«Formate wie die ‹Arena› sind wichtig für die Demokratie»
Politikerinnen und Politiker steigen regelmässig in den virtuellen Social-Media-Ring. Braucht es da überhaupt noch einen Schlagabtausch im linearen Fernsehen, Frau Egli?
Seit am 27. August 1993 die erste SRF «Arena» zu Tempo 30 über die Bildschirme geflimmert ist, wurde unter wechselnder Moderationsleitung über unterschiedlichste Themen debattiert: das Nein des Schweizer Stimmvolks zur Integration in den Europäischen Wirtschaftsraum, das Swissair-Grounding, Finanzkrisen, Flüchtlingsströme, die Rettung der UBS, der Ukraine-Krieg, der Niedergang der Credit Suisse und natürlich Covid. Covid. Und wieder und wieder Covid.
Die «Arena» ist am Puls der Zeit. Bringt Diskussionen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ins Fernsehstudio und führt sie dort weiter. «Unsere Zuschauerinnen und Zuschauer möchten eine Begegnung erleben, einen Austausch beobachten, Argumente hören und gleichzeitig gut unterhalten werden», erklärt Franziska Egli, Redaktionsleiterin der «Arena». An diesem Grundkonzept hat sich seit der ersten Sendung vor 30 Jahren nicht viel verändert.
Was sich aber massiv verändert hat, sind die Diskussionen, die vor und nach den Sendungen auf Social Media stattfinden. Die «Arena» sorgt heute nicht erst für Kontroversen, wenn sie ausgestrahlt wird, sondern oft bereits dann, wenn Moderator Sandro Brotz auf Twitter (heute «X») und Instagram das nächste Thema ankündigt und die Gäste bekannt gibt. Hinzu kommt, dass sich viele Politikerinnen und wichtige Amtsträger nicht mehr nur in der «Arena», sondern auch auf Social Media einen direkten Schlagabtausch mit ihren Kontrahentinnen und Kontrahenten liefern. Das stört Franziska Egli allerdings überhaupt nicht. Im Gegenteil. «In einer idealen Welt haben sich zwei Personen bereits auf Social Media einen Schlagabtausch geliefert, das Thema wurde dann von den Printmedien aufgegriffen und am Freitag treffen die Kontrahentinnen dann in der ‹Arena› aufeinander. Die ‹Arena› macht zum Thema, was die Menschen aktuell bewegt», erklärt Egli.
Das direkte Aufeinandertreffen ist wichtig
Als ernsthafte Konkurrenz oder gar als potenziellen Todesstoss für die «Arena» sieht die Redaktionsleiterin den virtuellen Boxring deshalb nicht. «Eine hitzige Diskussion auf Twitter hat nicht dieselbe Qualität wie ein direktes Aufeinandertreffen bei uns im Studio», führt Egli weiter aus. So gehe es im Studio nicht nur um das, was gesagt wird, sondern auch um Mimik, Gestik, Ton, Reaktionsgeschwindigkeit. Gerade in diesem Bereich hätten Politiker in den letzten Jahrzehnten viel dazugelernt. So würden mittlerweile zahlreiche Diskussionspartnerinnen für das Format gecoacht und rhetorisch vorbereitet. Das führe dazu, dass die Gesprächsführung manchmal herausfordernder sei als noch zu Beginn der «Arena» vor 30 Jahren.
Es braucht noch mehr journalistisches Geschick, um sicherzustellen, dass die «Arena»-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer sich nicht um die wichtigen Aspekte foutieren können oder – noch schlimmer – nur ihre Parolen abliefern, ohne sich kritischen Fragen zu stellen. Hinzu kommt, und das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor, die Twitter / X-Blase in der Schweiz ist vergleichsweise klein. Eine journalistisch aufgearbeitete und moderierte Diskussion im Fernsehen erreicht somit ganz andere Teile der Bevölkerung. Eglis Verdikt fällt deshalb eindeutig aus: «Formate wie die ‹Arena› sind wichtig für unsere Demokratie. Das Ziel ist, einen substanziellen Beitrag zur Meinungsbildung leisten zu können.»
Mit neuen Formaten in Bewegung bleiben
Das Konzept «Arena» funktioniert also – vor 30 Jahren wie heute. Das bedeutet aber nicht, dass sie stillstehen kann. Im Gegenteil. «Die Herausforderung ist, neues Publikum sowie auch das bestehende auf anderen Kanälen zu erreichen. Insbesondere bei demokratierelevanten Inhalten, wie sie die ‹Arena› bietet, ist es wichtig, auch andere Wege als das klassische lineare Fernsehen zu finden – auch um die jüngere Zielgruppe und speziell diesen Herbst Erstwählende zu erreichen», betont Egli. Dazu gehört etwa, dass Sandro Brotz auf seinen Social-Media- Kanälen immer wieder die interessantesten und intensivsten Wortgefechte der Sendung teilt, aber beispielsweise auch der Artikel zur Sendung auf der SRF News App.
Im Wahljahr 2023 setzt SRF zudem auf ein neues Wahlformat, das die Redaktion der «Arena» verantwortet. Ende August startete die «Arena» mit den traditionellen Wahlsendungen, in denen Parteipräsidentinnen und -präsidenten über Migration, Altersvorsorge, Klima- und Energiepolitik sowie die Position der Schweiz in der Welt debattieren. Ergänzend dazu lanciert SRF ein neues Format: «Bitte auf den Punkt!». Dabei stellen sich Parteivorsitzende den Fragen des Publikums. Im Vorfeld der Sendung wird das Publikum auf allen SRF-Kanälen dazu aufgerufen, sich mit Fragen und Kritik an die Adresse der Parteivorsitzenden zu melden. Jeweils zwei Präsidentinnen und Präsidenten von Parteien mit Fraktionsstärke stellen sich diesen kritischen Fragen der Wählerinnen und Wähler im Studio. Moderator Sandro Brotz fungiert als Anwalt des Publikums und sorgt dafür, dass die Antworten auf den Punkt erfolgen. Das TV-Spezialformat findet seit dem 20. September dreimal nacheinander jeweils am Mittwochabend ab 20.50 Uhr statt. «Ich denke, dieses neue Format ist eine riesige Chance für beide Seiten: Die Zuschauerinnen und Zuschauer können ihre Kritik direkt anbringen – und die Parteispitzen können unmittelbar darauf antworten», glaubt Egli. Die grösste Herausforderung sieht sie darin, möglichst vielen Personen die Chance zu geben, eine Frage zu stellen, gleichzeitig aber genug Raum zu bieten, diese auch fundiert zu beantworten. «Ich bin sehr gespannt darauf, wie das neue Format ankommt, und freue mich darauf, das Resultat zu sehen.»
Zu links, zu rechts?
Ein Seiltanz. Denn die «Arena» war über die Jahre immer wieder harscher Kritik ausgesetzt. Zu links, zu rechts, zu unausgeglichen, zu homogen in der Auswahl der Gäste: Die Kritik kommt von allen Seiten. Wer bei der «Arena» arbeitet, braucht ein dickes Fell. «Gerade Sandro Brotz ist wahnsinnig exponiert. Meinungen aller Art erreichen ihn ungefiltert auf Social Media. Das hat sich in den letzten Jahren zunehmend verstärkt », berichtet die «Arena»-Leiterin. Doch auch die Redaktion sieht sich mit viel Kritik konfrontiert. «Wir fragen uns etliche Male pro Tag, ob wir es richtig machen beziehungsweise wo wir uns verbessern könnten», gibt sie selbstkritisch zu.
In diesem schwierigen Kontext zu navigieren – besonders in einem für die Schweizer Politik wichtigen Jahr wie diesem – verlangt Kompetenz, Erfahrung und regelmässig etwas Mut. Kein Problem für die 39-jährige Journalistin. Sie war bereits 2013 als Produzentin zur «Arena» gestossen, bevor sie 2018 dann deren Leitung übernahm. Nach zehn Jahren «Arena» kann Egli nichts mehr so schnell aus der Ruhe bringen. Sie hat gelernt, den Druck und die Kritik mit professioneller Distanz zu betrachten. Obschon ihre Arbeit wie in einem Schaufenster präsentiert und regelmässig hart kritisiert wird, liebt sie ihren Job und geht jeden Tag gern zur Arbeit: «Es ist ein Privileg, für so ein Format zu arbeiten. Wir haben ein super Team und sind alle mit viel Herzblut dabei.»
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