Den «Kassensturz» einschüchtern

Die medienpolitische Landschaft in der Schweiz wird zurzeit von vielen Herausforderungen geprägt. Medienjournalist Philipp Cueni liefert darum in dieser Kolumne Fakten und Hintergründe, er ordnet ein und kommentiert. Diesmal: Der Angriff von den NR Sollberger und Aescher auf die Konsumentensendung «Kassensturz» von SRF.

Im Juni bot der Bundesrat gegenüber SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger und SVP-Nationalrat Thomas Aeschi eine kleine Lektion in Staatskunde. «Der Bundesrat hält die verfassungsmässig garantierte Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen und deren Programmautonomie hoch und äussert sich daher nicht zu journalistischen Beiträgen der SRG oder zu ihrer Zusammenarbeit mit in- oder ausländischen Medien.» Die Antwort kommt aus dem ­Departement von Bundesrat Albert Rösti, SVP.

Sollberger und Aeschi hatten zwei parlamentarische Anfragen eingereicht. Der Bundesrat solle Stellung nehmen, dass der «Kassensturz» von SRF mit «linkslastigen» Medien im Ausland zusammenarbeite. Aeschi bezeichnete den deutschen «Spiegel» und den britischen «Guardian» als «klar linkslastig», Sollberger bezog sich auf die deutsche Rechercheplattform Correctiv.
Dass der Bundesrat aktiv werden soll, wenn ein Magazin von SRF redaktionell kooperiert, ist unter dem Gesichtspunkt der redaktionellen ­Freiheit mehr als fragwürdig. Ob die renommierten ­Publikationen «Spiegel» und «Guardian» pauschal als «klar links positioniert» qualifiziert werden können, wäre zu hinterfragen. Aber worum ging es denn überhaupt, zum Beispiel bei der Kooperation von «Kassensturz» mit Correctiv? Correctiv ist eine breit abgestützte, unabhängige Rechercheplattform ­eines grossen Kollektivs von Journalistinnen und Journalisten in Deutschland, die eine lange ­Liste von Auszeichnungen vorweisen kann. Zu den aufge­listeten Geldgebern von Correctiv gehören Stiftungen von Grossunternehmen wie Telekom, Google ­Germany, der Kaufhauskette Hertie, Bosch usw. Das sind nicht gerade Belege für «Linkslastigkeit».

Entscheidender als eine Etikettierung von Medien in «links» oder «rechts» sind ihre publizistischen Leistungen und ob diese mit sauberer redaktioneller Arbeit entstanden sind. Statt der pauschalen Kritik an einer Kooperation wäre zu fragen: Worum ging es inhaltlich denn überhaupt? Thema der entsprechenden «Kassensturz»-Sendung war eine Gutachterfirma im Bereich von IV-Abklärungen. Die vom Konsumentenmagazin beleuchtete Firma ist von mehreren Seiten kritisiert worden, dass ihre Gutachten nicht korrekt ­seien. Diesen Vorwürfen ging der «Kassensturz» nach und stiess bei der Firma auf weitere Fragen: Warum reisen ihre Ärzte jeweils nur gerade für die Gutachten aus Deutschland an? Und warum laufen in Deutschland ausgerechnet gegen eine ganze Reihe von Ärzten genau dieser Firma Verfahren in Steuerfragen – inklusive Hausdurchsuchungen?

Solchen Fragen muss ein Konsumentenmagazin nachgehen, um allfällige Benachteiligungen von (hiesigen) Patientinnen abzuklären. Eine Kooperation mit einer Redaktion in Deutschland macht angesichts des Sachverhalts hier sogar Sinn.
Was wollte Nationalrätin Sollberger mit ihrer pauschalen Kritik an der Kooperation mit einem angeblich «linkslastigen» Medium eigentlich erreichen – dass solche Themen vom «Kassensturz» nicht mehr kritisch beleuchtet werden können? Dass der Bundesrat vermehrt Druck ausübt auf die Redaktionen von SRF? Gut, hat der Bundesrat die Politikerin an die Grundwerte der Bundesverfassung, an die Pressefreiheit, erinnert.

Text: Philipp Cueni

Bild: zVg

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