Carte Blanche: Kommentare statt Fakten?

In der Rubrik «Carte blanche» haben Autorinnen und Autoren die Möglichkeit über ein Thema zu schreiben, welches ihnen persönlich am Herzen liegt. Dieses Mal: Miriam Abt, Vorstandsmitglied der SRG Zentralschweiz.

Wie oft habe ich mich schon über irreführende oder respektlose Kommentare unter News-Beiträgen auf Instagram aufgeregt und begonnen, eine möglichst konstruktive Antwort darauf zu verfassen. Nur, um die wenigen bereits eingetippten Worte wieder zu löschen und die App schnell zu schliessen – ein zielführendes Gespräch würde ja kaum daraus entstehen. Obwohl ich mir bewusst bin, dass sie mir meistens weder gut tut noch sonderlich gehaltvolle Infos liefert, zieht es mich immer wieder in die Kommentarspalte.

Social-Media-Plattformen werden auch als Newsvermittler immer relevanter, nicht nur bei jungen Menschen. Damit verbunden: die Diskussionen in den Kommentaren. Die Mitmachschwelle ist niedrig, das Meinungsspektrum breit. Grundsätzlich eine tolle Möglichkeit, um Dialog zu führen und einen Schritt aus der «Bubble» zu wagen – nur leider auch sehr beliebt als Bühne für Fake News und Schauplatz der Streitkultur.

Es braucht nicht einmal zwingend ein Reizthema (obwohl das natürlich förderlich wirkt), um es Verschwörungstheorien regnen zu lassen. Werden sie gelöscht, fühlen sich die Kommentierenden nicht angehört oder gar zensiert, wenn nicht, wird ihnen eine gefährlich grosse Plattform gegeben; in jedem Fall eine heikle Entscheidung. Meiner Meinung nach müsste in das Community Management mehr Ressourcen gesteckt werden, denn ohne konsequente Moderation geraten die Diskussionen schnell ausser Kontrolle.

Nicht zuletzt führt unsere schwindende Aufmerksamkeitsspanne dazu, dass der eigentliche Artikel häufig nicht einmal gelesen wird. Wir überfliegen Bild und Überschrift, sind innerhalb von Sekunden wieder weg – oder dann eben in den Kommentaren. In anderen Worten: Die Kommentierenden wissen nicht, wovon sie sprechen, und die Lesenden schenken der Meinung fremder Menschen mehr Aufmerksamkeit als den Fakten. Da kann die Berichterstattung noch so ausgewogen sein.

Die neue Debattenkultur von SRF News scheint mir durchaus gelungen; es ist sinnvoll, den Meinungsaustausch zu fördern, dabei aber auf spezifische Themen zu fokussieren und Wert auf konstruktiven Umgang zu legen. Nun muss aber auch in den sozialen Medien nachgezogen werden. Und bis wir an diesem Punkt sind, versuche ich wohl weiterhin, die Online-Community zu meiden.

Text: Miriam Abt

Bild: zVg

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