Tour de Suisse live: So produziert die SRG die Schweizer Radrundfahrt
Die SRG ist an der Tour de Suisse als «Host Broadcaster» für das sogenannte Weltsignal verantwortlich. Dabei zeigte sich die Schweiz stets erfinderisch: Verschiedene technische Entwicklungen haben die Übertragung des Radsports geprägt – auch über die Landesgrenzen hinaus.
Ein Rennen der Tour de Suisse dauert mehrere Stunden und erstreckt sich gut und gerne über eine Distanz von 150 Kilometern. Ein solches Sportereignis live im Fernsehen zu übertragen, ist also nicht einfach. Genauso wie das Fahrer:innenfeld müssen auch die Kameras sich stets weiterbewegen.
Beat Zumstein, verantwortlicher Produktionsleiter bei SRF, ist für die Produktion des sogenannten Weltsignals der Schweizer Radrundfahrt verantwortlich. Die Bilder, die er und sein Team produzieren, werden in der ganzen Welt ausgestrahlt. 2024 ist er bereits zum achten Mal als Produktionsleiter in der Verantwortung der Tour-de-Suisse-Übertragung. Er sagt: «Die Vorfreude im Team ist gross.»
Daten per Flugzeug zum Produktionsteam
Die Übertragung der Bilder birgt einiges an Aufwand. Die Athleten werden von vier Motorrädern mit mobilen Kameras begleitet. Gibt es eine Ausreissergruppe – setzen sich also einige wenige vom Feld ab – können sich die Motorräder aufteilen. So bleibt das Geschehen im Blick der Zuschauer:innen. Über den Motorrädern kreisen zwei Helikopter und liefern zusätzliche Bilder. Erst im Ziel gibt es fest installierte Kameras, welche die Zieleinfahrt festhalten.
Die technische Herausforderung liege heute vor allem bei der Übertragung der Live-Bilder von den mobilen Einheiten zum Übertragungswagen, sagt Zumstein. Das Produktionsteam ist im Ziel positioniert und erhält die Daten via Funk. Damit dies ohne Unterbrechung klappt, senden Motorräder und Helikopter ihr Bildmaterial an ein Flugzeug, welches auf rund 5500 Metern Höhe kreist. Dieses hat ständigen Sichtkontakt mit dem Ziel.
Laut Zumstein könnte der technologische Wandel dieses Übertragungssystem bald verändern: «Hätten wir flächendeckendes 5G-Mobildfunknetz, könnten wir die Daten direkt in den Zielraum liefern.» Die Herausforderung: «Radrundfahrten mit mehreren Etappen finden auch in Bergregionen statt, wo das Mobilfunknetz besonders lückenhaft ist. Da ist das Risiko von Signalunterbrüchen noch immer zu hoch.»
SRG war stets Innovations-Hub der Radsportübertragung
Innovation und Weiterentwicklung prägten in den letzten Jahren die Übertragungen von Radrennen. Die SRG spielte hierbei eine wichtige Rolle. Denn: Es waren Schweizer Erfindungen, welche die Bilder der Rundfahrten im Fernsehen revolutionierten.
Ein Beispiel: Die sogenannte Trike-Kamera. Diese bestand aus einer Spezialkamera, die normalerweise für Hubschrauberaufnahmen für Spielfilme benutzt wird. Für die Übertragung der Tour de Suisse montierte SRF diese auf ein dreirädriges Motorrad, ein sogenanntes Trike. Das Ergebnis war für die damalige Zeit spektakulär: Plötzlich sah man die Fahrer aus unmittelbarer Nähe, ohne dass das Bild stark verwackelt war. Heute übernehmen die Motorräder diese Rolle, da sie wendiger und schneller sind. «Trike-Kameras waren so schwer, dass sie bergauf teils kaum schneller waren als das Feld», so Zumstein.
Eine weitere technologische Innovation der SRG waren die Velokameras. Die rund 380 Gramm schweren Geräte wurden vor rund 15 Jahren erstmals am Rahmen einiger Athleten befestigt. Sie lieferten Bilder aus dem Feld, zeigten das Gerangel um die besten Plätze, das Tempo, auch Unfälle sah das Publikum plötzlich aus nächster Nähe. Davon sei man aber wieder weggekommen, sagt Zumstein. «Kameras am Rahmen sind ein Zusatzgewicht. Die Fahrer, welche diese an ihr Velo montieren lassen, sind nicht die Spitzenathleten. Von den entscheidenden Momenten wie Angriffen oder Schlusssprints erhalten wir also auch damit keine guten Bilder.»
Zukunft der Innovation liegt im technischen Hintergrund
Neue Kameraperspektiven in der Radsportübertragung zu finden sei grundsätzlich schwieriger geworden, sagt Zumstein. «Die Bildsprache der Radrennen gleicht jener von 1991, als SRF die Tour de Suisse zum ersten Mal übertrug.» Die grössten Innovationen lägen heute in der Bild- und Audioqualität und der Übertragung. Die Kameras liefern immer hochauflösendere Bilder. Die Zuschauer:innen sind sich heute eine hohe Qualität gewohnt. Dies bedeutet aber auch, dass mehr Daten von den mobilen Kameras zum Produktionsfahrzeug im Ziel übertragen werden müssen. «Hier passiert heute die Innovation», so Zumstein.
Was theoretisch möglich wäre, sind Drohenaufnahmen. Auch die SRG hat Erfahrungen damit gemacht, nur in anderen Sportarten: Am Lauberhornrennen etwa fliegt eine Kamera jeweils hinter den Athleten her und liefert spektakuläre Bilder. Doch Zumstein relativiert: «Drohnen einzusetzen klingt verlockend: klein, günstig, schnell einsetzbar. Aber vor allem die Regulierungen des Flugraums sind hier die Schwierigkeit.»
Bei den grossen Distanzen, die zurückgelegt werden, sei es unmöglich, auf ganzer Strecke die Erlaubnis zum Drohnenflug zu erhalten. Denkbar sei zwar der Einsatz auf einer Schlüsselstelle der Etappe. Nur: Anders als beim Skirennen kommen die Radathleten an jedem Streckenabschnitt nur einmal vorbei. Drohnenabschnitte würden also viel Aufwand für ein paar Sekunden Bildmaterial bedeuten, so Zumstein. Und auch bestehe das Problem der lückenlosen Übertragung von Daten aufgrund des schlechten Mobilfunknetzes in den Bergen.
Ein eingespieltes Team
Am 9. Juni startet die Tour de Suisse 2024 mit einem Zeitfahren in Vaduz. Zumstein und sein Team freuen sich auf den Start. Seine Crew sei gut eingespielt und das sei auch nötig. Denn Live-Übertragungen bedeuten immer Arbeiten auf Hochdruck für die Beteiligten. Da sind hohe Konzentration und eine gute Kommunikation wichtig.
Praktisch blind verstehen müssen sich vor allem die Kamerateams auf den Motorrädern. «Der Kameramann ist fokussiert auf das Rennen, der Fahrer ist verantwortlich für das sichere Manövrieren durch das Rennen.» Damit dies gewährleistet ist, hätten alle für die Tour de Suisse eingesetzten Motorradfahrer rennmässig Velorennen bestritten. Zumstein erklärt: «Sie müssen Rennsituationen erkennen und richtig einschätzen können. Beim Radrennen gilt es, auf Veränderungen richtig zu reagieren. Am Ende sind die Motorradfahrer selbst dafür verantwortlich, dass sie den Athleten nicht im Weg stehen.»
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