine Strafklage gegen die Eurofighter Jagdflugzeug GmbH und gegen die Airbus Defence & Space GmbH eingereicht. Amtierender österreichischer Verteidigungsminister war zu dieser Zeit Hans Peter Doskozil. Deshalb ist er eine durchaus qualifizierte Auskunftsperson, um im Beitrag zu Wort zu kommen.
Nach der Aufzählung von Fakten (Beschaffung von 15 Jets, Einsetzung Untersuchungsausschuss, Klageeinreichung durch die Republik Österreich mit grafischem Beleg der Klage welche uns vorliegt, technischer Mangel und höhere Unterhaltskosten als vereinbart) und dem Interviewauszug des ehemaligen österreichischen Verteidigungsministers Doskozil, wird im Text gesagt, dass Airbus und Eurofighter GmbH die Vorwürfe abstreiten.
Danach kommt richtigerweise der Verantwortliche des Bundes für die Flugzeugbeschaffung zu Wort; er erklärt ausführlich, weshalb trotz der Causa Österreich der Eurofighter im Evaluationsverfahren dabei sei. Christian Catrina ordnet diese im Beitrag aufgezeigten Probleme Österreichs in den Kontext der Schweizer Flugzeugbeschaffung ein. Er sagt, dass bei jeder Flugzeugbeschaffung gute und schlechte Erfahrungen gemacht werden können. Er erklärt, weshalb dieser Fall Österreich für die Schweiz nicht relevant sein wird. Er spricht von nicht mehr exakt dem gleichen Flugzeug wie bei der Beschaffung in Österreich. Auch das ist eine wichtige Information für die politische Diskussion, welche in der Schweiz bereits läuft und zukünftig noch ausführlicher folgen wird.
Und schliesslich konnte sich auch noch Bernhard Brenner von der Airbus Defence & Space GmbH zu den Problemen in Österreich äussern und Zweifel in der Schweiz aus dem Weg räumen. Es gebe positive Rückmeldungen aus Ländern, in denen der Eurofighter im Einsatz steht.
Fazit zum Beitrag
Die Tagesschau hat am Tag des Testflugs des Eurofighters einen kritischen und zugleich ausgewogenen und fairen Beitrag realisiert und ausgestrahlt. Der Zuschauer konnte sich ein erstes Bild darüber machen, welche Vorzüge der Jet hat, welche Probleme es in Österreich bei der Beschaffung dieses Jets gab und was das für die Schweiz bedeutet.
Die Tagesschau weist den Vorwurf zurück, ‘die Konkurrenz’ zu unterstützen. Sie wird auch die anderen Flugzeuge, die zur Auswahl stehen, anlässlich ihrer Präsentation, kritisch betrachten.
Zudem ist, darauf hinzuweisen, dass der Evaluationsprozess erst ganz am Anfang steht. Über alle Vor- und Nachteile der verschiedenen Flugzeugtypen wird noch ausführlich berichtet und diskutiert werden.
Berichterstattung über Militär
Schweizer Fernsehen SRF berichtet sachlich über Themen des Militärs und des VBS. Ihren subjektiven Befund, das Schweizer Fernsehen würde über das Militär im Allgemeinen und die Luftwaffe im Speziellen ‘herziehen’, kann ich aus meiner Erfahrung nicht teilen. Ich bearbeite seit mehreren Jahren Beanstandungen zu Sendungen der Tagesschau und verfasse Stellungnahmen zuhanden der Ombudsstelle. Militärthemen sind äusserst selten darunter. Schweizer Fernsehen weist den Vorwurf, mit der Berichterstattung zu Militärthemen würde SRF den Soldaten in den Rücken fallen, in aller Form zurück.
Mailverkehr mit dem Kundendienst
Aufgrund eines internen Fehlers ist das Mail des Beanstanders zum Bericht über den Eurofighter im ‘Korb’ Arena gelandet. Er hat demzufolge eine falsche Antwort erhalten. Der Kundendienst hat sich am 16. April mit einem Mail beim Beanstander für den Fehler entschuldigt und ihm im Nachgang auch eine Stellungnahme des für den Beitrag verantwortlichen Redaktors geschickt.
Der Kundendienst von SRF nimmt alle Mails, Telefone und Zuschriften ernst. In diesem Fall ist ein Fehler passiert, für den ich mich auch an dieser Stelle nochmals entschuldigen möchte.
Ich bitte Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich bedaure sehr, dass Sie auf Ihren sehr grundsätzlichen Brief im Nachgang zum «Tagesschau»-Beitrag über den «Eurofighter» eine schnöde Antwort erhielten, die sich auf eine ganz andere Sendung bezog. Aber wie Sie inzwischen bereits wissen, war das eine dumme Panne, und Fernsehen SRF hat sich bei Ihnen dafür auch entschuldigt. Und ich muss anfügen: Solche Fehler können immer wieder mal passieren. Wichtig ist, dass man sie erkennt, zu ihnen steht und sie korrigiert.
Und nun komme ich zu der von Ihnen beanstandeten Sendung. Ihnen ist vermutlich entgangen, dass die «Tagesschau» die Testflüge aller fünf Modelle, die für die Schweiz als neue Kampfflugzeuge zur Wahl stehen, begleiten wird. Der «Eurofighter» machte den Anfang, die anderen Flugzeuge werden folgen. Es wäre nicht fair gewesen, wenn die «Tagesschau» die Probleme, die das Flugzeug der Republik Österreich beschert hat, verschwiegen hätte. Es gehört zu einer sachgerechten Berichterstattung, dass jeweils die Vor- und Nachteile jedes Typs besprochen werden. Das war hier der Fall: Es fielen in dem Beitrag sechs oder sieben Argumente, die für die Beschaffung des «Eurofighters» sprechen, und fünf, die dagegen ins Feld geführt werden können. In Sekunden und Minuten hatten die Gegenargumente vielleicht leicht mehr Raum, aber insgesamt war die Vorstellung ausgewogen. Ich hatte überhaupt nicht den Eindruck, dass die «Tagesschau» den «Eurofighter» «abschiessen» will und die Konkurrenz unterstützt. Sie wird die anderen «Kandidaten» genauso fair und genauso kritisch unter die Lupe nehmen wie den «Eurofighter».
Und das heißt: Die «Tagesschau» berichtete mit Distanz. Da war nichts Militärfeindliches, nichts Flugwaffenfeindliches und nichts Airbusfeindliches auszumachen. Ich sage das als jemand, der im Militär bei der Flieger- und Flabtruppe war und der von der Luftverteidigung überzeugt ist. Der Bericht war journalistisch einwandfrei, und deshalb kann ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann
[1] https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/tagesschau-vom-12-04-2019-1930?id=5fac0f35-8261-4204-a70b-1ba2c54c02f
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