Von der Garage zum Radiostudio – Der Bau der Radio Hall hat gestartet

Im Sommer 2022 ziehen etwa 300 der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Zürcher Studio Brunnenhof in den umgebauten ehemaligen Garagentrakt am Leutschenbach. Anfang Februar starteten die Umbauarbeiten des Sanierungsprojekts. Ein erster Blick in das «strategische Projekt mit Spareffekt».

Noch ist es etwas unscheinbar, das Gebäude, das in gut einem Jahr das neue Zuhause der Zürcher Radio SRF-Mitarbeitenden werden soll. Unscheinbar und ein wenig abgelegen auf dem Fernsehstudio-Areal, das fast wie ein Gebäudepuzzle daherkommt, mit vielen Teilen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Funktionen. Heute ist der Mittelpunkt der Medienproduktion am Leutschenbach das 2019 fertigerstellte News- und Sportcenter. Doch das soll sich bis im Sommer 2022 ändern.

Im Südosten des Leutschenbach-Areals befinden sich die Logistik, die Garagenhalle für die Reportagewagen und draussen die Tankstelle für die Flotte. In der LKW- Halle aus dem Jahr 1967 entstehen über zwei Geschosse, verteilt auf etwa 4400 Quadratmetern Nutzfläche, rund 220 Arbeitsplätze in einer offenen Bürolandschaft, sechs Senderegien (Studios) sowie – an der südlichen Stirnseite – eine Livestage mit Platz für bis zu 200 Personen. Bis Ende August 2022 ziehen hier rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Radio SRF 1, SRF 3, SRF Musikwelle, SRF Virus und des Regionaljournals Zürich Schaffhausen ein, die zurzeit am Brunnenhof arbeiten. Mit dem Bau der Radio Hall am Leutschenbach entsteht eine Campus-ähnliche Gebäudenutzung, die Begegnungen und Austausch zwischen Radio-, TV- und Online-Mitarbei- tenden ermöglicht.

Räumliche Nähe von Vorteil

Die Sanierung ist eine strategische und kostensenkende Übung zugleich. Das Nutzungsverhalten der Medienkonsumentinnen und -konsumenten hat sich wegen der Digitalisierung in den letzten Jahren markant verändert und verschiebt die Erwartungen sowohl an lineares Liveradio als auch an Audio-on-Demand-Angebote für den zeitversetzten und mobilen Konsum. Konkret heisst das: Inhaltliche Synergien zwischen den Vektoren (Radio, TV, Online), aber auch zwischen den einzelnen Kanälen, nehmen zu. Dies bedeutet eine grosse Umstellung bei der Herstellung der Inhalte, die Arbeitsprozesse müssen neu aufgestellt werden.

Mit den Arbeitsprozessen beschäftigt sich auch der Nutzervertreter im Projekt und langjährige Leiter des Bereichs Radio, Ro­bert Ruckstuhl. «Mit Blick auf die Zukunft, in der man enger zusammenarbeiten will und muss, um Synergien nutzen zu können, ist es von Vorteil, wenn man sich räumlich näher ist», sagt er und meint damit nicht nur die Nähe zu den TV­- und Online-Kolleginnen und ­Kollegen am Leutschenbach, sondern auch zu den eigenen Radiokolle­ginnen und ­-kollegen. «Es werden immer mehr Leute für verschiedene Programme arbeiten, also zum Beispiel ein digitales Produkt herstellen, das auf mehreren Sen­dern läuft», erklärt er. Dafür müsse eine grössere Durchlässigkeit zwischen den Pro­grammen auch räumlich gewährleistet sein. Dies sei im Radiostudio Brunnenhof mit seinen vielen Stockwerken und kleineren Räumen nicht der Fall. Ein weiterer Grund für den Umzug ist laut Ruckstuhl der gene­relle Abbau von Bürofläche als Bestandteil der SRG­-Strategie, Kosten zu senken. Die gut 14800 Quadratmeter am Brunnenhof werden in der Radio Hall auf etwa einen Drittel der Nutzfläche (4400 m2) reduziert. Dies kommt auch dem zunehmenden Trend hin zu unpersönlichen und örtlich flexiblen Arbeitsplätzen entgegen. Der grosse Spar­effekt resultiert, indem die notwendigen In­frastrukturflächen am Campus Leutschen­bach effizienter genutzt werden können, weil sie nicht an beiden Standorten vorge­halten werden müssen.

Aus Kostengründen: Um- statt Neubau

Für die konkrete Umsetzung der Sanie­rung der Radio Hall ist die Abteilung SRF Immobilien zuständig, mit Peter Krähen­bühl als Leiter Projekte Immobilien und seinem Team. Ursprünglich sei ein Neubau am Leutschenbach für die Verlagerung des Radiobetriebs und der Audioproduktion geplant gewesen, in dem alle zukünftigen Bedürfnisse für die neuen Arbeitsprozesse von Grund auf baulich berücksichtigt hät­ten werden können, erklärt er. Vor allem aus Spargründen nach den Debatten um No­-Billag wendete sich die Projektleitung aber von diesem Plan ab und dem Poten­zial der bestehenden Gebäude auf dem Areal zu. Eine Idee, die der Nachhaltig­keitsstrategie der SRG entspräche, so Krä­henbühl: «Wir sind gegenüber den Gebüh­renzahlerinnen und ­-zahlern, die unsere Immobilien finanzieren, verpflichtet, ver­antwortungsvoll und nachhaltig mit den Immobilien umzugehen und sie in die Zu­kunft zu führen.» Der Garagentrakt sei nach über 50 Jahren stark sanierungsbe­dürftig, auch seine Funktion sei nicht marktfähig, erklärt Krähenbühl. Mit dem Umbauprojekt werde das Gebäude mehr­fach an Wert zulegen. Für die Neunutzung als Radiostudio wurden die bisherigen Funktionen in andere Gebäude auf dem Areal umgelagert oder extern platziert. So ist zum Beispiel in der ehemaligen Dekor­lagerhalle das neue Zuhause der Reportagewagen entstanden, das Dekorlager be­findet sich heute in Pfungen in einer gemieteten Lagerhalle.

Dass es sich bei der Radio Hall um eine Sanierung und keinen Neubau handelt, wird wahrnehmbar sein, sagt Krähenbühl. Im Gebäudeinneren wird zwar mit der of­fenen Bürolandschaft, den Atrien und den lichtdurchlässigen Dachelementen modern und luftig gebaut. Die Architekten Diener & Diener haben aber bewusst die Aussen­fassade im Look der funktionalistischen Betonelementenstruktur der 1960er-­Jahre sowie die sieben Meter hohen Glastore der Garage beibehalten, um die Geschichte des Areals zu reflektieren.

Es kommt nun auch physisch auf dem Campus Leutschenbach «alles zusammen, was zusammengehört», wie es schon 2011 bei der Zusammenlegung der Unterneh­men SF und DRS hiess. Zu den künftigen Begegnungen der Mitarbeitenden aus Ra­dio, TV und Online meint Krähenbühl: «Es wird wohl eine Weile dauern, bis sich das wirklich durchmischt und ineinander­ fügt.» Er ist aber zuversichtlich, dass es so kommt. Zum Umzug meint Ruckstuhl, der mit seinen Mitarbeitenden seine «Heimat» verlassen muss: «Der Brunnenhof hat eine ganz eigene Atmosphäre. Ich freue mich aber sehr aufs Neue; dass man die Gele­genheit hat, so nah zusammenzuarbeiten, ist toll. Es ist ein Aufbruch in eine neue Zeit – aber natürlich ist immer auch ein we­nig Wehmut dabei.»

Brunnenhof – was jetzt?

Im Zusammenhang mit der Radio Hall steht auch bei der SRG Zürich Schaffhausen eine entscheidende Weichenstellung an. Das Grundstück Areal Radiostudio Brunnenhof in Zürich Unterstrass gehört seit langer Zeit der SRG Zürich Schaffhausen, einer traditionsreichen Genossenschaft, die in juristischen Dokumenten auch unter der Kurzbezeichnung RFZ (Radio- und Fernsehgenossenschaft Zürich Schaffhausen) auftritt. Die Baurechtszinsen, die ihr das Medienhaus SRG als Baurechtsnehmer und Eigentümer der Gebäude entrichtet, sind ihre wichtigste Einnahmequelle. Mit dem für 2022 geplanten Umzug der Redaktionen in die Radio Hall wird die SRG für die Brunnenhofgebäude definitiv keine Verwendung mehr haben. Deshalb hat die SRG die RFZ um die vorzeitige Aufhebung des Baurechts ersucht.

Als neue Nutzerin will die Stadt Zürich das Areal im Baurecht übernehmen und zu einem Sekundarschulhaus mit Zentrum für Musikunterricht umgestalten. Der Vorstand der RFZ erachtet die Stadt Zürich als eine finanziell sehr solide Baurechtsnehmerin, die auf dem Brunnenhof-Areal wieder einen Service public erbringen und die Bausubstanz umsichtig pflegen wird. Die Aufhebungsvereinbarung zum Baurecht der SRG sowie der neue Baurechtsvertrag mit der Stadt Zürich wurden am 22. Dezember 2020 auf dem Notariat Zürich Unterstrass beurkundet. Damit diese Vertragswerke in Kraft treten können, ist unter anderem die Zustimmung der RFZ-Mitglieder erforderlich. Die RFZ führt deshalb im März/April 2021 eine Urabstimmung durch. Bei Redaktionsschluss des LINK waren die Resultate noch nicht bekannt.

Zur gleichen Zeit wie die Radioredaktionen soll auch die Geschäftsstelle der SRG Zürich Schaffhausen beziehungsweise RFZ ins Leutschenbach-Areal umziehen.

Anmerkung: Inzwischen hat die Radio- und Fernsehgenossenschaft Zürich Schaffhausen (RFZ), die Teil der SRG-Trägerschaft ist, die Umnutzung des Areals Radiostudio Brunnenhof in einer Urabstimmung mit klarer Mehrheit gutgeheissen. Hier erfahren Sie mehr.

Text: Pernille Budtz

Bild: Architekten Diener&Diener

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