«Wir werden unser Stammpublikum nicht vernachlässigen»
Im Spätsommer gab SRF den Rahmen des Transformationsprojekts «SRF 2024» bekannt. Das Absetzen verschiedener Sendungen sorgte beim Publikum teilweise für Unmut. SRF-Direktorin Nathalie Wappler nimmt im Kommentar dazu Stellung.
Es gab und gibt teils intensive Diskussionen über unser Unternehmen und das Programm im Rahmen unseres Transformationsprojekts «SRF 2024». Mich haben diese Reaktionen in einem bestärkt: SRF löst Emotionen aus, ist beim Publikum relevant. Damit es auch in Zukunft so bleibt: Genau deshalb braucht es «SRF 2024».
Am Anfang des Strategieprozesses standen umfangreiche Analysen und ein eindeutiges Ergebnis: SRF erreicht das jüngere Publikum deutlich weniger gut als ältere Generationen. «Jung» meint in diesem Zusammenhang nicht Teenager, sondern unter 45-Jährige – also Menschen, die mitten im Arbeitsleben stehen. Aber es gehört zu unserem Auftrag, ein Medienhaus für alle zu sein. Weil wir diesen Auftrag heute zu wenig gut erfüllen, braucht es neue Angebote für diese jüngeren Menschen.
Mehr zum Projekt «SRF 2024».
Der Medienkonsum dieser Generationen hat sich in den vergangenen Jahren weg vom linearen Radio und Fernsehen hin zu digitalen Angeboten bewegt. Diesem globalen Trend müssen wir uns stellen und die geplanten neuen Angebote dort ausspielen, wo unter 45-Jährige Audio und Video nutzen: Das sind unsere eigenen Plattformen wie die News App oder Play SRF, aber auch Drittplattformen wie Youtube, Spotify oder Facebook. Die SRG-Konzession gibt diesen Auftrag in Artikel 13 übrigens explizit vor: Form und Ausspielweg so zu wählen, wie es dem Medienkonsum der jüngeren Zielgruppen entspricht.
Häufig werde ich gefragt, wo diese geplanten Angebote denn sind. Da bitte ich Sie noch um etwas Geduld. In finanziell guten Zeiten hätten wir zunächst neue Formate entwickelt, hätten viel ausprobiert – und erst nach dem erfolgreichen Start des Neuen etwas Bestehendes aufgegeben. Das geht heute nicht, denn neben der Transformation muss SRF auch ein Sparprogramm umsetzen. Also mussten wir zuerst Verzichtsentscheide treffen, um jetzt die Entwicklungen neuer Inhalte voranzutreiben.
Dass wir auf einzelne Sendungen verzichten müssen, bedaure ich. Was jedoch zu keinem Zeitpunkt zur Diskussion stand, sind unsere hohen publizistischen Standards und die bisherige Themenvielfalt. Lassen Sie mich das Prinzip der Transformation am Beispiel der Volksmusik darlegen. Im Fernsehen nicht mehr vorgesehen ist «Viva Volksmusik». Mit dem eingesparten Geld bauen wir im Internet ein digitales Volksmusikangebot mit neuen Formaten und mit Fokus auf Nachwuchsförderung auf. Der Verzicht auf eine einzige TV-Sendung ermöglicht uns also, online das ganze Jahr über ein Volksmusikangebot für Junge bereitzustellen – ein Vorhaben, das der Volksmusikverband explizit unterstützt. Auch er hat festgestellt, dass viele Junge Volksmusik machen oder hören, aber nicht übers klassische Radio und Fernsehen konsumieren. Für diese Zielgruppe, die wir heute zu wenig erreichen, gibt es künftig das digitale Angebot, ohne dass das ältere Stammpublikum vernachlässigt wird, denn Radio SRF Musikwelle und «Potzmusig» bleiben nämlich. Zudem sollen neue Onlineinhalte auch im Radio und Fernsehen ausgespielt werden.
Ob das funktionieren kann? Das tut es schon heute. Immer mehr Beiträge, die zunächst im Internet publiziert wurden, finden den Weg ins lineare Radio oder Fernsehen. Dazu gehören die Fake Checks in der «Tagesschau» oder bei «10vor10». Erst neulich haben unsere Fake Checker beliebte Behauptungen über die Tests zu Corona-Impfstoffen unter die Lupe genommen. Hätten Sie bemerkt, dass dieses Video zunächst für die App und Social Media hergestellt wurde? Vermutlich nicht. Digital heisst nämlich weder kurz noch seicht noch oberflächlich.
«Von einer Revolution kann keine Rede sein, eher von einer Evolution.»
Nathalie Wappler, Direktorin SRF
Aufräumen möchte ich auch mit einem weiteren Vorurteil: SRF vernachlässige das ältere Publikum. Dieses ist und bleibt wichtig. Heute fliessen weniger als 10 Prozent unserer Mittel ins Onlineangebot, in einem Jahr sollen es etwa 20 Prozent sein. Im Umkehrschluss heisst das: Noch immer produziert SRF 80 Prozent aller Inhalte fürs klassische Radio oder Fernsehen, also insbesondere für das ältere Publikum. Von einer Revolution kann deshalb keine Rede sein, eher von einer Evolution.
Die ganze Bevölkerung finanziert SRF und die SRG solidarisch, also muss es unser Anspruch sein, Angebote für alle im Programm zu haben. Ja, SRF wird sich deshalb verändern. Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir jede dieser Veränderungen mit der nötigen Sorgfalt angehen und dabei eines nie aus den Augen verlieren: unseren Auftrag, den Service public. Im Verlauf von 2021 werden die ersten Früchte von «SRF 2024» zu sehen und zu hören sein – im Radio und Fernsehen genauso wie im digitalen Angebot. Damit werden unsere Zukunftspläne für Sie, fürs ganze Publikum, konkreter greifbar. Ich freue mich darauf, wenn Sie auch diese Entwicklungen kritisch begleiten.
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