Auch Kantone in Sorge um den Journalismus
In bisher fünf Kantonen werden jetzt ebenfalls Massnahmen zur Medienförderung geprüft. Eine kleine Schweizer Reise.
Bern, Ratssaal des Grossen Rates. Die Kantone laden vergangenen November ein Fachpublikum aus Medienwissenschaft, Journalismus, Medienunternehmen und Medienpolitik zur Tagung. Das Thema: Was können die Kantone, ergänzend zum Bund, zur Medienförderung beitragen? Verfassungsrechtlich sei das absolut möglich, sogar einfacher als beim Bund.
Diverse Vertreter von Kantonsregierungen äussern sich in Bern besorgt über den Umbruch in der Medienlandschaft. Sie sprechen von Qualitätsverlust, von einer Abnahme bei der Vielfalt in der Berichterstattung. Und das treffe auch das politische Geschehen in den Kantonen und Gemeinden. Christoph Ammann, Regierungspräsident des Kantons Bern, fragt: «Ist der kritische Blick von ‹oben› auf die Debatten und Entscheide unserer Volksvertreterinnen und Vertreter noch gewährleistet? Und zwar auf politische Entscheide, die uns und unseren Lebensalltag oft sehr direkt betreffen, schliesslich wird in diesem Haus vier Mal im Jahr um wichtige Fragen zu zentralen Themen wie Bildung, Gesundheit, Sicherheit, Steuern, Umwelt, Landwirtschaft und Verkehr gerungen.»
Diese Entwicklung fordere das politische System heraus. Und Pascal Broulis, Waadtländer Staatsrat und Präsident der ch Stiftung, dem «Haus der Kantone», fragt: «Welche Rollen sollen die Kantone dabei spielen?» Broulis selbst fordert einen Massnahmenplan.
Reisen wir einige Monate später in jene fünf Kantone, in welchen bereits politische Entscheide zur Medienpolitik gefallen sind.
Zuerst sind wir in der Romandie. Hier hatte vor drei Jahren vor allem die Einstellung des Polit-Magazins «L'Hebdo» eine medienpolitische Debatte ausgelöst. Jetzt steht demnächst das Geschäft «Interkantonale Stiftung zur Presseförderung» auf der Traktandenliste der Westschweizer Regierungskonferenz. Die öffentliche Hand soll einer solchen Stiftung jährlich mehrere Millionen Franken zuschiessen. Damit könnten gemäss einer Empfehlung des Think-Tank «nouvelle presse» aufwändige Recherchen, die Weiterbildung im Mediensektor, verbilligte Abonnements oder die digitale Transformation unterstützt werden.
Bereits konkreter ist der Kanton Waadt geworden und hat beschlossen, über fünf Jahre je 6,2 Millionen Franken in die Medienförderung zu investieren. Damit soll die Ausbildung von jungen Journalistinnen und Journalisten gefördert, eine Vollzeitstelle im Regionalbüro der Agentur SDA finanziert und ein regionaler virtueller Zeitungskiosk geschaffen werden. Zudem will der Kanton in den Medien mehr Anzeigen schalten. Und schliesslich – der originellste Ansatz – sollen alle Jugendlichen, die volljährig werden, im 18. Lebensjahr ein via Subventionen stark verbilligtes Zeitungsabo beziehen können.
Ein kurzer Blick auf den Kanton Genf: Die Stadt Genf hat vorerst ein bescheideneres Massnahmepaket beschlossen, 80 000 Franken für die Medienförderung. Unter anderem sollen die Mieten für die Zeitungsboxen im öffentlichen Raum erlassen werden.
Wir setzen unsere Reise fort in den Kanton Bern. Hier hat der Grosse Rat im vergangenen November über einen Bericht des Regierungsrats beraten und einen Grundsatzentscheid Richtung kantonaler Medienförderung gefällt. Angedacht ist, die Regionalbüros der SDA in Biel und Bern zu stärken, an den Schulen die Medienkompetenz zu fördern sowie eine Onlineplattform für Kommunikation und Information aufzubauen. Auch die Kommunikation des Kantons soll gestärkt werden – aus Sicht des Journalismus ist das allerdings keine Stärkung der Medien.
Der Grundsatzentscheid war in der Abstimmung mit 105:41 (SVP und GLP dagegen) nicht unumstritten. Einzelne Vorschläge wurden sogar abgelehnt und werden nicht weiter bearbeitet wie der Aufbau einer staatlich alimentierten Stiftung zur Medienförderung oder Beiträge an die Ausbildung von Medienschaffenden. Jetzt muss der Regierungsrat ein konkretes Konzept ausarbeiten. Nötig ist eine Änderung des Informationsgesetzes, das dann wieder vor den Grossen Rat muss.
Bitte einsteigen, 67 Minuten Zugfahrt, Richtung Nordosten geht es weiter nach Luzern. Im Luzerner Kantonsrat sitzt auch Rahel Estermann. Sie ist Digitalforscherin an der Universität Luzern. Und sie regt mit einem politischen Vorstoss an, dass der Kanton für den Bereich der regionalen Informationen ein Fördermodell ausarbeite und finanziere. Der Regierungsrat hält in seinem Antrag an das Parlament fest: «Die Konzentration in der Medienlandschaft und der Abbau von redaktionellem Personal haben dazu geführt, dass kantonale politische Themen nur noch ausnahmsweise kompetent eingeordnet und mit der nötigen Sorgfalt und Tiefe auch kontrovers behandelt und kommentiert werden können. Damit fehlt der interessierten Öffentlichkeit eine wichtige Orientierungshilfe. Unser Rat sieht darin einen Qualitätsverlust, der durchaus demokratiepolitisch relevant ist.» Dennoch will die kantonale Exekutive vorerst die vom Bund angekündigten Massnahmen abwarten. Sie sieht keine Notwendigkeit einer weitergehenden eigenen Medienförderung und empfiehlt, das Postulat Estermann abzulehnen. Der Entscheid im Kantonsrat steht noch aus.
Bemerkenswert an den Ausführungen der Luzerner Regierung: Angesichts des diagnostizierten Qualitätsverlusts bei den Medien will der Regierungsrat die aktive Verbreitung von Informationen der kantonalen Behörden via eigene Kanäle ausbauen. Das ist durchaus legitim. Aber Medienförderung ist das nicht. Da scheint eine klare Differenzierung zwischen Behördenkommunikation und unabhängiger journalistischer Rolle zu fehlen.
Schliesslich geht unsere Fahrt noch weiter ostwärts, am medialen Ballungszentrum Zürich vorbei in die Ostschweiz. Dort ist die Ostschweizer Regierungskonferenz «besorgt» über die Sparmassnahmen bei den regionalen Medien. Sie will die Medienförderung auf nationaler, regionaler und kantonaler Stufe weiterhin thematisieren.
Die Regierung in St. Gallen liess von der Universität St. Gallen bereits eine Studie zu den Möglichkeiten einer lokalen Medienförderung ausarbeiten. Dieser Bericht stellt Massnahmen in den Vordergrund, um die Innovationskraft der regionalen Medien zu stärken – zum Beispiel über ein unabhängiges Förder- und Kompetenzzentrum. Im Kantonsrat wurden zudem Vorstösse diskutiert, welche Grundlagen für eine direkte Medienförderung schaffen wollten. Das wurde klar abgelehnt.
Das ist übrigens ein gemeinsames Fazit aus der Reise durch alle Regionen: Überall, wo eine direkte Medienförderung zur Debatte stand, wurde dies abgelehnt. Die Ansätze, wie der Journalismus indirekt über Medienstrukturen gestärkt werden kann, sind hingegen vielfältig.
Die medienpolitische Debatte kommt offenbar auch in den Kantonen in Gang. Und auf Ebene des Bundes arbeitet das Departement von Bundesrätin Simonetta Sommaruga daran, das bereits vorgestellte Paket zur Medienförderung umzusetzen ( siehe LINK 4/19 ).
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