«DOK» zu Johnny Depp vs Amber Heard vor der Ombudsstelle

Drei Beanstander kritisieren den «Dok» vom 16. April 2024 zu «Johnny Depp vs Amber Heard – Die Macht der Sozialen Netzwerke». Sie monieren, der Film sei einseitig und bediene das Narrativ Mann-Täter, Frau-Opfer. Die Ombudsleute können keinen Verstoss gegen das Sachgerechtigkeitsgebot feststellen.

Darum geht es in der beanstandeten Sendung

Die amerikanische Schauspielerin Amber Heard veröffentlichte in der New York Times einen Artikel zum Thema häusliche Gewalt. Daraufhin reichte Schauspieler Johnny Depp eine Verleumdungsklage gegen seine frühere Ehefrau ein. Der Prozess wurde 2022 live im Fernsehen und Internet übertragen und weltweit beachtet. Online wird die Ex-Frau des Schauspielers durch eine massive Hasskampagne heimgesucht, während Johnny Depp als Held gefeiert wird.

Der beanstandete «Dok»-Film thematisiert die Resonanz, welche der Gerichtsprozess in den Sozialen Medien gefunden hat. Es wird beleuchtet, wie das Internet und Soziale Medien den Prozess und die öffentliche Meinung beeinflussen.

Was wird beanstandet?

Den drei Beanstandungen ist gemeinsam, dass sie den «DOK»-Film und den zugehörigen Online-Artikel als einseitig empfinden. Fakten und Ereignisse würden falsch und nicht sachgemäss dargestellt. Die Zuschauenden könnten sich keine eigene Meinung bilden, monieren sie.

Zudem gehe es nicht um eine unvoreingenommene Annäherung an die Wahrheit, sondern um das Narrativ Mann-Täter, Frau-Opfer. Kritik an Frauen und am Feminismus werde als Anti-Feminismus und als Hassrede dargestellt. Gerechtigkeit für Männer gebe es nur mit «Ausnahmebewilligung», so ein Beanstander.

Zwei der Beanstander sehen im Film die Männer bzw. das Männliche verunglimpft. Für den einen werde Feminismus als etwas Gutes und Maskulinismus als etwas Schlechtes dargestellt. Der andere Beanstander moniert, im Film würden stereotype Vorstellungen über Männer verstärkt. So werde behauptet, Verleumdungsklagen einzureichen sei eine für Männer typische Verhaltensweise und eine bestimmte Form von Männlichkeit.

Was sagt die Redaktion?

Die Doku beleuchte die Beeinflussung des Gerichtsprozesses durch das Internet und Social Media, hält die DOK-Redaktion in ihrer schriftlichen Stellungnahme fest. Das Besondere am Streit zwischen Amber Heard und Johnny Depp sei, dass dieser aufgrund des öffentlichen Gerichtsprozesses in den Sozialen Medien in Echtzeit millionenfach kommentiert worden sei. Der Prozess werde dort von einer beispiellosen Zurschaustellung begleitet. Sie richte sich vor allem gegen Amber Heard. Dies werde vom Film beleuchtet, so die Redaktion.

Beispielsweise dokumentiere der Film, dass Johnny Depps Anwalt Kontakt zu maskulinistischen Influencern gehabt habe und ihnen mutmasslich Tonaufnahmen gegeben habe. Diese hätten das Material zugunsten von Johnny Depp zusammengeschnitten und auf Youtube und Twitter gestellt. Die Zahlen im Internet würden für Johnny Depp sprechen. Die Redaktion zitiert eine im Film zu Wort gekommene Medienexpertin: Es gebe ein grosses ökonomisches Interesse daran, die Frau als die Böse darzustellen. Das werde algorithmisch sehr gut bedient. Online herrsche nach wie vor eine grosse Misogynie vor, die gerne kultiviert werde.

Was sagt die Ombudsstelle?

Die Ombudsleute weisen darauf hin, dass der beanstandete «DOK» nicht den Anspruch erhebe, «die Wahrheit» in der Beziehung Depp-Heard zu ergründen. Er thematisiere, wie von der Redaktion erwähnt, die Resonanz der gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Depp und Heard in den Sozialen Medien.

In welcher Form es zwischen Johnny Depp und Amber Heard zu verbalen oder körperlichen Auseinandersetzungen gekommen sei, sei ausschliesslich Sache der zuständigen Gerichte. Die Gerichtsverfahren sowie die Urteile der Gerichte (englischer Verleumdungsprozess Depp vs «The Sun» und amerikanischer Verleumdungsprozess Depp vs Heard) würden im «DOK»-Film korrekt wiedergegeben, so die Ombudsleute.

Aufgabe der Ombudsstelle ist es zu beurteilen, ob der beanstandete «DOK» die Rolle der Sozialen Medien im vorliegenden Fall auf sachgerechte Art dargestellt hat. Der Bericht zeige auf, dass sich im Verlauf der Auseinandersetzung zwischen Depp und Heard eine Social-Media-Community gebildet habe, die in einer einseitigen und persönlichkeitsverletzenden Art und Weise gegen Amber Heard Stimmung gemacht habe – mit Unterstützung von Johnny Depps Anwalt. Dazu seien auch die Live-Übertragungen der Gerichtsverhandlung instrumentalisiert worden.

Im Zentrum des Berichts stehe, mit welcher Schärfe und Konsequenz gegen eine der Prozessparteien vorgegangen worden sei und dass es sich nicht nur um Aktivitäten von einzelnen Personen gehandelt habe. Bei diesem Fokus des Films sei es nicht von Bedeutung, ob Amber Heard mit ihren Vorwürfen gegenüber Johnny Depp im Recht gewesen sei, so die Ombudsleute.

Der «DOK» gelange zum Schluss, dass die Kampagne in den Sozialen Netzwerken nicht zufällig entstanden sei. Sie sei eine bekannte – und bereits in anderem Zusammenhang aufgetretene – Aktion maskulinistischer Kreise, die sich dem Kampf gegen feministische Positionen verschrieben hätten. Dies werde im «DOK» nachvollziehbar aufgezeigt.

Die im Beitrag geäusserte Kritik richte sich nicht generell gegen Männer oder Männerrechtsorganisationen, betonen die Ombudsleute. Vielmehr stünden ausschliesslich Gruppierungen im Zentrum, die man mit dem wissenschaftlichen Begriff ‹Maskulinismus› (oder ‹Maskulismus›) bezeichne.

Maskulinismus:

Maskulismus oder auch Maskulinismus ist eine politisch ideologische Bewegung, die vordergründig für die Rechte und Bedürfnisse von Männern eintreten will. Maskulisten glauben, Männer würden systematisch benachteiligt, sie seien unterdrückt und unterprivilegiert. Ihr Männerbild ist geprägt von patriarchalen Denkmustern wie auch von Überlegenheitsgefühlen, die auf angeblich natürliche Weise Männern zustehen. Sie gehen einher mit der Abwertung von Frauen und anderen Geschlechtern.

(Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung)

Die Ombudsleute kommen zum Schluss, dass der beanstandete Bericht korrekt sei. Sie halten ihn für gesellschaftlich relevant. Denn, unabhängig davon, ob die Vorwürfe von Heard gegenüber Depp gerechtfertigt seien, die Kampagne gegen Heard sei diskriminierend gewesen. Sie habe die öffentliche Wahrnehmung und Meinung massgeblich beeinflusst. So hält die Ombudsstelle auch die im «DOK» gestellte Frage für berechtigt, ob derart intensive und einseitige Aktivitäten in den sozialen Netzwerken auch die Entscheidungen von Geschworenen und Richtern zu beeinflussen vermögen.

Text: SRG.D/dl

Bild: SRG.D/Illustration Cleverclip

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