Jennifer Khakshouri: «Wir müssen über künstliche Intelligenz sprechen»
«Literaturclub»-Moderatorin Jennifer Khakshouri ist zuversichtlich, dass Menschen auch in Zukunft von Menschen verfasste Bücher lesen wollen. Künstliche Intelligenz muss aber thematisiert werden.
«Wie lange dauert es, bis die künstliche Intelligenz bessere Romane schreiben wird als ein Mensch?», fragt Moderatorin Jennifer Khakshouri ihren Gesprächsgast gleich in ihrem ersten «Literaturclub» Ende September. Eine provokative Frage in einem solchen Format? Vielleicht. Aber auch eine, die unbedingt diskutiert werden muss, findet Khakshouri: «Ich habe keine Angst vor KI. Doch die atemberaubende Entwicklung dieser Maschinen hat Auswirkungen auf uns alle. Deshalb ist es wichtig, dass wir darüber sprechen – auch im ‹Literaturclub›.»
Seit September weht dort ein frischer Wind. Im Wechsel mit Laura de Weck moderiert Jennifer Khakshouri das Format – und das, obwohl sie sich anfangs gar nicht erst auf die Ausschreibung bewerben wollte. «Ich bin ein scheuer Mensch. Die Idee, mich so stark zu exponieren, war für mich nicht selbstverständlich », erzählt sie. Nachdem sie allerdings von verschiedenen Personen darauf angesprochen worden war, wollte sie sich selber die Chance geben, während des Castings ein Gefühl für die Rolle zu entwickeln.
Tatsächlich fand die Audio-Journalistin grossen Gefallen daran, vor der Kamera zu stehen, Gespräche zu leiten und hitzige Diskussionen zu führen. Kein Wunder: Schliesslich sind Analysieren und kritisches Hinterfragen für Khakshouri alles andere als Neuland. Noch während des Studiums (Germanistik und Anglistik) zog es die Zürcherin in den Journalismus. Sie arbeitete als Praktikantin bei verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften und beim Radio. Später bekam sie ihre erste Festanstellung als Journalistin und Moderatorin bei DRS 2 (heute SRF 2 Kultur). Vor sechs Jahren gründete sie dann mit anderen Journalistinnen und Sounddesignern das Kollektiv «Audioband». Gemeinsam produzieren sie auch heute noch Geschichten, Gespräche und – wie sie selber schreiben – «Sound nach Mass».
«Das Leben wird greifbarer und schöner mit Literatur.»
Jennifer Khakshouri
Ihre neue Stelle bei SRF ist eine logische Konsequenz ihrer beruflichen Laufbahn und ihrer riesigen Leidenschaft für Literatur. «Bücher sind mein Leben», sagt Khakshouri und fährt weiter: «Das Leben wird greifbarer und schöner mit Literatur.» Als elfjähriges Mädchen hat sie «Harriet the Spy» fasziniert, die Geschichte einer verwöhnten Göre von der Upper West Side in New York. Später waren es dann die Literatur von Dorothy Parker oder Aglaja Veteranyi und ganz besonders die Kurzgeschichten von Alice Munro, welche die Journalistin prägten. Aktuell sind «Der Fluch des Hasen» von Bora Chung und «Olive Kitteridge» von Elizabeth Strout ihre Lieblingsbücher. Dank Jobsharing mit Laura de Weck soll genügend Zeit bleiben, um sich vertieft mit der Literatur, die sie in der Sendung besprechen, auseinanderzusetzen. Das ist auch deshalb sehr wichtig, weil Khakshouri neben der Moderation des «Literaturclubs» auch im Team des «Literaturclub»-Podcasts «Literaturclub: Zwei mit Buch» sowie als Literaturexpertin im multimedialen Literaturteam von SRF tätig ist. In dieser Funktion bringt sie ihre Expertise auch in den TV- und Radio-Newsgefässen von SRF ein, zum Beispiel der «Tagesschau». Das Modell mit zwei Moderatorinnen für den «Literaturclub» verlangt aber auch eine gemeinsame Vision.
Für Jennifer Khakshouri ist klar: Sie möchte Bücher besprechen, welche die Leute zum Lesen bringen – und zwar egal, ob das nun Prinz Harrys «Reserve» oder Franz Kafkas «Die Verwandlung» ist. Obschon sich die Moderatorinnen vorher nicht gekannt haben, harmonieren sie bereits sehr gut, erzählt Khakshouri. Und das, obwohl die beiden unterschiedliche Herangehensweisen haben: «Mich interessiert in erster Linie die Machart eines Buchs, aus welcher Perspektive es erzählt wird, welche Sprache die Autorin verwendet. Erst danach gehe ich auf das Thema ein und analysiere dessen gesellschaftspolitische Relevanz. Bei Laura ist es umgekehrt.» Wichtig aber, sagt Khakshouri: «Unterm Strich kommen wir beide zum selben Resultat.» Einig sind sich die beiden Frauen zudem auch darin, dass künstliche Intelligenz im «Literaturclub» immer häufiger Diskussionsgegenstand sein wird.
Was passiert, wenn die Übergänge zwischen menschlichen Schriftstellern und textproduzierenden Maschinen verschwimmen?
Und in diesem Kontext gibt es zahlreiche brennende Fragen. Zum Beispiel: Wird der Mensch mehr und mehr zur reinen Kontrollinstanz der künstlichen Intelligenz? Was passiert, wenn die Übergänge zwischen menschlichen Schriftstellern und textproduzierenden Maschinen verschwimmen? Wem gehört ein KI-generierter Text und wer darf ihn verkaufen? Die Nutzung von KI in der Literatur ist bislang kaum reguliert. Es herrscht ein regelrechtes Datenchaos. Weltbekannte Autoren wie John Grisham, Jodi Picoult, Jonathan Franzen und George R. R. Martin haben OpenAI verklagt. Die Autoren werfen dem Unternehmen, das hinter ChatGPT steht, systematischen Diebstahl vor, indem es illegal heruntergeladene Bücher in die Systeme einspeisen und basierend darauf «neue Werke» im Stilder Autorinnen ausspucken soll. Die menschlichen Schriftsteller gehen dabei leer aus. Auch Lena Falkenhagen, Vorsitzende des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller, bezeichnet dieses Vorgehen während der Frankfurter Buchmesse im Oktober als «Urheberrechtsskandal auf höchster Ebene ». Sie fordert deshalb einen Neustart der Systeme, mehr Transparenz und eine adäquate Regulierung von KI, um den «Raubbau am geistigen Eigentum» zu stoppen. OpenAI glaubt, sich auf rechtssicherem Boden zu bewegen.Das Unternehmen rät den Autorinnen und Autoren gar, selbst viel mehr von der KI-Technologie zu profitieren.
Ein wichtiges Thema, findet auch Moderatorin Jennifer Khakshouri, die sich nicht grundsätzlich gegen den Gebrauch von KI in der Literatur ausspricht: «Ich denke, es ist ein weiteres Hilfsmittel, um die Ideenfindung voranzutreiben, Schreibblockaden zu lösen oder Texte zu analysieren.» Insgesamt zeigt sich die Moderatorin optimistisch, was die Zukunft der Literatur angeht. «Ich glaube nicht, dass künstliche Intelligenz hochstehende Literatur verfassen kann. Es wird noch sehr lange oder vielleicht sogar immer einen Menschen brauchen, um diesen Funken zu transportieren.» Die Journalistin ist zuversichtlich, dass Leserinnen und Leser es sehr bald leid sein werden, maschinengeschriebene Texte zu lesen, die schematisch, stereotypisiert und klischiert klingen. Klar ist: Künstliche Intelligenz bietet mehr als genug Zündstoff für spannende und wichtige Diskussionen im «Literaturclub».
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