«Den Publikumsrat braucht es mehr denn je»
Seit Beginn des Jahres amtet Theologe Martin Peier als Präsident des Publikumsrats. Er ist überzeugt: Ein kritisches Feedbackgremium und gleichzeitig wohlwollender Gesprächspartner ist für SRF heute wichtiger denn je.
Nach der kontinuierlichen Etablierung des Begriffs Fake News hat die kritische Haltung gegenüber den Medien während der Covid-19-Pandemie ihren Höhepunkt erreicht. Auch –vielleicht sogar besonders – das öffentlich-rechtliche Fernsehen stand im Kreuzfeuer der Kritik. Immer wieder wurde und wird die Rolle von SRF und dessen Distanz zu bundesrätlichen Verlautbarungen hinterfragt. Auch der Publikumsrat, ein unabhängiges Gremium, dessen Aufgabe darin besteht, SRF kritische und konstruktive Anregungen aus Publikumssicht zu geben, hat sich in den vergangenen anderthalb Jahren vermehrt mit der fundamentalen Frage des Service public auseinandergesetzt.
«Eine Öffentlichkeit im Singular gibt es nicht mehr. Das macht es für eine Institution wie SRF umso anspruchsvoller, diesen Service public trotzdem wahrzunehmen und allparteilich zu sein, ohne beliebig zu werden», bilanziert Martin Peier. Der Theologe und Unternehmensberater ist seit dem 1. Januar Präsident des Publikumsrats und löste damit Susanne Hasler ab. Schon 2013 wurde der heute 60-Jährige als Delegierter der reformierten Kirche in den Publikumsrat gewählt und bringt folglich viel Erfahrung mit. Die vergangenen anderthalb Jahre waren aber auch für ihn alles andere als Courant normal: «Mit der Pandemie kam die Frage, wie die Gesellschaft und somit auch SRF mit dieser Situation umgeht. Etabliert sich SRF als Leitmedium? Hat es genügend kritische Distanz zum Bundesrat? Welche Rolle nimmt es ein?»
Der Publikumsrat hat SRF dabei unterstützt, genau diese zu finden. Etwa als die Sendung «SRF bi de Lüt» live aus Andermatt ohne Publikum ausgestrahlt wurde, die Moderatoren sich aber gleich wie sonst verhielten. «Plötzlich gabs Applaus, obschon gar kein Publikum vor Ort war. Das haben wir kritisiert und geraten, dass sich die Kommunikation stärker den neuen Gegebenheiten anpassen sollte», sagt Peier.
Doch Corona ist nicht das einzige Thema, das den Publikumsrat in diesen Monaten beschäftigt. Das Gremium und die Verantwortlichen von SRF besprechen jeweils zu Jahresbeginn, welche grossen Sendungen und Sendereihen für das kommende Jahr geplant sind. Der leitende Ausschuss des Publikumsrats entscheidet dann, welche Sendungen sie beobachten werden und verteilt diese auf die zuständigen Arbeitsgruppen.
Ein wichtiges Thema im 2021: die Fussball-Europameisterschaft der Männer. Auch hier hatte der Publikumsrat Dinge zu bemängeln. Etwa die Reaktion der Moderatoren auf den Kollaps und die anschliessenden Wiederbelebungsmassnahmen eines dänischen Nationalspielers mitten auf dem Spielfeld. «Wir haben eine Überforderung der Moderatoren festgestellt und deshalb zu einer Schulung in Krisenkommunikation geraten», verrät Peier.
«Wir sind kein Fanclub. Eine destruktive Haltung bringt uns jedoch auch nicht weiter.»
Martin Peier, Präsident Publikumsrat SRG Deutschschweiz
Wichtig ist Peier und seinen Rats-Kolleginnen und -Kollegen wohlwollend, aber kritisch zu sein: «Wir sind kein Fanclub. Eine destruktive Haltung bringt uns jedoch auch nicht weiter.» Der Rat versteht sich deshalb als unabhängigen Gesprächspartner, der SRF basierend auf den Einschätzungen der 26 Ratsmitglieder ein qualitatives Feedback gibt. «Das ist natürlich nicht repräsentativ, aber wir bilden in der Tat einen Teil des Publikums und somit der Kundschaft ab», erklärt Peier. Umso wichtiger ist es ihm in seiner Zeit als Präsident, die Diversität des Gremiums noch stärker zu fördern. Bereits heute stammen die Vertreterinnen und Vertreter aus verschiedensten Bereichen wie der Bildung, Wirtschaft oder Gewerkschaft. Knapp ein Viertel des Rats besteht zudem aus Menschen mit Migrationshintergrund. Trotzdem sieht Peier noch Verbesserungspotenzial.
Neben der Diversität beschäftigen den Publikumsrat auch die technologischen Veränderungen und mit ihnen die zahlreichen neuen Distributionskanäle. «Es reicht nicht mehr, nur Sendungen im linearen Fernsehen zu beurteilen. Wir möchten uns vermehrt auch Gefässen widmen, die ausschliesslich auf Social-Media-Plattformen ausgespielt werden», so Peiers Vision.
Der Publikumsratspräsident ist überzeugt, dass es das Gremium heute mehr denn je braucht: «Mit dem Publikumsrat hat die SRG ein Feedbackinstrument installiert, das ihm dabei hilft, die Zuschauerin, den Hörer, die Userinnen noch besser zu verstehen.» Genau das ist auch Martin Peiers Motivation für sein Engagement im Publikumsrat. «Medien spielen eine wichtige Rolle in der Frage, was uns als Gesellschaft verbindet. SRF ist Teil dieser Identitätsbildung. Es freut mich, dass ich einen kleinen Teil zu diesem grossen Auftrag beitragen kann.»
Hier gelangen Sie zu den Beobachtungen des Publikumsrats.
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