Carte Blanche: Wissen, was «drüben» läuft

In der Rubrik «Carte blanche» haben Autorinnen und Autoren die Möglichkeit über ein Thema zu schreiben, welches ihnen persönlich am Herzen liegt. Dieses Mal: Marc Kipfer, Vorstandsmitglied der SRG Freiburg und Mitglied des Publikumsrats der SRG Deutschschweiz, über die SRG als Reiseleiterin über Sprachgrenzen hinweg.

Aus meinem Küchenfenster kann ich in die nahe Suisse romande blicken. In eine Region, von der ich wenig weiss. Kein Deutschschweizer Medium erklärt sie mir ausreichend. Klar, gelegentlich hört man etwas über Pierre Maudet. Oder man liest, dass der FC Sion unentschieden gespielt hat. Doch was passiert in der Westschweiz sonst? Ich bin überzeugt: Viele in der Deutschschweiz möchten mehr darüber wissen, was «drüben» läuft – kulturell, gesellschaftlich, politisch. Was bewegt die zwei Millionen Romands? Worüber streiten sie? Oder auch nur: Welche Musik hören sie? Wahrscheinlich nicht nur Stress und Bastian Baker.

Die SRG kann eine Reiseleiterin sein. SRF-Sendungen können ihr Publikum von Maienfeld nach Martigny beamen, von Glarus Süd in den Nord vaudois. Das müssen sie sogar. Im Gesetz steht, die SRG habe das gegenseitige «Verständnis, den Zusammenhalt und den Austausch unter den Landesteilen» zu fördern. Doch gelingt ihr dies?

Auf der positiven Seite lässt sich einiges aufzählen. Die SRG hat mit Play Suisse eine Streaming-Plattform geschaffen, die Sprachgrenzen souverän überwindet. Das Publikum hat nun Zugang zu tausenden Sendungen – untertitelt oder synchronisiert. An einem einzigen TV-Abend kann man auf Deutsch die Prozesse am Lausanner Arbeitsgericht verfolgen («Prud’hommes»), in die Westschweizer Natur eintauchen («Animalis») und Lara Gut als Schauspielerin kennenlernen («Tutti giù»). Auch Radio SRF 4 News hat mit «Die Woche im Tessin und in der Romandie» ein tolles Format: SRF-Korrespondentinnen und weitere Medienschaffende erzählen, was in ihrer jeweiligen Sprachregion gerade aktuell ist.

Mehr solche Angebote wären wichtig. RTS sendet in «Couleurs locales» kurze Beiträge, die auch ein Deutschschweizer Publikum interessieren könnten. Wieso nicht jeden Tag einen solchen Beitrag in «Schweiz aktuell» synchronisiert oder untertitelt ausstrahlen? Der Kampf der Unterwalliser gegen wilde Abfalldeponien; die Goldschakale in der Region Leysin; die Waadtländerin, die ihr Strohballenhaus vorführt; die frankophone Sängerin, die von der Bieler Kulturszene schwärmt ...Weshalb es solche Einblicke eher selten bis zu uns schaffen? Von meinem Küchenfenster aus erkenne ich keinen Grund dafür. Ich sehe die Suisse romande, aber eine Grenze sehe ich nicht.

Text: Marc Kipfer

Bild: zVg

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