«Statt News werden die Regionen online Vertiefung bieten»

Maurice Velati ist Projektleiter der Online-Aktivitäten der Regionalredaktionen. Im Interview mit LINK erklärt er, wie künftig mit hintergründigen regionalen Geschichten statt Kurz-News aus der Region auf allen digitalen SRF-Kanälen ein grösseres Publikum angesprochen werden soll.

LINK: Die neue regionale Ausrichtung im Onlinebereich erinnert an das TV-Magazin «Schweiz aktuell».
Maurice Velati: Wir werden ein Angebot aus allen Regionen realisieren, das für die ganze Deutschschweiz interessant sein soll. Aber es entsteht kein eigenes Magazin mit einer eigenen Redaktion. Der Vergleich zum Radio liegt näher als jener zum TV, weil die Regionaljournale schon bisher einzelne Beiträge aus den Regionen in die überregionalen Sendungen wie «Rendez-vous» oder «Echo der Zeit» eingeben.

Was ist denn neu?
Im Onlinebereich werden wir mehr Vertiefung und Einordnung über die kurzen Onlinenews hinaus bieten. Und wir wollen ein breiteres Publikum erreichen, indem wir alle bestehenden Onlinekanäle wie srf.ch, srf.ch/news, die SRF News-App oder die Facebook- und Instagram-Auftritte von SRF News nutzen.

Auf der Ebene der einzelnen Regionen wie Basel oder Ostschweiz sollen weniger regionale News als bisher angeboten werden. Für das newsinteressierte regionale SRF-Publikum ist das ein Verlust.
Quantitativ wird das Angebot kleiner sein, ja. Allerdings war die Nutzung dieser regionalen Onlineangebote bisher sehr tief. Einen Vollservice an regionalen News zu garantieren, war schon immer sehr schwierig. Die Situationen der Regionen sind unterschiedlich, weil die Informationsräume verschieden strukturiert sind: relativ kompakt in Basel, andere Regionen decken gleich sechs Kantone ab. Für ein vollständiges Onlineangebot an regionalen News hätten wir die Redaktion ausbauen müssen, aber das ist nicht möglich.

Betrifft diese Verkleinerung des Angebots auch das Radio, die Regionaljournale?
Nein. Beim Radioangebot abbauen wollten wir nicht. Das wäre aber nötig gewesen, wenn wir im Onlinebereich ausgebaut hätten. Angesichts unserer knappen Ressourcen in den Regionalredaktionen mussten wir Prioritäten setzen: kein Abbau beim regionalen Radioangebot, bei Online eher Vertiefung auf einzelne Geschichten, dafür weniger Breite bei den rein regionalen News.

Kann man nicht die fürs Radio erarbeiteten News auch für das Onlineangebot nutzen?
Es reicht nicht, aus einer Radionews schnell ein «Textli» zu machen. Online erwarten die Nutzerinnen und Nutzer eine andere Erzählweise, zum Beispiel einen direkteren Einstieg in die Geschichte – das ist aufwändig.

Die Onlinenutzung nimmt stetig zu. Die SRG hat politisch dafür gekämpft, ihr Publikum regional auch mit Onlinenews versorgen zu können. Und jetzt geht man wieder zurück.
Der Onlinemarkt hat sich verändert. Der Konsument nutzt verschiedene Kanäle oder Apps. Unsere Studien haben gezeigt, dass das Publikum die rein regionalen Onlinenews eher bei der privaten Konkurrenz abholt. Von uns erwartet man dann wieder Hintergrund und Einordnung. Wir versuchen also, unsere begrenzten Ressourcen anders einzusetzen und uns online neu zu positionieren.

Das Publikum erwarte von SRF keine Lokalnews – ist das wirklich so? Zumindest der Anspruch von SRF war da bisher anders. Das Publikum, das auch online die SRF-Qualität abholen will, wird enttäuscht und vertrieben.
Für jene relativ wenigen Hörerinnen und Hörer der Regionaljournale, die auch die regionalen Onlineseite nutzten, mag das stimmen. Aber das Publikum, welches sich ausschliesslich online informiert, erwartet von SRF im digitalen Angebot eben keine regionale Newsübersicht, sondern Hintergrund und Einordnung, was wir künftig auch bei den regionalen Themen bieten können – in der gewohnt hohen SRF-Qualität.

«Schwerpunkte wählen und entsprechend personelle Kapazitäten einsetzen – daraus erhoffen wir uns neue Geschichten.»

Maurice Velati
Projektleiter regionales Digitalangebot und Leiter Regionalredaktion Aargau Solothurn

Warum hatte das bisherige regionale Onlineangebot keinen Erfolg?
Es geht um die Auffindbarkeit und somit Nutzung des Angebots. Das Onlinepublikum ist deutlich jünger als das Radio-Publikum und kennt die Marke «Regionaljournal » nicht. Im digitalen Raum wird SRF kaum als regionales Medium wahrgenommen. Onlinegeschichten müssen anders zum Publikum gebracht werden als über Unterseiten unseres Web-Angebots.

Online mehr und vertiefte Themen von überregionalem Interesse. Sie hatten anderswo ein Beispiel genannt: die regional unterschiedlich hohen Hürden, den Schweizer Pass zu erhalten. Ist das nicht einfach ein klassisches Inlandthema? Also Abbau in den Regionen zugunsten des Inlands?
Wir rechnen mit Geschichten, die in den Regionalredaktionen aus deren Quellen entstehen. Solche Themen sind bisher von der Inlandredaktion weniger realisiert worden. Da liegt ein Potenzial, mit welchem wir uns auch von den Privaten unterscheiden können.

Wir sprechen über den Onlinebereich. Sollten solche speziell recherchierten Geschichten dann nicht auch ins Radioangebot aufgenommen werden?
Natürlich, das erhoffen wir uns so.

Es gibt regional wichtige Themen, die überregional dennoch kaum interessieren. Als Beispiel in Basel die umstrittene Freistellung eines Museumsdirektors, die auch politische Auswirkungen auf die Regierungsratswahlen haben kann. Dafür gäbe es dann im Onlinebereich keinen Platz?
Solche Geschichten und Situationen wird es geben und man wird von Fall zu Fall aushandeln, welche Themen online realisiert werden. Wir müssen lernen, regionale Geschichten so zu erzählen, dass sie auch überregional interessant sind.

Aufwändige Recherchen, Hintergrund ist angekündigt. Ist das nicht schon bisher eine Selbstverständlichkeit bei SRF?
Heute reagiert gerade die Onlineredaktion von News zu News. Die kleinen Teams in den Regionen gehen in erster Linie der Agenda, dem Newsstrom nach und produzieren Meldungen am Laufband. Recherche heisst saubere Abklärung der Fakten, alle Seiten anhören. Aber Vertiefung war bisher nur ab und zu möglich. Jetzt wollen wir Schwerpunkte wählen und dafür perwelsonelle Kapazitäten einsetzen. Daraus erhoffen wir uns neue Geschichten.

Geht es um das Recherchehandwerk oder um die Umlagerung von Ressourcen?
Die Recherchegrundlagen sind in unseren Redaktionen vorhanden. Mehr herausholen wollen wir durch die bessere Vernetzung unseres Know-hows. Das braucht Zeit und entsprechend Ressourcen.

Wie sollen diese Onlinegeschichten erzählt werden? In Radioform, also als Audio, oder als Video?
Die Forschung zeigt: Wer zum Beispiel die SRF News-App nutzt, spricht vor allem auf Text und Video an. Hier müssen wir lernen, für ein neues jüngeres Zielpublikum die passenden Erzählformen zu finden und den richtigen Themenfokus zu legen. Das ist ein Lernprozess.

Das neue Konzept ist Anfang September gestartet. Was merkt das Publikum?
Das Stammpublikum der regionalen Seiten merkt, dass diese nicht mehr da sind. Es gibt kein «Kästli» SRF Basel oder SRF Ostschweiz mehr. Aber nach und nach sollte das Publikum merken, dass digital auf srf.ch, auf der SRF News-App und auch in den sozialen Medien mehr und bessere Geschichten aus den Regionen angeboten werden.

Text: Philipp Cueni

Bild: Regionalredaktion SRG Aargau Solothurn

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