Auf Dreh im Südsudan
Im Rahmen von «SRF bi de Lüt – Heimweh» porträtierten Kameramann Andy Schmid und Realisatorin Sabine Grossrieder im März den Schweizer Piloten David Graf im Südsudan. Andy Schmid über bange Stunden beim Geheimdienst, Ziegen auf der Landebahn – und wie ihn die Menschen und deren Lebensumstände berührt haben.
Der Südsudan, der sich 2011 vom Sudan abgespalten hat, ist ein gefährliches Pflaster. Die politische Lage ist instabil, das EDA rät von einer Reise dorthin ab. Nach einer Risikoanalyse mit der Redaktion und dem Protagonisten David Graf entschied ich mich trotzdem, diesen Dreh zu machen. David schätzte die Sicherheitslage meiner Meinung nach seriös ein. Er lebt dort seit dreieinhalb Jahren mit seiner Familie unter einem hohem Sicherheitsdispositiv.
Für gemeinnützige Organisation im Einsatz
Wie man sich als Kameramann in Krisen- und Kriegsgebieten verhält, habe ich als Absolvent der HEST-Masterclass und diverser Wiederholungskurse verinnerlicht. Auch Sabine hat ein mehrtägiges Sicherheitstraining durchlaufen. Insofern waren wir als Team für den Einsatz in diesem Krisengebiet gerüstet – die Grundvoraussetzung für die Reise in den Südsudan.
Dort fliegt David seit dreieinhalb Jahren für die Mission Aviation Fellowship (MAF). Das gemeinnützige Flugunternehmen ist in 27 Ländern für Menschen in Notlagen und schwer zugänglichen Gebieten im Einsatz. Der Südsudan ist auf internationale Hilfe angewiesen. Armut und Hunger sind omnipräsent. Täglich landen Flugzeuge mit Hilfsgütern in der Hauptstadt Juba. Die MAF betreibt dort in der Nähe des Flughafens einen Standort mit sechs Kleinflugzeugen.
David lebt mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern in einem geschützten MAF-Compound in Juba, das sich selbst eine nächtliche Ausgangssperre verordnet hat. Spätestens ab 19 Uhr hält sich die Familie deshalb im Compound auf. Die Anlage umfasst einige Häuser, umgeben von hohen Mauern mit zweifachem militärischem Sicherheitsdraht und hat einen professionellen Wachdienst. Sabine und ich kamen dort ebenfalls als Mitbewohner in einem der Häuser unter, wo wir auch kochen konnten. Denn einfach in ein Restaurant zu gehen, war sicherheitstechnisch unmöglich.
Kinder und Tiere auf der Landebahn
Die Dreharbeiten verliefen problemlos. David landete auf unbefestigten Graspisten, wo er aufpassen musste, dass keine Kinder oder Tiere auf der Landebahn waren. Einmal mussten wir durchstarten, weil plötzlich eine kleine Ziegenherde über die Landebahn rannte. In der Cessna flog ich auf dem Co-Pilotensitz mit. Die kleine Sony Z90 erwies sich als ideale Kamera, um in der engen Kabine zu drehen. Wir hatten zwei dieser Camcorder mit, auch Sabine nutze ihn oft. Dazu eine Go-Pro und unsere iPhone-Kameras. Um möglichst unauffällig drehen zu können, beschlossen Sabine und die Redaktion, ohne Tonoperateur zu produzieren.
Wir blieben mit unseren Kameras lange unbehelligt – bis wir zwei Schweizerinnen mit der GoPro und einer kleinen Kamera auf einen Markt begleiteten. Ein Zivilpolizist hielt uns an und nahm uns mit zum Geheimdienst «National Security Service» (NSS). Eine zehnminütige Fahrt mit einem mulmigen Gefühl. Dort übernahm ein lokaler MAF-Mitarbeiter die Diskussion mit den NSS-Offiziellen. Wir zeigten unsere im Voraus eingeholten Bewilligungen und Dokumente. Doch es wurde uns beschieden, dass die «NSS»-Erlaubnis fehle und für uns infolgedessen ab sofort ein landesweites Drehverbot gelte.
Aufatmen – der Dreh kann weitergehen
Ich wurde mit der Zeit innerlich schon leicht nervös, liess mir aber nichts anmerken. Freundlich und cool bleiben, hiess die Devise, so wie wir es in den Kursen gelernt haben. Unser lokaler Helfer und die beiden Schweizerinnen haben mit den Offiziellen, teils sehr heftig, diskutiert. Mit Erfolg: Am Abend hatten wir die fragliche Bewilligung, die uns allerdings 200 US-Dollar kostete. Somit durften wir am nächsten Tag weiterdrehen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir nach acht Tagen ohnehin schon das meiste im Kasten.
Aus dem Südsudan nehmen wir auch viele schöne und berührende Begegnungen mit Menschen mit, die im Umfeld von Zwangsheiraten, Rachemorden und Schiessereien leben müssen. Auch die Zukunftsaussichten der Region sind nicht positiv: Es ist zu befürchten, dass sich die Mitte April im Sudan ausgebrochenen Gefechte zwischen der Armee und der paramilitärischen Einheit RSF auch auf den Südsudan auswirken werden.
Wie meist bei einer Reise in eine Krisenregion zeigte sich, wie privilegiert wir in der Schweiz eigentlich sind.
Die aktuelle Staffel von «SRF bi de Lüt – Heimweh» wird seit dem 12. Mai 2023 jeweils Freitags um 20.05 Uhr auf SRF 1 ausgestrahlt. Die Folge mit David Graf findet sich bereits auf Play SRF.
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