Über ein Drittel zählt zu den News-Deprivierten
Die Zahl der Menschen mit einem weit unterdurchschnittlichen Newskonsum ist hierzulande in den letzten zehn Jahren um 15 Prozent gestiegen. Dies geht aus dem neuen Jahrbuch «Qualität der Medien» hervor. Die Autoren fordern einen neuen Medienpatriotismus.
In der Schweiz gibt es immer mehr Personen mit einem weit unterdurchschnittlichen Newskonsum. Der Bevölkerungsanteil der «News-Deprivierten» stieg von 2009 bis 2019 um 15 Prozentpunkte auf 36 Prozent. In der Altersgruppe der 16- bis 29-Jährigen sind es gar 56 Prozent. Das stellen die Autoren des neusten Jahrbuchs «Qualität der Medien» fest.
Demnach sind nicht nur die «News-Deprivierten» mit relevanten Hardnews unterversorgt, sondern auch die «Global Surfer». Während die «News-Deprivierten» generell wenig News konsumieren, gelten die «Global Surfer» zwar als newsaffin, aufgrund ihres Medienmenüs werden sie aber unzureichend mit regionaler und nationaler Berichterstattung konfrontiert.
Die Versorgung mit Angeboten aus dem Inland sei aber notwendig, um auf informierter Grundlage die demokratischen Grundrechte ausüben oder an der Öffentlichkeit eines Landes, in dem man lebt, teilnehmen zu können, heisst es in der Studie. Die News-Deprivation sei in mehrfacher Hinsicht problematisch. Sie gehe einher mit geringerem politischem Wissen und mit geringerer Teilhabe am politisch-demokratischen Prozess. Die News-Deprivation korreliere weiter mit geringerem Vertrauen in staatstragende Institutionen.
Nicht zuletzt sei das gesellschaftliche Bild der «News-Deprivierten» stärker emotional und bedrohlich aufgeladen: Skandale und Krisen, Unfälle, Katastrophen und Anschläge fänden stärker Eingang in die Newsfeeds solcher Nutzergruppen. Und: Die prioritäre Nutzung von sozialen Medien fördere die News-Deprivation.
Das Problem der News-Deprivation beschränke sich keineswegs auf die Schweiz, heisst es weiter. Dies zeige die internationale Forschung zur sogenannten News Avoidance. Der Bevölkerungsanteil der «News Avoider», die aktiv und bewusst News verweigern, liege in westlichen Demokratien heute zwischen 15 und 41 Prozent.
Vertrauen in klassische Medien
Trotz des Bedeutungsgewinns von Plattformen wie Facebook, Google, WhatsApp, Snapchat oder Instagram: In 38 untersuchten Ländern, so auch in der Schweiz, wird klassischen Informationsmedien deutlich mehr vertraut. So geben hierzulande 47 Prozent der Befragten an, den Medien als Informationsquellen überwiegend stark zu vertrauen. Bei den Suchmaschinen sind es 29 Prozent, bei Social Media 17 Prozent.
Die intensivsten Social-Media-Nutzer, also die jüngsten Befragten, misstrauen den Nachrichten auf Social Media am meisten (62 Prozent). Insgesamt gibt es den bemerkenswerten Befund, dass die zunehmende Nutzung sozialer Medien mit sinkenden Vertrauenswerten in diese Plattformen einhergeht.
Das sei für den Schweizer Informationsjournalismus ein wichtiger Befund, heisst es im Jahrbuch: Trotz hoher und wachsender Bedeutung der sozialen Medien als Quellen träten die Nutzerinnen und Nutzer den sozialen Plattformen mit tendenzieller Skepsis gegenüber und seien sich offensichtlich der wichtigen Funktion professioneller Informationsmedien als Garanten eines aufgeklärten gesellschaftlichen Diskurses bewusst. Die Zahlungbereitschaft für Onlinenews bleibt in der Schweiz und in vielen weiteren Ländern tief. Lediglich 11 Prozent der Schweizer Mediennutzerinnen und -nutzer geben 2019 an, für digital verfügbare News zu bezahlen.
Für mehr Medienpatriotismus
Die Plattformisierung schwäche den professionellen Schweizer Informationsjournalismus, ablesbar unter anderem an der fortschreitenden Medienkonzentration in der Schweiz, schreiben die Autoren der Studie. Professionelle Informationsmedien sowie redaktionell produzierte News blieben für die demokratische Gesellschaft aber unverzichtbar.
Was deshalb nottue, sei ein neuer Medienpatriotismus. Dieser müsse von der Einsicht geleitet sein, dass hiesige journalistische Informationsmedien für einen demokratischen Nationalstaat wie die Schweiz unverzichtbar seien, diese jedoch in erster Linie von aussen, das heisst durch die globalen Tech-Plattformen, bedrängt würden.
Die Stützung des nationalen Systems professioneller Informationsmedien müsse sowohl staatliche wie darüberhinausgehende Massnahmen umfassen. Im Bereich staatlicher Massnahmen wurden Vorschläge für eine Besteuerung von Werbeerträgen, die auf journalistischen Inhalten durch die Tech-Plattformen erzielt werden, bereits im letzten Jahrbuch «Qualität der Medien» gemacht, ebenso der Vorschlag, die direkte Medienförderung auszubauen.
Im nichtstaatlichen Bereich wäre die Kooperation zwischen den Medienorganisationen zu intensivieren. Im Raum steht die Vision einer schweizerischen digitalen Allmend für den professionellen Informationsjournalismus, die überall dort auf Kooperation setzt, wo der publizistische Wettbewerb als Voraussetzung für einen aufgeklärten, vielfältigen Diskurs nicht geschmälert wird.
Zum zehnten Mal publiziert
Das Jahrbuch «Qualität der Medien» wird zum zehnten Mal publiziert. Es wird vom Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich verfasst. Finanziert wird es von der Kurt Imhof Stiftung für Medienqualität und der Universität Zürich.
Befragt wurden rund 2000 Internetnutzer in der Deutschschweiz und der Suisse romande. Zudem flossen Umfragedaten aus einer alljährlich durchgeführten Mediennutzungsstudie des fög in Zusammenarbeit mit GfK Switzerland in die Analysen ein. Im Rahmen dieser Studie werden seit 2009 rund 3400 Onlineinterviews jeweils zum Jahresbeginn durchgeführt.
Dieser Text wurde ursprünglich am 14.10.19 auf persönlich.com publiziert.
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