Förderpaket mit Nebenwirkungen

Beim Dossier Medienförderung spricht sich der Nationalrat für alle vom Bundesrat vorgelegten Fördermassnahmen aus und zeigt sich darüber hinaus spendabel. Dass er unter dem Titel «Förderung» gleichzeitig die SRG einschränken will, erstaunt.

Das «Massnahmenpaket zugunsten der Medien» des Bundesrats will jene Medien wirtschaftlich unterstützen, die keine Gebührengelder erhalten. Das sind Zeitungen und neu auch Onlineportale. Dafür legte Bundesrätin Simonetta Som­maruga eine Reihe von Massnahmen vor, welche insgesamt jährlich knapp 150 Millionen Franken schwer sind.

Publizistische Einschränkungen

Mit diesen Mitteln will die Politik Vielfalt, Qualität und regionale Breite des Medienangebots sichern. Das rechtfertige auch den Ein­griff in den Markt. Die ganze Vorlage zur Medienförderung hat nichts mit der SRG zu tun. Jetzt aber plötzlich doch. Einige Politikerinnen und Politiker nutzten die Gelegenheit, ins Förderpaket Einschränkungen der SRG zu schmuggeln. Und bisher haben sie damit Erfolg. Bei den Fördermassnahmen geht es um die wirtschaftliche Situation der Medien. Die vorgesehenen Einschränkungen bei der SRG betreffen aber nicht die wirtschaftlichen, sondern die publizistischen Aktivitäten. Künftig solle die SRG über Online kaum mehr Informationen anbieten dürfen, die nicht bereits via Fernsehen oder Radio verbreitet worden sind. Diese Beschränkung der SRG verbes­sere die Marktsituation der privaten Medienanbieter, argumentierte Christian Wasserfallen (FDP) im Nationalrat.

Doppelter Widerspruch

Mit diesem Beschluss widerspricht die Mehrheit des Nationalrats den Zielen der Medienförderung gleich doppelt: Die Vielfalt des Angebots wird nicht grösser, sondern kleiner, wenn die SRG in ihren publizistischen Möglichkeiten zusätzlich eingeschränkt wird. Und: Ausgerechnet das elektronische Medienhaus SRG soll dort eingeschränkt werden, wo neu gefördert wird: Im Bereich Online, welcher im Medienartikel der Bundesverfassung neu unter «elektronische Medien» erfasst wird.

Online ist ein Muss

Eine publizistische Beschränkung der SRG im Onlinebereich ist keine Nebensache, sondern hat strategische Auswirkungen. Denn «Online» ist die Zukunftstechnologie für alle Medien. Die Digitalisierung, die mediale Konvergenz zwingt alle Medienanbieter zur digitalen Transformation, zum Umbau ihrer Angebote auf neue Übertragungskanäle. Kein Medienanbieter kann es sich heute leisten, die neuen Onlinekanäle nicht zu nutzen. Und das nicht nur als Vertriebskanal, sondern auch mit neuen Angebotsformen. So können die Verlagshäuser heute nicht mehr einzig die gedruckte Zeitung vertreiben, sondern müssen ihr Publikum mit Text, Ton und Bild auch online bedienen. Und das elektronische Medienhaus SRG muss spezifische, onlinegerechte Formate entwickeln. Dabei werden Informationen und Geschichten anders erzählt als im Radio und Fernsehen – in einem Mix aus Video, Ton und Text.

«Verlust für die Leserschaft»

Der Entscheid des Nationalrats schränkt den publizistischen Wettbewerb ein und verkleinert das Angebot fürs Publikum. Bundesrätin Sommaruga beschrieb es im Rat so: «Das ist ein Verlust für die Leserschaft, das ist ein Verlust für die Bevölkerung, ohne dass es ein Gewinn für jemand anderes wäre – das bringt nichts.» Zudem droht der SRG ein Verlust des Publikums. Denn dieses ändert seine Konsumgewohnheiten zunehmend. Gerade das jüngere Publikum nutzt die traditionellen Radio-­ und TV­-Kanäle immer weniger. «Die Mediennutzung verschiebt sich zunehmend in den Onlinebereich», stellt die Medienministerin fest.

Nationalrat Gregor Rutz (SVP) kritisierte, dass die SRG «vollumfängliche Onlineportale betreibt». Diese Aussage blendet aus, dass die SRG auch bisher schon im Onlinebereich eingeschränkt war. Um zu verhindern, dass sie mit langen Textbeiträgen die Zeitungen konkurrenziere, enthielt die SRG­-Konzession Auflagen: bei Nachrichten, Sport sowie Regionalem/Lokalem keine Textbeiträge über 1000 Zeichen, wenn diese keinen Bezug zu einer Radio­ oder TV-­Sendung haben.

Die neue Regelung würde die Einschränkung der SRG im Onlinebereich aber massiv verstärken. Die Bestimmung wäre neu wie folgt definiert: «Bei Online-Inhalten sind Textbeiträge nur zulässig, sofern ein zeitlich und thematisch direkter Sendungsbezug besteht. [...] Die Textbeiträge sind in der Länge zu beschränken.» Das heisst: Neu sind gar keine Textbeiträge erlaubt, die keinen Sendungsbezug haben. Und alle Texte sind in der Länge limitiert – über Nachrichten, Sport und Regionales/Lokales hinaus.

Entsprechend würden im Unterschied zur heutigen Praxis etwa folgende bisherige Angebote entfallen:

  • Alle Texte aus dem Bereich Kultur oder Wissenschaft. Die SRG argumentiert: Mit der aktuellen Regelung war das explizit nicht ausgeschlossen, weil in diesen Bereichen ja kaum Angebote der Zeitungen konkurrenziert werden.
  • Kurze Texte im Bereich Breaking News, ebenso Liveticker und Sportresultate, bevor sie irgendwo gesendet worden sind. Und ebenso würde die SRF News App verunmöglicht.
  • Längere Interviews, Vertiefungen im Bereich Wissenschaft und Gesellschaft, Bildungsangebote (z. B. SRF mySchool).
  • Vertiefte Beiträge zu einem spezifischen Thema im Bereich Kultur/Gesellschaft. SRF Kultur kommentiert: «Das ist das Online­ Angebot von SRF Kultur mit der grössten Resonanz. Diese Beiträge enthalten gemäss geltender Regelung sowohl längere Texte als auch Audio­/Videoinhalte (mit und ohne Sendungsbezug). Sie umfassen regelmässig über 3000 Zeichen.»

Ist den SRG­-Gegnern in Bern ein Coup gelungen? Zumindest im Nationalrat haben sie eine Mehrheit gefunden. Nationalrat Jon Pult (SP) kritisierte: Der Antrag sei «sachfremd», ohne Bezug zur Förderung von privaten Medien und als «Schuss aus der Hüfte» eingebracht worden. Die Konsequenzen eines solches Beschlusses seien gar nicht durchdacht. Aber definitiv entschieden ist noch nicht. Erst muss noch der Ständerat diesen neuen Punkt im Medienförderpaket behandeln.

Massnahmenpaket zugunsten der Medien

Nach einiger Skepsis bei der ersten Debatte folgt der Nationalrat jetzt im Wesentlichen den Vorschlägen des Bundesrats. Damit werden in der Medienförderung neue Wege eingeschlagen.

Bei der grössten Fördermassnahme setzt das Parlament weiterhin auf gedruckte Zeitungen. Die Zeitungszustellung und damit die Verlagshäuser werden darüber hinaus viel stärker unterstützt als bisher. Der Bundesrat wollte diese Förderung von 30 auf neu 50 Millionen erhöhen. Das Parlament hat jetzt eine Aufstockung auf 90 Millionen pro Jahr beschlossen – also ein Plus von 60 Millionen. Dieser enorme Ausbau, kommentierte Bundesrätin Sommaruga, komme «vor allem den grossen Verlagen zugute».

Neu soll der Bund – die zweite Massnahme – auch Onlinemedien unterstützen können. Dafür werden aus Bundesgeldern jährlich 30 Millionen zur Verfügung gestellt. Mit diesem Entscheid wird die bisherige Förderung über die klassischen Medien Radio, TV und Zeitung ausgeweitet.
Ebenso neu kann der Bund künftig im Medienbereich – der dritte Förderbereich – auch Infrastrukturen unterstützen: etwa Nachrichtenagenturen, den Presserat, die Ausbildung oder Investitionen in die digitale Transformation. Dafür können zwei Prozent der Gebührengelder eingesetzt werden, was pro Jahr etwa 28 Millionen Franken entspricht.

Das Massnahmenpaket entspricht einem Kurswechsel in der Medienpolitik: Die Politik stellt fest, dass die alten Geschäftsmodelle der Medienunternehmen nicht mehr funktionieren und die Werbeerlöse eingebrochen sind. Die Folgen sind Defizite bei Vielfalt, Qualität und regionaler Breite des Medienangebots. Die Politik hat erkannt, dass der Markt alleine die für eine Demokratie notwendigen Informationsleistungen nicht mehr garantieren kann. Jetzt greift der Staat stärker in den Medienmarkt ein, er verzerrt ihn quasi zugunsten der Medienversorgung. Zudem hat die Politik die Förderung auf neue Felder ausgeweitet – entsprechend der technologischen Entwicklung auch auf den Onlinebereich. Das Geschäft geht nochmals an den Ständerat.

Text: LINK/Philipp Cueni

Bild: Medianovis/Afshin Etesamifar (Illustration)

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