Happy End für den Schweizer Film
Die Filmbranche freut sich über das Ja in der Volksabstimmung zum Filmgesetz vom 15. Mai. Der Entscheid hat eine wirtschaftliche, eine kulturelle und eine medienpolitische Dimension. Medienjournalist Philipp Cueni ordnet ein.
Das in der Volksabstimmung klar angenommene Filmgesetz regelt für Anbieter eine Verpflichtung zur Investition von 4 Prozent der Schweizer Bruttoeinnahmen in die Schweizer Filmproduktion. Das betrifft vor allem ausländische Plattformen wie Netflix, Amazon und Disney+, die über Filmverkäufe in der Schweiz pro Jahr insgesamt etwa 160 Millionen Franken steuerfrei ins Ausland abziehen; als inländische Plattform betrifft es auch blue TV (Swisscom). Erfasst sind mit ihren Filmangeboten auch ausländische TV-Fenster (wie RTL) und als einziger Fernsehsender in der Schweiz 3+. Man rechnet dadurch mit neuen Investitionen in den Schweizer Film von etwa 18 Millionen Franken. Zudem definiert das Filmgesetz für die Filmangebote eine Quote von 30 Prozent an europäischen Werken. Im Hintergrund des Filmgesetzes geht es um mehrere grundsätzlichere, politische Überlegungen.
Aspekt 1
Finanzierung des Films. Über den kleinen, viersprachigen Markt allein ist der Film in der Schweiz nicht zu finanzieren. Ein Teil des Schweizer Films wird durch den Bund und die Kantone gefördert. Zusätzlich sollen jene, die über den Filmverkauf verdienen, auch in die Filmproduktion investieren. Bisher galt für einige Schweizer TV-Sender bereits eine – allerdings moderatere – Investitionspflicht. Und für die SRG bestimmt das Radio- und Fernsehgesetz, dass sie den Schweizer Film unterstützen muss: Im Rahmen des «Pacte de l’audiovisuel» verpflichtet sich die SRG gegenüber der unabhängigen Filmbranche, 32,5 Millionen Franken pro Jahr zu investieren. Dazu kommen weitere Beiträge für Serien und den «Tatort», insgesamt sind das rund 50 Millionen Franken pro Jahr.
Aspekt 2
Standortförderung für das Filmgewerbe. Um in der kleinen Schweiz eine eigene Audiovisionsbranche aufrechtzuerhalten, muss sie gegenüber den globalen, meist amerikanischen Giganten bestehen können. Mit wirtschaftlichen Fördermassnahmen schliesst sich die Schweiz einer Praxis vieler europäischer Länder an, die – zum Teil massiv höhere – Investitionspflichten kennen. Konkret bewirkt das ein höheres Produktionsvolumen, also mehr Aufträge, mehr Arbeit und damit das Erreichen einer kritischen Grösse.
Aspekt 3
Kreatives Europa. Mit der 30-Prozent-Quote im Filmgesetz soll der europäische Film beim Publikum eine bessere Sichtbarkeit erhalten. Damit übernimmt die Schweiz eine Norm aus den europäischen Richtlinien für audiovisuelle Mediendienste (AVMD). Die Anerkennung solcher Regelungen ist eine von mehreren Voraussetzungen, dass die Schweiz wieder ins Programm von «Creative Europe » aufgenommen würde, das Förderungen und regelt, um damit europäische Inhalte und Produktionen zu fördern. Die Schweiz steht in diesem wichtigen Netzwerk seit 2014 abseits – zum Nachteil der eigenen Akteure aus Kultur, Film und Audiovision.
Aspekt 4
Die Schweiz im internationalen Markt. Das neue Gesetz verhilft dem Schweizer Film zu einem besseren Zugang zu den grossen internationalen Produzenten wie Netflix und Co. Weil diese jetzt auch in der Schweiz investieren müssen, werden die hiesigen Produktionsfirmen als Partner interessanter, werden sie vermehrt auch in französische, italienische oder deutsche Grossproduktionen einbezogen. Und die Chance wird grösser, dass Schweizer Produktionen eingekauft und auch auf internationalen Plattformen angeboten werden.
Aspekt 5
Geschichten aus der Schweiz: Warum ist es wichtig, dass (Film-)Geschichten auch aus der Schweiz und auf dem Hintergrund der schweizerischen Gesellschaft erzählt werden? Dass also Figuren, Orte, Traditionen, Milieus der Schweiz – «unsere» Erfahrungswelt – in verschiedenste Filmstorys einfliessen? Weil Schweizer (respektive deutsche, französische) Schauspielerinnen und Schauspieler, Schauplätze, Themen, Geschichten zur Identität einer Gesellschaft oder eines Landes beitragen. In der Schweiz wird anders gewirtschaftet, gestritten, politisiert, gefestet, ausgehandelt und auch erzählt als in Miami oder Dallas. Und eine Geschichte wird in Los Angeles, Paris oder Bern anders erzählt. Andere Länder haben deshalb schon länger entsprechende Massnahmen ergriffen, um den jeweils nationalen oder zumindest europäischen Film zu stärken.
Es geht generell um die Frage, ob einzig jene medialen Leistungen produziert werden sollen, die über den (globalen) Markt finanzierbar sind. Oder ob es sich ein Land leisten will, auch mit dem Medium Film Geschichten zu erzählen, die für die Schweiz gesellschaftlich wichtig sind.
Auch am Beispiel Film zeigt sich, warum Service public bei Kultur und Medien wichtig ist.
Philipp Cueni hat sich als Präsident von Balimage für das Ja engagiert. Als freier Journalist schreibt er jeweils im Magazin LINK zu einem aktuellen Thema aus der Medienpolitik.
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