«Rundschau» über Missstände im Trampolinsport war sachgerecht und nicht vorverurteilend
Im Beitrag «Tortur und Tränen: Vorwürfe gegen Trainerin im Trampolinsport» thematisierte die «Rundschau» am 5. April 2023 Missstände im Trampolinsport, die durch eine Trainerin begangen worden seien. Eltern von Turnerinnen sowie ein Vertreter des betroffenen Kunstturn- und Trampolinzentrums beanstandeten den Beitrag als einseitig und unfair. Die kritisierte Trainerin werde dadurch auch medial vorverurteilt.
Im Fokus des Beitrags steht die Cheftrainerin des Nordwestschweizerischen Kunstturn- und Trampolinzentrums NKL in Liestal. Im Beitrag berichten ehemalige Trampolin-Nachwuchshoffnungen von physischer und psychischer Gewalt durch die Trainerin.
Mit zwei Beanstandungen meldeten sich Eltern von Athlet:innen, die im selben Kunstturn- und Trampolinzentrum trainierten oder noch trainieren. Sie können die Vorwürfe gegenüber der Trainerin nicht nachvollziehen. Sie seien mit den Leistungen und dem Verhalten der besagten Trainerin zufrieden. Das sei aber im Beitrag unterschlagen worden, indem nur Jugendliche und Eltern zu Wort gekommen seien, welche die Trainerin anprangerten. Das sei einseitig, polemisch und unfair. Ins gleiche Horn stösst der Präsident des NKL. Die Trainerin werde medial vorverurteilt und dadurch die Unschuldsvermutung verletzt.
Der Präsident hätte das Beanstandungsverfahren gerne gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. b erledigt. Dieser Artikel sieht vor, dass die Ombudsstelle für eine direkte Begegnung zwischen den Beteiligten sorgt. Die Sendungsverantwortlichen haben es jedoch vorgezogen, eine ausführliche Stellungnahme zu verfassen. Die Ombudsstelle kann weder die Redaktion noch die Beanstander:innen zu einer Begegnung verpflichten.
Missstände bestätigt
Die SRF-Berichterstattung stütze sich mehrheitlich auf die Untersuchungsakten aus dem Verfahren der nationalen Ethik-Meldestelle von «Swiss Sport Integrity», schreibt die «Rundschau»-Redaktion in ihrer schriftlichen Stellungnahme. Die Redaktion habe Einsicht in die Akten gehabt. Die Meldestelle von «Swiss Sport Integrity» wurde nach den sogenannten «Magglingen-Protokollen» von Bundesrätin Viola Amherd geschaffen, nachdem gravierende Missstände in der Kunstturn-Ausbildung am Nationalen Sportzentrum in Magglingen Ende Oktober 2020 öffentlich wurden.
Die Trainerin sei eingeladen worden, sich vor der Kamera zu den Vorwürfen zu äussern, so die «Rundschau»-Redaktion. Die Trainerin habe darauf verzichtet und der Redaktion über ihren Anwalt eine schriftliche Erklärung gesandt. Diese sei im «Rundschau»-Beitrag vollumfänglich zitiert worden. Ausserdem habe die Redaktion nach eigenen Angaben Gespräche mit über 30 Personen geführt, welche die Trainerin erlebt hätten. Dazu gehörten Athlet:innen, Eltern und ehemalige Trainer:innen des NKL. Mehr als 20 Personen hätten SRF gegenüber von sehr problematischen Trainingsmethoden berichtet und die Vorwürfe der Turner:innen ganz oder in Teilen bestätigt. Keine der kontaktierten Personen habe die Aussagen der Betroffenen grundsätzlich angezweifelt. Ebenfalls bestätigten verschriftlichte Beobachtungen von Mitarbeitenden des Schweizerischen Turnverbandes STV die Missstände.
Auch über positive Erfahrungen berichtet
Die Redaktion betont aber, im Beitrag sei wiederholt darauf hingewiesen worden, dass mehrere Turner:innen und deren Eltern sich für die Trainerin ausgesprochen hätten und weiterhin an ihr festhielten. Es werde auch aus zwei Schreiben von Eltern zitiert, welche sich von den erhobenen Vorwürfen distanzierten. Der Beitrag verneine somit nicht, dass einzelne Athlet:innen positive Erfahrungen mit der Trainerin gemacht hätten. Der Fokus des Beitrags habe jedoch auf den erhobenen Vorwürfen und den damit verbundenen Missständen gelegen.
Vorwürfe glaubwürdig
Die Ombudsleute stellen fest, dass das Schlussfazit der Reporterin und des Reporters im Beitrag hart gegenüber des Leistungszentrums, der Disziplinarkammer und des Turnverbands ausgefallen sei. Man müsse die Recherche jedoch vor dem Hintergrund der «Magglinger-Protokolle» sehen. Dementsprechend würden die Verantwortlichen auf ihre Versprechen behaftet, dass künftig allen Anzeichen allfälliger Missstände nachgegangen werde. Das sei in diesem Fall ungenügend und spät geschehen, deshalb sei der Beitrag zu Recht kritisch ausgefallen. Wenngleich sich die Ombudsstelle gewünscht hätte, dass auch Jugendliche direkt zu Wort gekommen seien, welche die Trainerin schätzten. Für die Meinungsbildung seien Direktaussagen allerdings nicht entscheidend. Im Beitrag sei schliesslich mehrmals betont worden, dass sich mehrere Eltern Jugendliche und Offizielle für die Trainerin aussprächen.
Die Ombudsleute weisen zudem darauf hin, dass Swiss Sport Integrity die Vorwürfe als glaubwürdig erachtet habe. Aufgrund dieser Einschätzung sei der Trainerin untersagt worden, weiterhin als Trainerin tätig zu sein. Die Disziplinarkammer des Schweizer Sports habe die Suspendierung zwar aufgehoben. Aber die Trainerin sei dennoch in ihrer Tätigkeit eingeschränkt worden, indem sie vom STV weder für nationale noch internationale Wettkämpfe aufgeboten werde.
Eine Vorverurteilung habe nicht stattgefunden, befinden die Ombudsleute. Dass den Vorwürfen von sehr reflektiert wirkenden Jugendlichen und deren Eltern nachgegangen wird, ist richtig und wichtig. Die Vorwürfe waren alles andere als aus der Luft gegriffen, was in der Untersuchung auch belegt wird. Das Schlussfazit des Reporterteams sei deshalb nicht vorverurteilend, sondern den klaren Anzeichen entsprechend ausgefallen. Der Beitrag beachte alle nötigen gesetzlichen Grundsätze und verletze auch die publizistischen Leitlinien nicht.
«Rundschau» vom 5. April 2023
«Rundschau» vom 5. April 2023
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