Stromknappheit und Netzabschaltungen, was würde das für SRF und die SRG bedeuten?
Die SRG muss in Krisensituationen die Bevölkerung informieren können. Und sie muss auf Eventualitäten wie zyklische Netzabschaltungen vorbereitet sein, sollte der Strom knapp werden. Was das fürs Programm bedeutet und warum die Bevölkerung immer Batterien auf Vorrat haben soll erklären Edi Estermann, Leiter Medienstelle SRG und Sprecher des Generaldirektors, und Daniel Knoll, Stabsleiter Direktion SRF.
Wie viel Energie braucht die SRG eigentlich und für was?
Edi Estermann (im Bild rechts): Der Gesamt-Stromverbrauch der SRG pro Jahr beträgt 36,7 GWh. Dies entspricht in etwa dem Verbrauch einer kleinen Stadt mit 8200 Haushalten mit je vier Personen. Die SRG ist aufgrund ihrer Infrastruktur und ihres Auftrages also ein Gross-Stromverbraucher. Vier unserer SRG-Standorte werden direkt mit Gas beheizt - Comano, Lugano, Chur und unser Hauptsitz in Bern. An allen anderen Standorten ist die SRG an ein Fernwärmenetz angeschlossen oder es kommen zum Teil noch Ölheizungen zum Einsatz.
Welche Massnahmen hat die SRG getroffen, um Energie zu sparen?
Edi Estermann: Die SRG ist seit Jahren bemüht, den Energie-Verbrauch sukzessive zu senken. Deshalb ist sie auch Mitglied der Initiative «Vorbild Energie und Klima» des Bundes zur fortlaufenden Steigerung der Energieeffizienz. Aufgrund des nun verschärften Risikos einer Strom- und Gasmangellage hat die SRG eine interne Taskforce beauftragt, die Versorgungssicherheit unternehmensweit zu prüfen. Ein nationaler Krisenstab Energie, in welchem alle Unternehmenseinheiten vertreten sind, bereitet die SRG auf diverse Szenarien vor. Per Ende September wurde auf dem Intranet ein per sofort gültiger Massnahmen-Katalog kommuniziert, mit dem weitere Energie gespart wird.
Die Technologie UKW braucht enorm viel Energie. Wäre es nicht eine gute Idee, die Parallelführung mit DAB+ sofort zu stoppen?
Edi Estermann: UKW ist ein Stromfresser, ja. Und zwar ein Grosser. Das DAB+-Netz benötigt massiv weniger Strom pro Jahr. Der Wechsel von UKW auf DAB+ ist in Abstimmung mit der Branche und entsprechend der aktuellen Regulierung per Ende 2024 vorgesehen.
Sollte der Bundesrat bzw. die Kantone zeitweise das Netz abschalten: Was passiert mit dem Programm, gibt es ein Notkonzept dafür?
Edi Estermann: Die SRG muss gemäss ihrem Auftrag und ihrer Konzession auch in einer Krisensituation in der Lage sein, die Bevölkerung zu informieren. Unsere Notfallpläne beinhalten deshalb diverse Szenarien von kurzfristigen, nur lokalen Unterbrüchen bis hin zu einem länger anhaltenden Blackout (worst case). Selbst in diesem, nur äusserst selten auftretenden Fall ist die SRG nach wie vor in der Lage, primär via Radio und speziell mit Notstrom ausgerüsteten Sendeanlagen, Informationen und behördliche Verhaltensanweisungen für die Bevölkerung zu verbreiten.
Daniel Knoll: Bei zyklischen Netzabschaltungen sitzt ja nicht das gesamte Publikum gleichzeitig ohne Strom vor einem schwarzen TV-Bildschirm. Deshalb müsste SRF rund um die Uhr senden können, was nur ginge, wenn wir von den Stromabschaltungen ausgenommen würden. Ob das möglich ist, klären SRF und die SRG derzeit in alle möglichen Richtungen ab.
In einem solchen Fall hätte es nicht fürs volle Programm Platz. Würde das eingeplante Programm verschoben oder gestrichen?
Edi Estermann: Die SRG ist laut ihrer Konzession (Art. 24) dazu verpflichtet, «die notwendigen organisatorischen und technischen Massnahmen vorzusehen, um die Pflicht zur Veranstaltung und Verbreitung von Radioprogrammen so weit als möglich auch in Krisensituationen erfüllen zu können». Im schlimmsten Falle eines längerfristigen Worst-Case-Szenarios, müsste also zumindest die Verbreitung je eines Radiosenders auf Deutsch, Französisch und Italienisch gewährleistet bleiben.
Daniel Knoll: Fliesst der Strom, hat es grundsätzlich immer fürs ganze Programm Platz. SRF wird weiter produzieren und weitersenden. Aber klar, wenn bei vierstündigen Stromabschaltungen jeweils ein Sechstel des TV-Publikums «abgehängt» ist, wird es wohl vermehrt zu zeitversetzten Wiederholungen kommen. Was schon produziert ist, wird sicher gesendet. Bei der Produktion neuer Inhalte müssen wir in einer Mangellage mit vielerlei Reduktionen rechnen – nur schon deshalb, weil reihenweise Sport- oder Kulturveranstaltungen nicht mehr stattfinden könnten.
Wie würden die Sendungen priorisiert?
Edi Estermann: Zwischen dem heutigen Normalbetrieb und einem Worst-Case-Szenario sind diverse Abstufungen denkbar. Würde der Bund aufgrund einer verschärften Mangellage beispielsweise die Stromabgabe kontingentieren, müssten die Unternehmenseinheiten der SRG sukzessive ihr Programm reduzieren. Die Information hätte hierbei erste Priorität. Wie und in welchem Umfang entsprechende Formate ausgestrahlt werden, lässt die Konzession bewusst offen. Hier haben die Sender der SRG einen Spielraum, den sie brauchen, je nachdem wie sich eine Mangellage-Situation ganz konkret präsentiert.
SRF wäre schlimmstenfalls also gezwungen, einzelne Radioprogramme oder Fernsehsendungen abzustellen. Welche wären das?
Daniel Knoll: Es gibt Szenarien, die bei einem längeren Stromausfall auch das Herunterfahren von Programmen und TV-Sendungen vorsieht. Aber wissen Sie: Wenn der Strom knapp wird, hat das Folgen, die wir heute in ihrem vollen Ausmass gar noch nicht kennen können. Ein Beispiel: Werden ÖV-Betriebe einer Stromkontingentierung unterstellt, werden sie ihren Fahrbetrieb reduzieren oder teilweise gar einstellen müssen. Das hat Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Arbeitskräften – in der gesamten Wirtschaft. Wird also der Strom verknappt, wissen wir bei SRF nicht, ab wann wo wie viele und welche unserer Mitarbeitenden noch vor Ort verfügbar sein werden. Und das ist nur eine Abhängigkeit, die wir nicht beeinflussen können. Was aber klar ist: Wir würden nur im Notfall Programme abstellen, denn wir wissen, dass in Lagen mit einem reduzierten öffentlichen Leben das Bedürfnis der Bevölkerung nach Information und auch nach Unterhaltung besonders gross ist.
Radioprogramm trotz Netzabschaltung: Das Radio ist gesetzlich der Kommunikation in der Krise verpflichtet, es empfiehlt sich darum auch, genügend Batterien im Haushalt-Notvorrat zu haben. Wie würde das Radioprogramm aussehen?
Daniel Knoll: Radio würde dank Notstrom-versorgter Sendeantennen und mobilem Empfang über Batterie-gestützte Geräte und Autoradios ja länger empfangbar bleiben als das Fernsehen. Was Sie beschreiben, wäre ein absolutes Notprogramm in einer Krisenlage nationalen Ausmasses. Im Kontext einer Strommangellage darf davon ausgegangen werden, dass es nicht so weit kommen wird.
Und: Hätte die SRG einen Einfluss auf die Zeiten der Netzabschaltungen, sollte es dazukommen?
Edi Estermann: Das Szenario von zyklischen Netzabschaltungen wird aktuell für die verschiedenen Standorte mit den zuständigen Netzbetreibern abgeklärt. Unter bestimmten technischen Voraussetzungen können Kantone kritische Infrastrukturen, wie die SRG, von der zyklischen Netzabschaltung ausnehmen. Diese Abklärungen laufen noch.
Wie bereite ich mich auf einen Stromunterburch vor?
Ob geplanter Stromunterbruch oder Notfallsituation: Fehlt der Strom, kann man nach wie vor Radio hören – vorausgesetzt, es befindet sich ein Batterie-gestütztes Radiogerät sowie genügend funktionierende Batterien im Vorrat. Sollte das Senden via DAB+ nicht möglich sein, wird auf UKW-Sendeantennen umgestellt, welche mit Notstrom versorgt werden, denn die SRG muss gemäss ihrem Auftrag und ihrer Konzession auch in einer Krisensituation in der Lage sein, die Bevölkerung zu informieren. Heute sind alle DAB+-Geräte mit UKW-Empfänger ausgerüstet, der Empfang kann per Knopfdruck umgestellt werden.
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