Interview mit Philosoph über Covid-Zertifikat war sachgerecht

Anlässlich der Ausweitung der Zertifikatspflicht in der Schweiz führte «Echo der Zeit» am 28. August 2021 ein Interview mit dem Philosophieprofessor Michael Esfeld. Ein Beanstander findet, Herr Esfeld sei von SRF zu kritisch befragt worden. Zudem sei es nicht angebracht, einem Philosophen Fragen zur praktischen Umsetzung abstrakter Konzepte zu stellen. Die Ombudsleute sehen keine Verletzung der rechtlichen Bestimmungen.

Der in Lausanne lehrende Philosophieprofessor Michael Esfeld warnt davor, die Gesundheit höher zu gewichten als die Menschenwürde. Er sieht durch das Covid-Zertifikat die offene Gesellschaft bedroht. Die Risikoabwägung müsse beim Einzelnen bleiben und Einschränkungen müssten alle selber bestimmen können.

Befragung war zulässig

Man war sich bewusst, dass ein Interview mit Esfeld zu teils heftigen Reaktionen führen werde, schreibt die Redaktion des «Echo der Zeit» in ihrer schriftlichen Stellungnahme. Der deutsche Philosoph vertrete Positionen, die umstritten seien und nur von einer Minderheit geteilt würden. SRF hat denn auch viele kritische Zuschriften von Radiohörerinnen und -hörern erhalten. Die Mehrheit von ihnen fand die Sichtweise von Esfeld zynisch. Sie hätte sich eine schärfere Befragung seitens SRF gewünscht.

Umgekehrt sieht es der Beanstander. Er findet, der Ton der Interviewerin glich mehr einem Verhör als einem Interview. Zudem habe sie dem Philosophen menschenverachtende Behauptungen in den Mund gelegt.

Die Fragen, die Michael Esfeld stellt und auf seine Weise beantwortet, findet die Redaktion des «Echo der Zeit» legitim. Deshalb hat sie sich für das Gespräch mit dem Philosophen entschieden. Dabei gehe es um Fragen wie das Abwägen zwischen Risiko und Menschenwürde, die Bewertung bzw. Überbewertung von Corona-Risiken oder das Ausdifferenzieren von Schutzmassnahmen. Nichts, was der Experte sage, sprenge den Rahmen des Sagbaren in einem liberalen Rechtsstaat.

Allerdings müsse jemand, der Thesen vertrete, die im Widerspruch zu denen anderer renommierter Experten stünden, kritisch befragt werden, so die Redaktion. SRF pflege zwar eine kritische, jedoch keine aggressive Haltung. Unterbrechen müsse man einen Interviewpartner etwa, wenn er eine Frage nicht beantworte, ausweiche oder etwas Umstrittenes oder Falsches äussere - häufig aber auch aus Gründen des Zeitdrucks. Die Moderatorin habe Esfeld zwar zwei-, dreimal unterbrochen, trotzdem habe dieser insgesamt seine Sicht der Dinge darlegen und erläutern können.

Theorie und Praxis

Die Ombudsleute sehen ebenfalls keinen Regelverstoss im durchgeführten Interview. Die Journalistin lege dem Philosophen nicht einfach Behauptungen in den Mund. Vielmehr drücke sie Aussagen von Esfeld mit ihren eigenen Worten aus. In einem Interview könne dies vom Gegenüber jederzeit korrigiert und richtiggestellt werden. Esfeld habe sich im beanstandeten Interview nicht irritiert gezeigt oder die Moderatorin korrigiert.

Ob es angebracht ist, einem Philosophen, der abstrakte Konzepte von Freiheit und Verantwortung erklärt, keine Frage nach der praktischen Umsetzung zu stellen, darüber lässt sich tatsächlich streiten. Deswegen aber einen Verstoss gegen das Sachgerechtigkeitsverbot zu erkennen, würde in den Augen der Ombudsleute jedoch zu weit gehen.

Text: SRG.D/dl

Bild: SRG.D/Illustration Cleverclip

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