Die Wetterfesten

Ihnen entgeht kein Wetter: Die Meteorologinnen und Meteorologen von SRF Meteo analysieren mit ­Leidenschaft Wetterdaten und erstellen für das Publikum Prognosen. Eine Aufgabe, die gerade in Zeiten des Klimawandels an Fokus gewinnt, wie Thomas Bucheli und Sandra Boner im Gespräch mit LINK erklären.

Die Schweiz hat mit den Wahlen 2019 eine grüne Welle erlebt. Weltweit ist die Klimadebatte im Gange und die Jugend demonstriert an den #Fridaysforfuture. Für SRF Meteo ist die Brisanz des Themas nichts Neues: Die Redaktion wird immer wieder gefragt, was der Klimawandel bewirke und ob das jüngste Unwetter damit zusammenhänge. Laut SRF Meteo Redaktionsleiter Thomas Bucheli sind das zwei verschiedene Dinge: «Wir müssen immer wieder darauf hinweisen, dass sich Wetter und Wetterprognosen nicht einfach auf das Klima übertragen lassen.» Das Wetter ist hier und jetzt, das Klima hingegen ist eine statistische Grösse und bezieht sich auf einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren. Die Meteorologen stünden durchaus im engen Austausch mit den Klimatologen, sagt Bucheli, doch die Herangehensweise sei eine andere. «Macht das Wetter Kapriolen, dann hat das nicht zwingend etwas mit dem sich verändernden Klima zu tun.»

Das Wetter lockt die Schweizerinnen und Schweizer vor den Fernseher; mitunter schauen bis zu einer Million Menschen um 19.55 Uhr SRF Meteo, wenn Sandra Boner, Thomas Bucheli, Christoph Siegrist, Sabine Balmer, Jan Eitel oder Nicole Glaus die Tiefs, Hochs und nächsten Fronten ankündigen. Ihre Prognosen basieren auf Wissenschaft und viel Physik: Es gilt, das System Erde-Atmosphäre möglichst exakt zu vermessen. Dies geschieht mit einem weltweiten Netzwerk von Sensoren – zu Land, zu Wasser, in der Luft, im Weltall. Aus diesen Daten berechnen Hochleistungscomputer mittels extrem komplizierter physikalischer Gleichungen die weitere Entwicklung des Wetters. Zwar stehen die Moderator*innen stets alleine auf dem Meteo-Dach – doch der Schein trügt. «Gestützt und getragen werden wir von einer Armada von Forschern, Wissenschaftlerinnen, Programmierern und Ingenieurinnen auf der ganzen Welt. Diese versorgen uns mit all den Daten und Wettermodellen, aus denen wir letztendlich die Prognosen erstellen», sagt Bucheli. Die Meteorologen haben schon früh erkannt, dass zuverlässige Prognosen nur mit internationaler Zusammenarbeit möglich sind.

Die Wettermodelle sind die Basis jeder Prognose. Sie sind in den letzten Jahrzehnten immer feinmaschiger geworden. «Will jemand beispielsweise auf den Titlis, können wir ihm heutzutage sehr detaillierte Prognosen liefern», sagt Bucheli. Für die Live-Sendungen müssen die Wettermacher aber trotzdem zusammenfassen, und zwar so, dass sich der Walliser in der Sendung genauso wiederfindet wie die Baslerin. Am Ende der Sendung bleibt immer auch Zeit für einen persönlich gefärbten Input: Christoph Siegrist, Sabine Balmer und Thomas Bucheli erklären gerne meteorologische Phänomene, Jan Eitel ist Spezialist für Winde, während Sandra Boner das Wetter bevorzugt mit gesellschaftlichen oder landwirtschaftlichen Aspekten verknüpft. «Als Einzige unter uns habe ich kein naturwissenschaftliches Studium absolviert und sehe mich daher eher für die praktischen Dinge zuständig», sagt Boner. Wiederum andere Akzente setzen die Umweltwissenschaftlerin Nicole Glaus, der Physiker Ivo Sonderegger und überhaupt das ganze Team von SRF Meteo am Radio und am TV. Auch «private» Kompetenzen fliessen immer mal wieder in die Prognosen ein, sei es von den Sportfreaks Felix Blumer und Gaudenz Flury oder vom Hobby-Winzer Jürg Zogg. All diese unterschiedlichen Hintergründe sind gewünscht. Jeder setzt einen etwas anderen Schwerpunkt – und das bietet dem Publikum zusätzlichen Mehrwert. Eines haben die SRF-Meteo-Leute alle gemein: ihre grosse Leidenschaft für das Wetter.

SRF Meteo erstellt Prognosen bis auf sieben Tage im Voraus. Viele Leute möchten aber gerne noch weiter «gucken» – und tatsächlich gibt es im Internet Vorhersagen für 16 Tage. «Theoretisch könnte man unendlich weit in die Zukunft rechnen. Aber schon Zehn-Tages-Prognosen bieten höchstens noch zufällige Treffer, und weiter hinaus wird es reine Lotterie. Wir wollen dem Publikum nichts vorgaukeln, sondern wissenschaftlich bleiben», so Bucheli. Prognosen dienen schliesslich nicht zur Unterhaltung: Viele Berufsbranchen sind wetterabhängig und wollen sich auf die Prognosen verlassen können. So heuen die Bauern nur dann, wenn auf ihrem Feld ein paar trockene Tage vorhergesagt werden, derweil es Unternehmen gibt, die bei längeren Hitzewellen die Arbeitszeiten anpassen. Auch der Tourismus ist massiv von den Vorhersagen bestimmt: Die Leute planen sehr kurzfristig und reisen meist nur dann ins Bündnerland, ins Wallis oder ins Berner Oberland, wenn dort Sonne garantiert ist. «Eigentlich sind fast alle Branchen in irgendeiner Form vom Wetter beeinflusst – der Nutzen von Wetterprognosen für die Volkswirtschaft ist daher enorm», sagt Bucheli.

Wir Schweizerinnen und Schweizer sind sehr wetteraffin. Bucheli führt dies auf die topografische Eigenheit unseres Landes zurück: «Nahezu jedes Tal und Tälchen hat quasi ‹eigenes Wetter›, und selbst grössere Regionen, wie beispielsweise um den Genfersee, reagieren bei gewissen Wetterlagen völlig anders als das Gebiet am Bodensee, und beide wieder anders als der Juranordfuss. Das Publikum weiss um diese Unterschiede und ist daher an detaillierten Regionalprognosen interessiert.»

Dies gilt erst recht bei gefährlichen Wetterlagen und wenn gezielte Warnungen notwendig werden; dann sind lokale Kenntnisse der Meteorologen genauso gefragt wie Schnelligkeit und Präzision – auch für die Newssendungen im TV und Radio von SRF. Deutlich gezeigt hat das der Sturm «Lothar» 1999. Er brachte buchstäblich neuen Wind in die Arbeitsabläufe von SRF Meteo. Bis zu «Lothar» waren die Meteorologen geneigt, gewisse Modelle als eher «minderwertig» zu taxieren. Was dazu führte, dass genau dem Modell zu wenig Beachtung geschenkt wurde, das den Sturm als Einziges korrekt berechnet hatte. Seit diesem Ereignis setzt SRF Meteo bei der Beurteilung der kommenden Wetterentwicklung auf «Ausreisser»-Vorschläge ein besonderes Augenmerk: Es könnte ja durchaus so kommen! «Lothar» war zudem auch die Geburtsstunde des «Wetter-Alarm»: Anfangs noch per SMS, heute per App, werden die Kunden vor aufziehenden Unwettern und vor Wettergefahren frühzeitig gewarnt und können entsprechende Vorkehrungen treffen.

Auch auf Social Media (@srfmeteo bei Instagram und Twitter) ist SRF Meteo präsent. «Dadurch erreichen wir auch ein jüngeres Publikum», sagt Boner. Die Präsenz auf verschiedenen Kanälen ermöglicht einen direkten Dialog mit dem Publikum. Neben Fragen zu konkreten Wetterphänomenen erhält die Redaktion hin und wieder auch Vorwürfe, dass eine Prognose nicht gestimmt habe. «Das ist durchaus möglich», sagt Boner, «denn die meteorologische Prognostik hat zwar unglaubliche Fortschritte gemacht, wird aber auch in ferner Zukunft nie zu 100 Prozent perfekt sein. Manchmal erwarten die Leute auch einfach anderes, besseres Wetter, als die Prognosen verkünden – und sind dann enttäuscht, wenn es nass bleibt.» Meist reichten aber wenige Erläuterungen aus, um solche Unklarheiten zu beseitigen.

Dank modernster Technik werden aber die Prognosen immer genauer. Dadurch steigen auch die Ansprüche des Publikums an die Meteorologen. Das ist die grösste Motivation des Teams von SRF Meteo – und hält es weiterhin «wetterfest».

Text: Dinah Leuenberger

Bild: SRF / Oscar Alessio

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