Lebendige Traditionen
Was für die Schweiz eine bedeutende Tradition ist, wird in der Gesellschaft laufend neu ausgehandelt. Das Bundesamt für Kultur (BAK) führt und aktualisiert periodisch seit 2012 ein Inventar der «lebendigen Traditionen» in der Schweiz – eine Zusammenstellung, die weit mehr als Alphorn, Blumenumzug und Jodeln umfasst: Das Stöbern in der Liste offenbart Überraschendes. Das Magazin LINK hat einen Auszug zusammengestellt.
Jassen
Der Jass ist in der Schweiz überaus beliebt und gilt als nationales Kartenspiel. In den unzählbaren Spielstunden einer langen Tradition wurden die Jasskarten mit dem magischen Duft gemütlicher Geselligkeit aufgeladen: seis am Stammtisch im «Rössli», «Hirschen» oder «Bären», sei es zu Hause in der warmen Stube, wenn es draussen Bindfäden regnet und Katzen hagelt, oder sei es unterwegs im Zug zum Zeitvertreib: Jassen verbindet und bereitet Vergnügen. Bis in die hintersten Täler der Schweiz ist der Jass verbreitet.
Vereine
Wenn Menschen regelmässig zusammenkommen und gleichberechtigt ihr gemeinsames, ideales Ziel anderen gegenüber kundtun wollen, gründen sie einen Verein. In der Schweiz gibt es achtzig bis hunderttausend Vereine. Dass in der Schweiz die Vereinsform so verbreitet ist und täglich Vereine gegründet werden, liegt unter anderem an den günstigen rechtlichen Rahmenbedingungen: einerseits an der verfassungsrechtlich garantierten Vereinigungsfreiheit, andererseits an der Vereinsautonomie, die es einem Verein innerhalb bestimmter Regeln erlaubt, sich ohne behördliche Zustimmung eigene Statuten zu geben.
Aareschwimmen
Bern hat zwar keinen See. Doch die Aare und das überaus beliebte – und wegen des teils recht wilden Wassers auch aufregende – Aareschwimmen verhelfen der Stadt jüngst zu zunehmender internationaler Berühmtheit. Ein entscheidender Faktor für die Tradition des Aareschwimmens ist die Wasserreinheit, die im weltweiten Vergleich ein Kuriosum ist. Während die Aare früher eine Schutzfunktion ausübte, Wasserspeicher, Nahrungsquelle und Transportweg war, ist sie heute das Naturwahrzeichen Berns. Hartgesottene schwimmen jeweils im Spätherbst die 350 Meter des «Zibeleschwümme».
Lawinenschutz
Historische, wirtschaftliche, klimatische und topografische Gegebenheiten haben in der Schweiz besondere Praktiken und Kompetenzen im Umgang mit der alpinen Natur entstehen lassen. Exemplarisch steht dafür der Umgang mit der Lawinengefahr. In der vorindustriellen Gesellschaft fand dieses Erfahrungswissen seinen Niederschlag unter anderem in der Siedlungsstruktur. Der Lawinenschutz ist heute eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der Umgang mit der Lawinengefahr wurde in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Unesco aufgenommen.
Typografie
Grafikdesign und Typografie sind als visuelle Kommunikation im Alltag präsent. Sie prägen das Erscheinungsbild von Plakaten, Büchern, Logos, Anzeigen, Websites und vielem mehr. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bildete sich unter den Begriffen «Schweizer Grafik», «Schweizer Typografie», «Swiss Typography» oder «Swiss Style» eine spezifische Schweizer Tradition in Grafikdesign und Typografie heraus, die internationale Bekanntheit erlangte und bis in die Gegenwart wirkt.
Open-Air-Festivals
Open-Air-Festivals sind heute in der Schweiz die grössten kulturellen Veranstaltungen überhaupt. Kein anderes Land weist eine ähnliche Dichte an Open Airs mit europaweitem Ruf auf. Jeden Sommer pilgern Tausende meist Jugendliche und junge Erwachsene, je nach Musikangebot aber auch ganze Familien, zu den ein- oder mehrtägigen Konzertveranstaltungen im Freien.
Technokultur
Vor allem Zürich nahm den Techno früh auf. Als er in den 1990er-Jahren seine Hochphase feierte, wurde Zürich zu einer wichtigen Partystadt in Europa. Ursprünglich waren die Partys einmalige Veranstaltungen in Kellern und Lagerhallen, später etablierte sich eine Clubszene, die regelmässig Techno-Events durchführt. Die seit 1992 jährlich stattfindende Street Parade prägt die Zürcher Technokultur.
Tessiner Grotti
Die Grotti waren früher als Orte der Lagerung von Wein und Lebensmitteln ein zentrales Element der Produktionskette der landwirtschaftlichen Gesellschaft und gehören heute zur Identität der italienischen Schweiz. Ursprünglich waren sie eng mit der Verbreitung des Weinbaus verbunden. Heute sind sie ein Symbol der Geselligkeit und des Vergnügens für alle Schichten der Bevölkerung und werden noch immer häufig als Keller für die Lagerung von Lebensmitteln genutzt, insbesondere von Wein und Käse.
Konsens
Das gesellschaftliche Zusammenleben und das Funktionieren der politischen Institutionen sind in der Schweiz ohne Konsenskultur undenkbar. Mehr- wie auch Minderheiten sollen über Fortbestand und Wandel verhandeln und bestimmen. Jede und jeder darf mitreden. So erfordern politische Entscheidungsfindungen in der Regel Sondierungsgespräche, Konsultationsrunden, Vernehmlassungen, parlamentarische Debatten und eine direkt demokratische Mitsprache. Selbst die Regierung ist diesem allmächtigen Prinzip unterworfen.
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