Die SRG und Unterhaltung: «Switzerland 365 points»

Die medienpolitische Landschaft in der Schweiz wird zurzeit von vielen Herausforderungen geprägt. Medienjournalist Philipp Cueni liefert darum in dieser Kolumne Fakten und Hintergründe, er ordnet ein und kommentiert. Die Kolumne ist von der Handschrift des Autors geprägt und widerspiegelt somit ab und zu seine persönliche Meinung. Diesmal: Warum Unterhaltung zum Auftrag der SRG gehört.

Der Eurovision Song Contest (ESC) bewegt ein Millionenpublikum und begeistert speziell die Schweiz. Was hat dieses Ereignis in einer medienpolitischen Kolumne zu suchen?

Der Song Contest ist Musik, Show, Unterhaltung. Die SRG ist Teil des ESC, weil er von der EBU, der Union der öffentlichen Rundfunkhäuser Europas, getragen wird. Unterhaltung gehört zum gesetzlich definierten Leistungsauftrag der SRG.

Damit sind wir beim medienpolitischen Aspekt: Ob die SRG überhaupt Unterhaltung anbieten soll, wird aktuell politisch verhandelt. Die zuständige Nationalratskommission verlangt, dass die Konzession für die SRG möglichst bald neu definiert wird. Dabei geht es darum, was die SRG in ihren Programmen anbieten muss und darf.

Bei der Halbierungsinitiative aus SVP-Kreisen («200 Franken Gebühren sind genug») wiederum geht es darum, was die SRG anbieten kann oder eben mit massiv reduziertem Budget künftig nicht mehr kann. Was die SRG darf, soll, kann – bei dieser Debatte ist gerade der Bereich des Entertainments umstritten: Unterhaltung müsse die SRG gar nicht anbieten, dafür brauche es keine Gebührengelder, so argumentieren Kreise, welche die SRG beschneiden wollen. Die einfache Gegenfrage wäre: Welche anderen schweizerischen Medienhäuser können grössere eigenproduzierte Unterhaltungsformate anbieten? Aufwendige Unterhaltungskisten sind teuer.

«Sind Unterhaltungsformate Eigenproduktionen mit einem Bezug zur Schweiz, kosten sie massiv mehr als zum Beispiel eingekaufte US-Shows.»

Philipp Cueni, Medienjournalist

Sind es Eigenproduktionen mit einem Bezug zur Schweiz, kosten sie massiv mehr als zum Beispiel eingekaufte US-Shows. Das Gebührensystem macht es aber möglich, grosse Unterhaltungsshows zu finanzieren und einem breiten Publikum frei zugänglich zu präsentieren. Die Gebührenzahlenden konnten am 11. Mai für den einen Franken pro Tag die ganze ESC-Show geniessen. Und ebenso das Infoprogramm des Tages, das Spitzenspiel im Schweizer Fussball, ein Kunst-Hörspiel und so weiter.

Die Gebühren bewirken noch mehr: Die SRG wird 2025 auch zur Grossveranstalterin. Das Land des Siegerlieds organisiert im Folgejahr den Event vor Ort. Da kommen auf die SRG Kosten von gut 10 Millionen Franken zu, weitere 20 bis 30 Millionen tragen die Host-City, Sponsoren und andere bei. Die in die Unterhaltung investierten Gebührengelder, die Ausgaben für die Produktion des ESC, lösen weitere Effekte aus. Sie führen via Wertschöpfungskette zu Einnahmen in der Privatwirtschaft, z. B. bei Technikzulieferern, Hotels, Restaurants.

Und schliesslich: Der Auftritt als Gastgeber des ESC ermöglicht einem Land, sich vor einem weltweiten Millionenpublikum zu präsentieren – eine kaum zu beziffernde PR-Möglichkeit. Darf, kann die SRG künftig keine Unterhaltung mehr anbieten, wird vermutlich auch dieses Fenster der Schweiz zur Welt ganz verschwinden.

Natürlich soll es bei Unterhaltung nicht einzig um Show, sondern auch um (schweizerische) Bezüge und Werte gehen. Der ESC zeigt, was Unterhaltung alles an gemeinsamen Emotionen auslösen und zum gesellschaftlichen Dialog beitragen kann. Will die Politik die Unterhaltung aus der Konzession der SRG kippen, braucht sie überzeugende Argumente. Und die SRG braucht diesen einen Gebührenfranken pro Tag, um im Entertainmentbereich begeistern zu können.

Text: Philipp Cueni

Bild: zVg

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