Wir sind keine «eierlegenden Wollmilchsäue»
Das neue Betriebsmodell von SRF, das «Vier-Kräfte-Modell», gibt vor, wie das Radio-, das TV- und das Online-Angebot entstehen. In dieser Kolumne erzählen Programmschaffende über ihre Arbeit mit den Kräften «Audience», «Inhalt», «Produktion/Technologie» und «Distribution». Diesmal mit Maurice Velati, Leiter Regionalredaktion AG SO.
Guter Journalismus ist quasi das «Hauptprodukt» von SRF. Redaktorinnen und Redaktoren recherchieren und produzieren Inhalte (Videos, Audios, Text, Bilder, Grafiken etc.), die dann über Apps, Social Media, Radio und TV das Publikum erreichen und informieren, bilden, faszinieren, unterhalten.
Der Medienwandel stellt neue Anforderungen an Redaktionen. Das erlebe ich als Leiter der Regionalredaktion Aargau Solothurn im (News-)Alltag, als ehemaliger Co-Projektleiter der SRF News App erlebte ich es auch auf strategischer Ebene.
Bei der Weiterentwicklung der SRF News App beispielsweise hat das Projektteam verschiedenste Aspekte untersucht. Welche Inhalte brauchen wir in welcher Form wann genau und was heisst das für die Funktionen dieser App? Diese Frage ist eine klassische «Vier Kräfte»-Aufgabe.
Die Abteilung Audience steuert Erkenntnisse aus Befragungen von Nutzenden bei. Die Abteilung Distribution kümmert sich zum Beispiel um das Design der App. Technische Features – die App muss beispielsweise mit den verschiedenen Betriebssystemen auf den Smartphones funktionieren – werden von der Abteilung Produktion & Technologie beigesteuert. Und ich als Journalist bringe meine Expertise ein zum Thema Storytelling oder zur Themenauswahl.
Durch diese intensive Zusammenarbeit erhalten wir ein digitales Produkt, das technisch auf der Höhe der Zeit und inhaltlich attraktiv für das Zielpublikum ist, gleichzeitig aber auch den hohen journalistischen Standards von SRF entspricht. Und ja: Diese Zusammenarbeit muss geübt sein.
«Journalistinnen und Journalisten liefern heutzutage Inhalte für Formate, die sie gar nicht mehr selbst herstellen können.»
Maurice Velati, Leiter Regionalredaktion AG/SO
Ich habe im Rahmen des News-App-Projekts unzählige Fachausdrücke aus der Welt der Programmierer und Designerinnen gelernt, sie wiederum haben zum Teil das erste Mal erfahren, wie wir Redaktionen arbeiten, wie wir ihre Produkte quasi mit Inhalt füllen. Dieses gegenseitige Verständnis ist in unserer komplexen Medienwelt notwendiger denn je.
Im redaktionellen Alltag bedeutet das «Vier-Kräfte-Modell» zum Beispiel, dass die Online-Redaktorinnen der Regionalredaktionen immer wieder von Expertinnen und Experten aus anderen Abteilungen weitergebildet werden. Es heisst aber auch: Journalistinnen und Journalisten liefern heutzutage Inhalte für Formate, die sie gar nicht mehr selbst herstellen können. So entstehen im Newsroom in Zürich Leutschenbach Instagram-Storys zu regionalen Themen, von Spezialistinnen und Spezialisten für das jüngere Zielpublikum gestaltet. Die Drehbücher dazu kommen aus den Regionalredaktionen – also von dort, wo die inhaltliche Kompetenz zum Thema vorhanden ist. Diese Arbeitsteilung ist sinnvoll.
Es gilt, was schon immer galt: Soll eine Geschichte beim Publikum ankommen, muss sie inhaltlich gut sein – aber auch formal attraktiv. Weil wir Journalistinnen und Journalisten keine «eierlegenden Wollmilchsäue» sind, sind wir für das Bespielen der unzähligen verschiedenen Kanäle auf die Zusammenarbeit mit Spezialistinnen und Spezialisten angewiesen. Das «Vier-Kräfte-Modell» macht den guten Journalismus von SRF also noch besser. Auf strategischer Ebene, aber auch im Alltag.
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