Plädoyer: Organisiertes Herzblut

Was für Bilder entstehen in Ihrem Kopf, wenn Sie an einen Verein denken? Genau, bei mir auch, und das ärgert mich. Der Begriff «Verein» hat ein Imageproblem – zu Unrecht. Denn er ist nicht nur Stammtischromantik, schweisstreibend oder politisch. Er erlaubt es auf ganz einfache Weise, Herzblut zu organisieren und diesem stillen Gut Strahlkraft und eine Stimme zu geben.

Die Vereinslandschaft in der Schweiz ist bunt wie eine Magerwiese im Frühling. Ob die Pfadi, die Economiesuisse, Greenpeace, der Frauenchor Höngg oder das Rote Kreuz. Sie alle gehören dazu. Egal, ob sie sich Bewegung, Verband, Club, Operation, Community, Gemeinschaft oder Gruppe nennen – überall steckt «Verein» drin. Und das aus gutem Grund, denn es gibt kaum etwas, das einer Gruppe von Gleichgesinnten so einfach, unkompliziert und transparent die Möglichkeit bietet, sich zu organisieren.

15 768 Personen und Organisationen sind in der SRG Deutschschweiz Mitglied. National sind es über 24 000.

Das Stereotyp in den Köpfen vieler zeichnet den klassischen Verein als minimal sortierten Haufen von weissen Herren in der zweiten Hälfte des besten Alters. Laienhafte Vereinsmeier, geprägt von den Inselinteressen einiger Sonderlinge. Das wird der Urform der schweizerischen Freizeitgestaltung jedoch nicht gerecht. Ein Verein ist vielmehr ein Schatz aus Talent, Kompetenzen, Netzwerken und Erfahrungen. Auf Basis der Schwarmintelligenz entsteht ein Talentpool, dem sich alle freiwillig in ihrer Freizeit angeschlossen haben, um sich einer Sache zu widmen, die sie gern tun oder die ihnen wichtig ist. Wenn es dem Verein gelingt, diese Komponenten optimal im Sinne der Sache einzusetzen und den Menschen in ihrer Motivation passende Werkzeuge in die Hand zu geben, dann hat dieser zusammengewürfelte Haufen enorme Möglichkeiten. Durch die Bewegungsfreiheit, die jeder Verein per se hat, kann schnell und unkompliziert auf Veränderungen reagiert werden. Optimale Beweglichkeit ist ebenfalls nicht etwas, das so per se mit Vereinen in Verbindung gebracht wird – dennoch ist es so.

250 Menschen im Minimum setzen sich regelmässig aktiv für die SRG Deutschschweiz ein.

Und dann ist da noch dieses Eine, ganz Besondere. Das Salz in der Suppe, das wertvollste Kapital eines jeden Vereins: das Herzblut der Menschen, die sich engagieren. Es lässt sich schwer quantifizieren. Um dem Ganzen eine Vergleichsgrösse zu geben, hier ein Versuch: Über 7000 Stunden setzen sich Mitglieder der SRG.D jährlich für den medialen Service public ein. Das sind insgesamt über 41 Wochen. Unermüdlich, weil sie davon überzeugt sind, dass der mediale Service public für unsere Demokratie wichtig ist, ebenso die Kulturförderung und zeitgemäss aufbereitete, verbindende, vielfältige Inhalte. Und genau das ist es, worum uns unsere Nachbarn bei ARD, ZDF oder ORF beneiden. Das einzigartige Schweizer Modell, in dem ein Verein mit seinem Medienhaus mit dem medialen Service public beauftragt ist. Politisch und wirtschaftlich unabhängig, nicht gewinnorientiert, von der Allgemeinheit finanziert, gespeist von Herzblut.

7000 Stunden setzen sich Mitglieder jährlich im Schnitt für den medialen Service public ein.

Dass das Modell «Verein» eine Zukunft hat, zeigt sich ebenfalls bei der SRG. Dank grossem gemeinsamen Effort gelingt es uns, zu wachsen und uns zu verjüngen. Zwar langsam, aber stetig. Auch wenn es für das Medienhaus oft schwierig ist, die jungen Digital Natives zu erreichen – es gelingt immer häufiger. Denn es ist ihnen wichtig, dass sich ihr Medienkonsum auf verlässliche Inhalte stützen kann. Auch wenn die Grossen wie Netflix, Disney und Co. zu ihrem Alltag gehören und ihr Handy mit täglich neuen Angeboten geflutet wird: Digital Natives lassen sich für unsere Sache begeistern. Und sie sind durchaus bereit, sich dafür einzusetzen. Wir haben es in der Hand, ihnen passende Anknüpfungspunkte zu bieten und Beweglichkeit nicht nur bezüglich unserer Strukturen, sondern auch in unseren Köpfen unter Beweis zu stellen. Zuhören, die Sache über die Eigeninteressen stellen und mit mutiger Leichtigkeit neue Wege einschlagen – all das können wir. Es ist an uns, das passende Schuhwerk anzuziehen, loszulaufen und unsere Geschichte so weiterzuerzählen, dass sie auch verstanden wird.

01 Unikat: die Organisation des medialen Service public in der Schweiz.

Text: Annina Keller, Leiterin Geschäftsstelle SRG Deutschschweiz

Bild: SRG Deutschschweiz/Maximilian Lederer

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