Drama oder gar Trauerspiel in der Medienpolitik
Im März sah es nach einem medienpolitischen Frühling aus. Endlich schien eine ausgebaute Medienförderung möglich. Dann schien plötzlich wieder alles in Frage gestellt. Jetzt scheint der Nationalrat gerade noch ein Desaster verhindert zu haben. Hintergründe von Philipp Cueni.
Die Überraschung im Frühling war gross. Der Bundesrat hatte ein Massnahmepaket zur Medienförderung vorgelegt – schnell, einfach, und doch relativ umfassend. Und fast alle Reaktionen waren grundsätzlich positiv. Nach Jahren der Blockade gab es in der Politik – Ausnahme SVP – und in der Medienbranche einen breiten Konsens, dass die Medien stärker gestützt werden müssen. Respektive, dass eine nachhaltige Informationsversorgung der Bevölkerung zu sichern sei. Und dass das Massnahmepaket der richtige Weg sei. Das war das Vorspiel zum Drama.
Zur Erinnerung: Das Paket aus dem Departement von Bundesrätin Simonetta Sommaruga setzte auf die indirekte Medienförderung und wollte die Zeitungszustellung mit einem um 20 Millionen höheren Beitrag als bisher fördern. Der Bundesrat wollte neu auch Onlinemedien fördern (30 Millionen). Und es sollten auch Rahmenbedingungen für die Medienbranche gestützt werden, zum Beispiel mit Beiträgen an die Ausbildung oder Agenturen.
Im ersten Akt des Dramas formulieren Medienunternehmen zusätzliche Begehrlichkeiten: Die Zeitungszustellung soll um weitere 40 Millionen subventioniert werden – zugunsten der direkten Frühzustellung. Das fordert der Verlegerverband. Die neue Onlineförderung soll um 20 Millionen aufgestockt werden – das verlangen Interessengruppen aus dem Online-Bereich.
Aus der Medienbranche werden auch Differenzen und Kritik bekannt: Die «grosszügige» Unterstützung der Zeitungszustellung sei nicht zukunftsorientiert und helfe vor allem den Verlagshäusern. Die «zukunftsgerichteten» Onlinemedien würden zu wenig umfassend gefördert, denn gerade über solche Kanäle könne eine grössere Vielfalt von Anbietern entstehen.
Die Umsetzung der neuen Online-Förderung steht plötzlich im Mittelpunkt der Kritik: Das sei noch zu wenig ausgegoren – kritisieren die Verleger. Peter Wanner, der Vizepräsident des Verlegerverbandes, bezeichnet die Art der vorgeschlagenen Onlineförderung gar als «diskriminierend», weil es die Angebote der Verlagshäuser nicht oder zu wenig erfasse. Und eine Lobby von Gratis-Anbietern im Onlinebereich droht gar mit dem Referendum gegen das ganze Medienpaket, sollten diese Gratismedien von der Förderung nicht erfasst sein.
Zweiter Akt – eine Beruhigung der Situation. Als erster Rat stimmt der Ständerat dem Gesamtpaket zu – inklusive der von den Verlegern geforderten nochmaligen Erhöhung des Beitrags für die Zeitungsdistribution.
Förderung bei Radio und Fernsehen
Förderung bei Radio und Fernsehen
Unbestritten und so gut wie beschlossen ist die Erhöhung des Gebührenanteils der privaten Radio und Fernsehstationen von bisher sechs auf gesamthaft acht Prozent, also um etwa 27 Millionen.
Für die SRG ist eine Erhöhung des Gebührenbeitrags um 50 Millionen bereits beschlossen. Beide Elemente sind nicht Bestandteil des «Massnahmepaketes», aber gehören in diesen politischen Kontext.
Über den Sommer wird die Kritik an der Vorlage zur Online-Förderung stärker und grundsätzlicher. Im Lead FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen: Das brauche es nicht und es fehle dafür auch eine Verfassungsgrundlage. Verleger Peter Wanner schrieb zwei Tage vor einer entscheiden Sitzung der zuständigen Nationalratskommission: Man sei nicht grundsätzlich gegen eine Digitalförderung. Aber «bitte nicht zu ungunsten der etablierten Medien.» Anders formuliert: Eine Online-Förderung soll auch den Verlagshäusern zu gute kommen.
Dritter Akt, Ende August, Sitzung der Nationalratskommission. Nationalrat Wasserfallen gelingt in der Nationalratskommission ein Coup: Man soll das Paket doch einfach aufteilen – in einen Teil «Onlineförderung» und in den Rest der Fördermassnahmen. Und den Teil Online zurückstellen. Zur Erinnerung: Wasserfallen will eigentlich gar keine Online-Förderung. Mit diesem Vorschlag hat sich Wasserfallen knapp durchgesetzt.
Damit hat sich die Ausgangslage dramatisch verändert. Das links-grüne Lager will keine beschnittene Medienförderung und befürchtet, die Onlineförderung werde damit auf die lange Bank geschoben. Sie will das Paket jetzt als Ganzes ablehnen – zusammen mit den Stimmen der SVP, welche grundsätzlich gegen eine Medienförderung ist. Aus dem fragilen Massnahmepaket droht ein Scherbenhaufen zu werden. Ein weiterer Anlauf für eine Medienförderung drohte zu scheitern.
Vierter Akt – der Rettungsversuch: Die Medienbranche hat es wieder nicht geschafft, sich auf ein erstes Paket zu einigen und gemeinsam endlich eine Medienförderung anzuschieben. Der Verlegerverband merkt, dass die massive Kritik an der Online-Förderung kurz vor der Sitzung der Nationalratskommission ein Eigentor werden könnte: Wenn die Onlineförderung abgetrennt und dann das ganze Förderpaket zurückgewiesen wird, dann droht auch die massive Erhöhung der Beiträge an die Zeitungszustellung zu scheitern. Jetzt werden im Verlegerverband interne Differenzen sichtbar – der Familienstreit bringt weitere Dramatik in die Geschichte. Dennoch ruft der Verband den Nationalrat auf, für das Zusammenhalten des Gesamtpakets und gegen das Abtrennen der Digitalförderung zu stimmen. Es brauche das Gesamtpaket mit der erweiterten Printpresseförderung und der neuen Digitalförderung. Das bilde eine Brücke in der Transformationsphase der Medienhäuser. Die noch zu klärenden Fragen zur Ausgestaltung der Onlineförderung könnten ohne ein Aufsplitten an die Hand genommen werden.
Den fünftenten Akt des Dramas hat dann der Nationalrat geschrieben. Bei der Beratung des Geschäfts waren drei politische Lager auszumachen: Die SVP wollte weiterhin gar keine Medienförderung. Die FDP versicherte, das Paket der Medienförderung grundsätzlich zu unterstützen, aber man habe Bedenken, ob die Förderung im Onlinebereich richtig definiert und ob sie überhaupt in der Verfassung gestützt sei. Deshalb solle man das Paket auftrennen. Die Linskgrünen und ein Teil der Mitte plädierten wie auch Bundesrätin Sommaruga für das Paket als Ganzes mit der Förderung auf allen drei Ebenen.
Schliesslich stimmte der Nationalrat deutlich gegen die Empfehlung seiner eigenen Kommission und damit dafür, das Paket nicht aufzutrennen. Damit ist abzusehen, dass der Ständerat, der als Erst-Rat bereits einmal ähnlich entschieden hatte, das Gesetz definitiv so verabschieden wird.
Der Nationalrat hat damit ein Trauerspiel abgewendet und ermöglicht in diesem Drama gar ein Happy End für die Medienförderung.
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