Das sagt SRF: Stellungnahme zu den Vorwürfen der «False Balance»
Im Anschluss an die «Arena», in der am runden Tisch über Corona debattiert wurde, wird in den sozialen Medien der Vorwurf der «False Balance» laut. Tristan Brenn, Chefredaktor CR Video, nimmt Stellung dazu.
«Nicht Tatsachen, sondern Meinungen über Tatsachen bestimmen das Zusammenleben». Der Satz des griechischen Philosophen Epiktet ist fast 2000 Jahre alt, doch passt er gut in die derzeit heftig geführte Debatte um Corona und «False Balance». «False Balance» ist der Vorwurf an die Medien, sie würden wissenschaftlichen Konsens und wenige davon abweichende Meinungen ausgewogen darstellen, was zwangsläufig zu einer falschen Wahrnehmung des Sachverhalts führt. Auch SRF wird «False Balance» vorgeworfen, so auch wieder der «Arena», die mit einem runden Tisch den Versuch machte, die unterschiedlichen Standpunkte im Umgang mit dem Coronavirus abzubilden. «Meinungen über Tatsachen bestimmen das Zusammenleben», schrieb der Philosoph. Das ist, ob einem das behagt oder nicht, ein bedenkenswerter Satz. Es ist ein Satz, der so wichtig ist und gleichzeitig von höchster Banalität – gerade in der Schweiz mit ihrer direkten Demokratie.
Der Satz meint nicht, dass Meinungen wichtiger sind als Fakten, das wäre fatal. Es gibt Fakten zu Corona, die sind unverrückbar. Es ging auch in dieser «Arena» nie darum, den wissenschaftlichen Konsens in Frage zu stellen. Zum Beispiel, dass die Impfung gegen SARS-CoV-2 höchst wirksam ist. Dieser Standpunkt wurde in der Sendung auch von Zertifikatskritikern wie zum Beispiel Markus Somm vertreten – und dies mit Verve. Kritik am Zertifikat ist aber keine abweichende Meinung zum wissenschaftlichen Konsens, sondern gehört zur demokratiepolitischen Debatte. Und doch gehen die Wogen in den sozialen Medien hoch, wenn eine massnahmenkritische und ja, auch impfskeptische Bürgerin wie Regina Göldi am gleichen Tisch mit Fachleuten sitzt. Sie wird zur «Schwurblerin» gestempelt und die Sendung zur «False-Balance-Show». «False Balance» wird so zu einem Kampfbegriff, der jede Debatte im Keim erstickt. Ob das den Tatsachen und Fakten zum Durchbruch verhilft, ist zu bezweifeln. Selbst besonnene, den Fakten verpflichtete Fachleute wie der Infektiologe Manuel Battegay – auch er war Teilnehmer der «Arena» – zweifeln daran. Er würde sich nicht an einen runden Tisch setzen, wenn er nicht von der Wichtigkeit dieses Dialogs überzeugt wäre.
Meinungen über Tatsachen bestimmen das Zusammenleben. Die Tatsache, dass Impfen gegen das Virus wirkt, verhindert offensichtlich nicht, dass Hunderttausende von Menschen in diesem Land sich nicht impfen lassen wollen. Diese Kluft, dieses Paradox, bestimmt in hohem Masse unser Zusammenleben. Damit müssen wir uns auseinandersetzen, gerade wenn wir das ändern wollen. Die Kluft verschwindet nicht, wenn wir Vertreterinnen und Vertreter von abweichenden Meinungen aus diesem Diskurs ausschliessen. Wir müssen alle aus unseren Bubbles raus und gemeinsam unser Zusammenleben definieren. Den Fakten schadet das nicht, im Gegenteil. Sie erscheinen um so klarer und fester, je unbedarfter sie in Frage gestellt werden.
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