Innovations-Hub Swiss TXT: «So viele barrierefreie Inhalte wie möglich»

Im Rahmen der Aktionstage Behindertenrechte 2024 stellt SwissTXT ihre Innovationen für mehr Zugänglichkeit von Medieninhalten zur Verfügung. Doch was braucht es, damit alle Menschen Zugang zu journalistischen Inhalten haben? Antworten auf die wichtigsten Fragen über barrierefreie Medien.

Zur Person

Robin Ribback ist Innovation Manager und Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung von Swiss TXT.

Die ersten barrierefreien Inhalte im Schweizer Fernsehen lieferte der Teletext. Das ist nun bereits 40 Jahre her. Schon damals lierferte der Textdienst Untertitel für Fernsehbeiträge . Heute ist für die SRG vor allem Swiss TXT (SWISS TXT AG) für die Accessibility-Innovation zuständig. Robin Ribback, Innovation Manager bei Swiss TXT, sagt: «Die Untertitel-Technologie von Teletext wurde bis heute immer weiterentwickelt. Heute haben wir neben der klassischen menschlichen Untertitelung eine automatisierte Spracherkennung, die sogar Dialekt erkennt.» Diese generiert Untertitel automatisch oder teilautomatisch. «Auch wenn es noch eine gewisse Fehlerquote gibt», so Ribback, «sind die SRG und Swiss TXT in dieser Technologie europaweit führend.»

Neben den automatisierten Untertiteln gibt es noch zwei weitere Technologien, die sich aktuell in der Entwicklung befinden: automatisierte Gebärdensprache mit Avataren sowie automatisierte Audiodeskription, also das Beschreiben von Szenen für sehbeeinträchtigte oder blinde Menschen. «Unser Ziel ist es, so viele Inhalte wie möglich barrierefrei zu gestalten. Müssen Menschen alle Sendungen und Formate übersetzen, stossen wir von den Ressourcen her bald an Grenzen. Dank der neuen Technologien erweitern wir das barrierefreie Angebot laufend», so Ribback.

Inklusive Arbeitsplätze als Teil der Innovation

Dabei sei nie das Ziel gewesen, Arbeitsplätze einzusparen. Im Gegenteil, so Ribback, verfolge Swiss TXT das Prinzip der systemischen Innovation: «Der technologische Fortschritt ermöglichte uns in den letzten Jahren die Weiterentwicklung unserer Anwendungen dahingehend, dass wir mehr gehörlose Menschen und in Zukunft sogar Blinde als Übersetzer:innen anstellen können. Wir schaffen also inklusive und sinnstiftende Arbeitsplätze.»

«Wir schaffen also inklusive und sinnstiftende Arbeitsplätze.»

So können etwa blinde Personen auch im Bereich des «Respeakings» arbeiten: Sie sprechen Sprachäusserungen aus Fernsehbeiträgen so nach, dass sie für Spracherkennungssoftware besser erkennbar sind. Dadurch reduziert sich die Fehlerquote der automatisierten Untertitel dramatisch. Zum Respeaking gehört etwa, Satzzeichen oder Zeilenumbrüche mitzusprechen.

Automatisierte Avatare – fürs Wetter

Die Innovationen gehen aber über Untertitel hinaus. Seit rund zehn Jahren forscht Swiss TXT an Avataren zur automatischen Übersetzung in Gebärdensprache. Nun steht eine neue Technologie kurz vor dem Einsatz. Diese könne zwei Dinge, erklärt Ribback: Warnmeldungen vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz bereitstellen und über das Wetter sprechen. Noch in diesem Jahr will RTS die Avatare im Rahmen der Wettersendung testen.

Die Accessibility-Forschung sei komplex, so Ribback. Die grösste Schwierigkeit sei dabei, Zugang zu genügend hochwertigem Datenmaterial zu bekommen. So gebe es beispielsweise bei der Gebärdensprache drei Dialekte in der Schweiz, für jeden grossen Sprachraum einen: «Diese entsprechen jeweils nicht der deutschen, französischen oder italienischen Form, sondern haben diverse Schweizer Eigenheiten. Das heisst, die Sprachgruppen sind sehr klein.» Die KI-Technologie, mit welcher die Gebärdenavatare erstellt werden, brauche aber einen gewissen Input an Daten, um verlässlich zu arbeiten. Deshalb landete man bei der ersten Anwendung auch beim Wetter. «Hier hatten wir genügend Sprachdaten. Bei anderen Themen sind wir aber noch nicht so weit.»

Entscheidend sei ausserdem, bei der Entwicklung der Technologien immer die Betroffenen ins Boot zu holen, so Ribback weiter. «Das braucht zwar Zeit, aber dafür erfüllen die Übersetzungslösungen am Ende auch ihren Zweck.»

Innovation braucht Partnerorganisationen

Die SRG sei eigentlich nicht dazu verpflichtet, Angebote für mehr Barrierefreiheit in den Medien zu entwickeln, erklärt Ribback. Das Engagement der SRG für mehr Barrierefreiheit in den Medien entstand denn auch ursprünglich in Eigeninitiative. Einen gesetzlichen Auftrag dafür gab und gibt es nicht. Aber: Inzwischen hat sich die SRG vertraglich gegenüber Behindertenorganisationen verpflichtet, sich für mehr Barrierefreiheit in den Medien einzusetzen.

«Unser Ziel ist es, dass man irgendwann auch seine eigene Geburtstagsparty ohne grossen Aufwand barrierefrei gestalten kann.»

Dabei gilt: Forschungsprojekte für mehr Innovationen brauchen Partnerorganisationen, welche diese Entwicklung auch finanziell mittragen. So wird zudem sichergestellt, dass die entwickelten Technologien einem konkreten Bedürfnis entsprechen.

Diese Partnerorganisationen müssen auch nicht zwingend Medien sein. Von den Swiss TXT-Innovationen profitiert zum Beispiel auch die gesamte Veranstaltungsindustrie. Denn wo Sprache eingesetzt wird, braucht es Übersetzungen. So kommen automatisierte Untertitel und Audiodeskription oder gebärdende Avatare auch bei Kongressen, Events oder an Hochschulen zum Einsatz. Doch Ribback sagt, nicht nur Grossveranstaltungen sollen von den Technologien profitieren: «Unser Ziel ist es, dass man irgendwann auch seine eigene Geburtstagsparty ohne grossen Aufwand barrierefrei gestalten kann.»

Keine Angst vor Dialog

Laut Ribback versuchten diverse Medienhäuser in der Vergangenheit, eigene Lösungen für mehr Barrierefreiheit bei ihren Inhalten zu suchen. Dies führe aber dazu, dass viele verschiedene Unternehmen ähnliche Services entwickeln, die wiederum nie richtig ausgereift sind. Denn die Entwicklung guter Accessibility-Lösungen sei teuer, sagt Ribback. «Deshalb wäre es wichtig, nach gemeinsamen Bedürfnissen zu suchen und diese gezielt zu bearbeiten.»

Swiss TXT stellt ihre Technologien dem Markt zur Verfügung. «Die Medienlandschaft ist ein Ökosystem, das aus den öffentlich und privat finanzierten Unternehmen besteht. Der Dialog ist nichts, wovor man Angst haben müsse. Er bringt alle weiter», so der Accessibility-Experte. Am Ende sei das Ziel dasselbe: Möglichst viele barrierefreie Inhalte schaffen.

Barrierefreiheit in den Medien: Wie funktioniert das?

Am 4. Juni 2024 findet zwischen 14:00 und 17:30 Uhr der Event «Barrierefreiheit in den Medien: Wie funktioniert das?» statt. Der Event in der Live-Stage beim SRF, Zürich Leutschenbach, ist Teil der Aktionstage Behindertenrechte 2024.

Zur Anmeldung

Text: SRG.D/pz

Bild: zVg

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