Nahost-Berichterstattung vor der Ombudsstelle
Die aktuelle Situation im Nahen Osten beschäftigt die Schweizer Bevölkerung und weckt Emotionen. Dies wirkt sich auch bei der Ombudsstelle aus: Seit dem brutalen Terror-Angriff der Hamas auf Israel sind bisher über 40 Beanstandungen eingegangen. Die Ombudsleute stellen fest, dass im Grunde genommen gar nicht die Berichterstattung gemeint ist, sondern sich die Sympathisanten für Israel oder für die Bevölkerung in den besetzen Gebieten Gehör verschaffen wollen.
Eines ist den meisten Beanstandungen gemeinsam: Der Vorwurf, die SRF-Nahost-Berichterstattung sei einseitig. Doch im Blickwinkel auf die Ereignisse und deren medialer Bewältigung unterscheiden sich die Beanstandungen teilweise diametral. So kritisieren die einen die Berichterstattung als israelfeindlich, die anderen als zu israelfreundlich.
Beanstandet wurden mehrheitlich Informationssendungen und -inhalte wie «Tagesschau», «10vor10», «Heute Morgen», Radionachrichten, «SRF News» (online). Exemplarisch werden im Folgenden zwei Beanstandungen besprochen: Fall Nr. 9513 («Heute Morgen», 9.10.2023) und 9529 (Berichterstattung zum Nahost-Krieg).
Verharmlosung der Gräueltaten der Hamas?
Ein Radiohörer kritisiert die Sendung «Heute Morgen» vom 9. Oktober 2023. Im Hauptbeitrag der Sendung geht es um die andauernden Kämpfe in Israel und im Gazastreifen am zweiten Tag nach der Hamas-Attacke. Der Beanstander stört sich an der Formulierung von Auslandredaktorin Susanne Brunner, dass auch Israel mindestens 40 Hamas-Kämpfer «als Geiseln» halte. In seinen Augen würden mit dieser Aussage die Gräueltaten der Hamas mit der Festnahme von Terroristen durch die israelischen Streitkräfte während der Kampfhandlungen gleichgesetzt.
Susanne Brunner sage im Beitrag klar und deutlich, dass der Terror in israelischen Städten unvermindert weitergehe. Sie berichte auch von dem Massaker am Musikfestival und den Dutzenden entführter und als Geiseln genommenen Israelis. Die Ombudsleute sind der Ansicht, dass Susanne Brunner in diesem wie auch in anderen Berichten die Hamas nicht im Geringsten verharmlose. Sie bezeichne zudem mitunter die radikal-islamische Hamas – anders als die offizielle Schweiz – als Terrororganisation.
Die durch die israelischen Streitkräfte festgenommenen Hamas-Kämpfer als «Geiseln» statt als «Gefangene» zu bezeichnen, ist auch in den Augen der Ombudsleute ein Fehler. Dennoch könne aus der Gesamtheit des Berichts nicht von einer Gleichsetzung mit den Gräueltaten der Hamas geschlossen werden, so die Ombudsleute.
Berichterstattung zu pro-israelisch?
Eine andere Beanstanderin kritisiert die ganze SRF-Berichterstattung zum Nahost-Krieg als unausgewogen und pro-israelisch. Als Beispiel nennt sie u.a. «SRF 4 News aktuell» vom 12. Oktober 2023. Darin ging SRF der Frage nach, wie Israel derart überrascht werden konnte. Die Frage sollte lauten, wie es zu einem solchen Frust bei den Palästinensern und zu so einer Eskalation habe kommen können, findet die Beanstanderin.
Weiter nennt sie den SRF-News-Artikel vom 13. Oktober 2023. Darin geht es um die Aufforderung des israelischen Militärs an die Bewohnerinnen und Bewohner von Gaza City, den Norden des Gazastreifens zu verlassen. Die Beanstanderin moniert, es fehle die legitime Kritik von SRF am Vorgehen Israels. Es fehle auch die Kritik, dass Israel Kinder vertreibe und Tausende von toten Zivilisten in Kauf nehme.
SRF thematisiere immer wieder, dass es bei den Fluchtbewegungen der Bevölkerung im Gazastreifen zwangsläufig zu einer humanitären Katastrophe komme, so die Ombudsleute. «Eine Frage schwebt über allem...» ist in den Augen der Ombudsleute eine legitime Frage zu Beginn der Hamas-Attacke. Der Schock bei der Bevölkerung Israels sitze tief und es frage sich jedermann, wie ein solcher Terrorakt das Land so unvorbereitet habe treffen können.
Der Blickwinkel ist entscheidend
Die Ombudsleute ziehen folgendes Fazit: «Seit dem Ausbruch am 7. Oktober stellt die Ombudsstelle fest, dass die SRF-Berichterstattung je nachdem, ob man dem ‹Pro Israel›- oder dem ‹Pro Palästinenser›-Lager nahesteht, subjektiv wahrgenommen wird. Bei objektiver Betrachtung allerdings verhält sich SRF sachgerecht, indem es wahrheitsgetreu darüber berichtet, was Sache ist. Das Ausmass der Katastrophe ist unvorstellbar. Auf beiden Seiten ist das Leid entsetzlich. Über die Hintergründe berichtet SRF sachlich und auf Objektivität bedacht.»
Die Ombudsleute können bei den beiden erwähnten Beanstandungen denn auch keine Verletzung des Radio- und Fernsehgesetzes feststellen.
Beanstandete Sendungen (Ombudsfälle 9513 und 9529)
Beanstandete Sendungen (Ombudsfälle 9513 und 9529)
Schlussbericht Ombudsstelle Nr. 9513
Schlussbericht Ombudsstelle Nr. 9529
Weitere Schlussberichte zur Nahost-Berichterstattung befinden sich im Fall-Register.
Kommentar
Kommentarfunktion deaktiviert
Uns ist es wichtig, Kommentare möglichst schnell zu sichten und freizugeben. Deshalb ist das Kommentieren bei älteren Artikeln und Sendungen nicht mehr möglich.