Ready, Set, Stop!

Bei Filmschaffenden ist es ein Bestandteil des Berufs, dass sie öfter mal mit unbekannten Variablen und nicht planbaren Situationen konfrontiert werden. Aber die Krise hat die Branche hart getroffen: Mittendrin wurde ganz unverhofft auf Pause gedrückt. Das hat Auswirkungen auf fast alle laufenden und geplanten fiktionalen Grossproduktionen in der Schweiz.

Es war Freitag, der 13., als bei der vierteiligen Krimiparodie «Advent, Advent» von Natascha Beller und Patrick Karpiczenko die letzte Klappe fiel. Am darauffolgenden Montag rief der Bundesrat den Lockdown aus. Auf den letzten Drücker konnten die Dreharbeiten der weihnachtlichen Miniserie noch planmässig abgeschlossen werden. Aber so gross die Erleichterung darüber war, trotz gewissen Einschränkungen alles im Kasten zu haben, machte sich bei der Crew auch Ernüchterung breit. Denn für die Filmschaffenden gingen innert kürzester Zeit geplante Folgeaufträge auf anderen Sets futsch – diese wurden vorläufig auf Eis gelegt oder gleich ganz abgesagt.

Timeout für Crew und Cast

Verschoben werden musste unter anderem der Dreh der schwarzen RTR­-Komödie «Metta da fein» von den beiden Nachwuchsregisseuren Carlo Beer und Urs Berlinger. Die Drehorte waren bereits definiert, der Cast bestätigt, die Crew gebucht und die weiteren Vorbereitungen in vollem Gang. Um ganze drei Monate hat sich die für ursprünglich April und Mai geplante Produktion im bündnerischen Vrin verzögert.

Die Dreharbeiten von «Wilder 3» mussten sogar schon vor dem allgemeinen Lockdown unterbrochen werden. Hauptdarstellerin Sarah Spale hatte sich beim Jagen eines Bösewichts am Knie verletzt. Für solche Unfälle von Darstellerinnen oder auch Regisseuren sind die SRF-Produktionen alle versichert. Bei einer Pandemie hingegen greift diese Ausfallversicherung nicht. 27 Drehtage für die dritte Staffel von «Wilder» sollen noch im Verlauf des Sommers nachgeholt werden.

Die Angst vor einer zweiten Welle

Die Filmbranche hat ein Schutzkonzept erarbeitet, in welchem unter anderem Verhaltens- und Hygieneregeln für alle Schweizer Produktionen definiert werden. «Das alles macht die Dreharbeiten noch komplexer, als sie schon sind, und führt auch dazu, dass die Produktionen teurer werden», sagt Sven Wälti, Leiter Film bei der SRG. Auch der Fall, dass Drehs wegen einer zweiten Welle erneut abgebrochen werden müssen, bereitet der Filmszene Kopfzerbrechen. Ein weiterer Lockdown könnte unter anderem auch eine neue TV-Dramaserie von SRF zum Thema Landwirtschaft sowie die beiden RTS- Serien «La chance de ta vie» und «Sacha» tangieren, welche für die nächsten Monate in Planung sind.

Nicht nur bei laufenden Projekten sind die Auswirkungen der Pandemie zu spüren. Auch bereits abgedrehte SRG-Koproduktionen, welche dieses Jahr für die grosse Leinwand lanciert wurden, standen mit den Lockdown-Massnahmen plötzlich vor ungeahnten Herausforderungen. Denn mit den Absagen von Filmfestivals und der monatelangen Schliessung der Kinosäle waren und sind die Plattformen für die Ausstrahlung beschränkt.

Bereits gestartete Kinofilme, von welchen man sich erhofft hatte, dass sie sich an den Kinokassen als Erfolgsvehikel beweisen, sind im März ganz plötzlich von der grossen Leinwand verschwunden. So beispielsweise die historische Komödie «Moskau einfach!» von Micha Lewinsky, das Liebesdrama «Mare» von Andrea Štaka oder das aufwühlende Wirtschaftsdrama «Jagdzeit» von Sabine Boss. Inzwischen sind diese SRG-Koproduktionen wieder in die Lichtspielhäuser zurückgekehrt – wenn auch mit ungewohnt gering ausfallendem Publikums- und Medienecho.

Das Hoffen und Warten auf den Kinostart

Mit dem Re-Opening der Kinosäle zählen die Filmschaffenden auf die Solidarität der Betreiber: «Hoffen wir, dass sie dem Independent-Kino die gleichen Chancen einräumen werden wie den Blockbustern», gibt das Regisseurinnen-Duo Stéphanie Chuat und Véronique Reymond in einer Interview-Reihe der Solothurner Filmtage zu bedenken. Der Kinostart ihres Spielfilms «Schwesterlein» wurde nämlich auf den Herbst verschoben. Für Ivo Kummer, Leiter Film im Bundesamt für Kultur, ist aber klar, dass die Kinos auf Blockbuster setzen müssten, um das Jahr zu überstehen, wie er in einem Gespräch mit SWI swissinfo.ch sagt. So musste auch das Biopic «Stürm: bis wir tot sind oder frei» über Ausbrecherkönig Walter Stürm weichen und wird nun erst im Januar 2021 in den Deutschschweizer Kinos zu sehen sein. Dabei zählt das Projekt, bei welchem bereits im Jahr 2013 die Filmidee von Dave Tucker mit dem «Treatment Award» geehrt wurde, momentan zu den am besten finanzierten Kino-Produktionen in der Schweiz.

Um das Schweizer Filmschaffen vor allem auch bei der Stoffentwicklung zu fördern, hat SRF in Zusammenarbeit mit dem Zurich Film Festival bereits zum achten Mal den «Treatment Award» ausgeschrieben: Autorinnen und Autoren können sich noch bis zum 14. August 2020 mit einem Exposé für einen langen Spielfilm zum Thema «Zwischenwelten» bewerben. Was dabei herauskommt, wird bestimmt wieder grosses Kino.

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SRG Insider hat sich mit Filmen und Serien in der Corona-Zeit beschäftigt und eine Reihe an Beiträgen dazu veröffentlicht.

Text: Vera Gächter

Bild: SRF/Severin Nowacki

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