Lust auf Zukunft?
Vor einem Jahr wandelte sich der Leitende Ausschuss der SRG Zentralschweiz merklich. Jüngere Kräfte übernahmen das Steuer. Sie stehen stellvertretend für eine Entwicklung, die in der SRG generell spürbar ist.
Vierzehn Jahre Altersunterschied liegen zwischen Olivier Dolder und Miriam Abt. Trotzdem stehen sie beide für die Verjüngung, die der Verein SRG SSR aktuell durchläuft. Vor einem Jahr wurden beide in ihr heutiges Amt gewählt, Dolder zum Präsidenten der SRG Zentralschweiz, Abt zur Ressortleiterin
«Junge Zielgruppen» im Leitenden Ausschuss.
Die Wahl stellt eine Zeitenwende in der Zentralschweiz dar. Die neu zusammengestellte Vereinsleitung wolle neue Impulse bringen, hiess es damals. Ein Verein mit Lust auf Zukunft. Mit ihrem ersten Amtsjahr zeigen sich Dolder und Abt denn auch zufrieden. Berge hätten sie nicht versetzt, aber: «Wir konnten – von jeglichen Altlasten losgelöst – die SRG Zentralschweiz auf einen Weg bringen, der vorwärtsgerichtet ist», sagt der Vereinspräsident. Heute sei in der SRG Zentralschweiz eine Aufbruchstimmung zu spüren. «Das Mindset hat sich verändert. Der Verein und die Mitglieder sind offen für Neues – das müssen wir jetzt umsetzen in Form von attraktiven Angeboten und Veranstaltungen.»
«Die SRG wird auch langfristig über eine solide Basis verfügen.»
Olivier Dolder, Präsident SRG Zentralschweiz
Als neu zusammengesetztes Gremium könne man den Status quo einfacher und unvoreingenommen hinterfragen, sagt Miriam Abt. «Wir wollen Dinge nicht weiterhin auf eine bestimmte Weise machen, nur weil man es immer so gemacht hat.»
Dass die Vereine der Schweiz auf neue Ideen angewiesen sind, ist kein Geheimnis. Die Mitgliederzahlen geraten zunehmend unter Druck als Folge von Überalterung. Um den Nachwuchs buhlt ein stetig wachsendes Angebot. Ausserdem wecken die zunehmenden Optionen bei vielen das Bedürfnis nach weniger Verpflichtungen.
Gleichzeitig sind Vereine Solidaritätsmotoren. Viele davon schaffen einen gesellschaftlichen Mehrwert durch ihr Angebot. Notwendig dafür ist freiwilliges Engagement motivierter Mitglieder. Ohne diesen Einsatz gibt es kein Turnfest, kein Dorftheater, kein Musikfestival, keine SRG.
Überraschend also, dass diese Entwicklungen Olivier Dolder nicht besorgen: «Die SRG wird auch langfristig über eine solide Basis verfügen. Unser Verein hat noch immer einen Reiz für viele», ist der Politikwissenschaftler überzeugt. Engagierte Leute zu finden, sei zwar herausfordernd, aber deshalb noch kein Zeichen eines abnehmenden Solidaritätsbewusstseins. Vielmehr konkurriere man mit anderen Angeboten. «Aktive und interessierte Menschen sind oft bereits eingespannt. Das macht es nicht leicht, sie auch noch für uns zu gewinnen.»
Die Organisationsform als Verein sei für die SRG dennoch alternativlos. «Nur als Verein bleiben wir in der Bevölkerung verankert. Die basisdemokratische Struktur passt zudem zum Schweizer Selbstbewusstsein», so Dolder weiter. Nur könnten die Möglichkeiten zur Partizipation noch niederschwelliger sein. «Mitmachen und Mitdiskutieren darf nicht an komplizierten Organisationsstrukturen scheitern.» Dafür müsse man den Verein auch besser erklären.
Dies hat sich der neue Leitende Ausschuss der SRG Zentralschweiz zum Ziel gesetzt. Gerade beim Nachwuchs. Ziel sei da deshalb nicht immer gleich die Mitgliedschaft, sondern niederschwellig Kontakt herzustellen und aufrechtzuerhalten. Dies gelinge über Veranstaltungen und eine gezielte Kommunikation, erklärt Miriam Abt. Ein Zusatzaufwand, der sich mittelfristig auszahle: «Ändern sich die Lebensumstände, wird das Engagement im Verein plötzlich attraktiver. Das kann auch zehn, fünfzehn Jahre nach der ersten Bekanntschaft mit der SRG sein. Wichtig ist, dass man uns dann bereits kennt.»
Abt studiert Kommunikation und Medien, arbeitet bei Keystone-SDA als Regionalredaktorin und engagiert sich für den Verein «frachtwerk», der ein monatlich erscheinendes Onlinemagazin publiziert. Ihr Umfeld besteht aus jungen, motivierten Medienschaffenden. Sie sagt: «Viele von ihnen kennen das Vereinswesen der SRG zu wenig. Nach meinem Amtsantritt gab es verwunderte Reaktionen, wie es möglich ist, in meinem Alter ein SRG-Mandat zu besetzen.»
«In Sachen Diversität haben wir Luft nach oben.»
Miriam Abt, Vorstandsmitglied SRG Zentralschweiz
Das Interesse sei da, so die 24-Jährige, aber: «Wer SRG hört, denkt an das grosse Medienunternehmen, nicht an die regionalen Vereine. Das führt zum Missverständnis, diese Posten stünden nur Personen mit viel Erfahrung in der Medienbranche offen.» Hier könnten jüngere Gremiumsmitglieder allein durch ihre Präsenz helfen, Hürden abzubauen. Jünger heisst aber noch nicht zwingend vielfältiger.
Dessen sei sich der Leitende Ausschuss bewusst. «In Sachen Diversität haben wir Luft nach oben», sagt Abt. Der Verein müsse weiblicher werden, mehr Menschen mit Migrationsgeschichte einbeziehen und auch Personen ohne direkten Bezug zu den Medien ansprechen, ergänzt Dolder. Um das zu erreichen, habe man erste Massnahmen umgesetzt: Freie Gremienstellen werden konsequent öffentlich ausgeschrieben. Zusätzlich geht man aktiv auf andere Organisationen zu, um deren Netzwerke zur Weiterverbreitung der Stellenausschreibungen zu nutzen. Alles, um über den eigenen Tellerrand hinauszukommen. Und trotzdem, so Dolder: «Eine Patentlösung für mehr Vielfalt in den Gremien haben wir nicht.»
Eine bessere Vernetzung ist für den Leitenden Ausschuss aber nicht nur zur Stellenbesetzung zentral. Darin liege die Chance, den gesellschaftlichen Wert der SRG in Gesellschaftsbereiche zu tragen, die man bisher nicht erreicht. Dolder: «Der Austausch mit Politik, Wirtschaft oder anderen Verbänden eröffnet uns Zugänge zu anderen Gesellschaftsgruppen.»
Ein Austausch, der auch bei einem anderen Projekt zum Tragen kommen könnte: Aktuell plant die SRG Zentralschweiz, ihren Medienpreis zu überarbeiten. «Bisher gab es stets sehr würdige Preisträgerinnen und Preisträger. Aber es wurden in der Regel ältere Personen, darunter viele Männer, für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Wir möchten den Medienpreis regelmässiger, aktueller und zeitgemässer ausgestalten», sagt Olivier Dolder. Das könnte heissen: Mehr Kategorien, mehr Anerkennungen für herausragende journalistische Beiträge statt Ehrenpreise.
Man könne sich auch durchaus vorstellen, mit Privaten zusammenzuspannen, so der 38-Jährige. «Ich habe da keine Berührungsängste.» Bereits im nächsten Jahr soll der erste Zentralschweizer Medienpreis in neuer Form vergeben werden.
Man spürt: Die neue SRG-Zentralschweiz-Führung kommt in Fahrt. Nach dem ersten Amtsjahr konkretisieren sich erste Projekte. Miriam Abt sagt deshalb: «Meine Motivation ist nur gestiegen.» Und Olivier Dolder meint mit einem Lächeln: «Wenn ich 2029 aufgrund der Amtszeitbegrenzung zurücktreten werde, werde ich kaum alle meine Ziele erreicht haben. Und trotzdem glaube ich: Nichts machen ist sicher keine Lösung.»
Zu den Personen
Olivier Dolder, 38, ist Politikwissenschaftler und Projektleiter beim Kanton Schwyz. Er präsidiert die SRG Zentralschweiz seit 2023, davor war er bereits im Leitenden Ausschuss tätig.
Miriam Abt, 24, ist Journalistin und Studentin. Im Leitenden Ausschuss der SRG Zentralschweiz führt sie das Ressort «Junge Zielgruppen», davor war sie im Vorstand der SRG Zentralschweiz aktiv.
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