Jahn Graf: «Im Parasport geht es darum, Grenzen zu verschieben»

Jahn Graf moderiert während den Paralympics in Paris erneut das Format «Para-Graf», dieses Mal als Livesendung «Para-Graf live». Im Interview spricht er über die gesellschaftliche Anerkennung des Parasports und gibt eine Prognose ab, wie viele Medaillen die Schweiz gewinnen wird.

Jahn Graf, worauf freuen Sie sich bei den anstehenden Paralympics besonders?

Auf die Vielfalt. Bei Parasport denken viele Leute zunächst an die Leichtathletik. Aber die Schweizer Delegation besteht aus 27 Sportler:innen, die aus in den verschiedensten Disziplinen antreten. Auf diesen bunten sportlichen Blumenstrauss freue ich mich.

Seit den Olympischen Spielen in Tokyo 2021 gibt es das Format «Para-Graf», in dem Sie über die Hintergründe des Parasports sprechen. Welche Erfahrungen nehmen Sie aus den vergangenen zwei Paralympischen Spielen mit?

Seit Tokyo ist der ganze Parasport medial grösser geworden, auch in der Schweiz. Wir erleben hier einen starken gesellschaftlichen Wandel. «Para-Graf» hat seinen Teil dazu beigetragen, aber vor allem waren die Wettkämpfe medial präsenter, man kennt die Athlet:innen, weil diese in den letzten Jahren grosse Erfolge feierten. Das hat die Neugierde des Publikums geweckt: Marcel Hug, Manuela Schär oder Nora Meister wurden zu Figuren, die man heute in der Öffentlichkeit kennt.

Zur Person

Seit 2016 ist Jahn Graf als YouTuber aktiv. Auf seinem Kanal «Jahns rollende Welt» spricht der Zuger mit Gästen aus Sport, Politik und Gesellschaft über Barrierefreiheit, gesellschaftliche Normen sowie weitere Themen aus der Lebenswelt von Menschen mit und ohne Behinderung. Selbst ist er seit seiner Geburt spastisch gelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen. Der Dialog zwischen Menschen mit und ohne Behinderung steht im Zentrum seines Schaffens. Aus diesem Grund engagiert sich der 31-Jährige bei Anlässen zum Thema Behinderung regelmässig als Redner, Interviewer oder Moderator.

Ein Erfolgsrezept der Sendung «Para-Graf» ist, dass der Sport im Fokus steht und nicht das Thema der Inklusion.

Die Sportler:innen legen genau darauf viel Wert. Und seit ein paar Jahren merken wir, dass diese Verschiebung der Wahrnehmung von Parasport stattfindet. Dies wiederum hat einen positiven Effekt auf den Sport.

Wie sieht diese Wechselwirkung aus?

Durch die grössere Aufmerksamkeit steigt der Professionalisierungsgrad im Parasport. Es gibt plötzlich Sponsoren, was es den Athlet:innen ermöglicht, den Sport zum Beruf zu machen. Das war beispielsweise in den 1990er-Jahren noch undenkbar. Die Technik wird besser, der Wettkampf kompetitiver. Beim Parasport geht es nicht primär um Inklusion, sondern wie in jedem anderen Spitzensport will man die Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit verschieben. Die verstärkte mediale Berichterstattung zieht schlussendlich junge Menschen in den Parasport, was für die künftige Entwicklung wichtig ist.

«Über die Arbeit bei SRF kann ich Veränderungen anstossen.»

Mit «Para-Graf» wird auch ein Publikum ausserhalb der Paraszene erreicht. Das Thema Inklusion schwingt dabei mit, auch weil Sie selbst als Aktivist sich seit Jahren für einen gesellschaftlichen Wandel einsetzen.

Ja und durch das Format kennt man mich als Person sicher vermehrt. Menschen auf der Strasse oder im Zug erkennen mich. So habe ich gemerkt, dass meine Stimme im öffentlichen Diskurs mehr Gewicht trägt. Ich war aber nie politisch. Was mich interessiert, ist der Dialog. Über die Arbeit bei SRF kann ich in Bezug auf die Medien gewisse Veränderungen anstossen. So möchte ich etwa eine neue Sprache mitprägen, wenn über Behinderung gesprochen wird. Etwa, dass man auf negative Sprachbilder verzichtet. Zum Beispiel vermittelt die Phrase «an den Rollstuhl gefesselt» ein falsches Bild. Auch ist mir wichtig, welche Geschichten erzählt werden. Menschen mit Behinderungen brauchen nicht immer die gleichen Held:innenstorys, die auf Mitleid basieren. Wir möchten, dass es um Inhalte, um Leistungen, um die Menschen geht. Dazu leistet «Para-Graf» einen Beitrag.

Apropos «Para-Graf»: Das Format ändert sich. Was ist geplant?

Die Sendung wird ausgebaut. Statt wie früher 30 Minuten dauert sie nun über drei Stunden. Produziert wird sie dieses Mal live – einmal sogar vor Publikum. Das gibt uns die Möglichkeit, während der Sendung auch nach Paris zu schalten und Wettkämpfe live zu zeigen. Gewisse Bestandteile aus den früheren Folgen bleiben aber bestehen. Wir empfangen weiterhin Gäste und einzelne Formate werden wir auch in diesem Jahr in die Sendung einbauen. Aber durch den grossen Umfang wird es sicher eine neue Erfahrung.

Zum Schluss: Wie wird die Schweiz an den Paralympics in Paris abschneiden?

In Tokyo gab es 14 Medaillen. Ich denke, auch diesmal wird es sich zwischen acht und sechzehn Podestplätzen einpendeln.

Das ist zu wage.

Dann sage ich: Die Schweiz bestätigt die gute Leistung von Tokyo und gewinnt erneut 14 Medaillen.

Live zur «Para-Graf»-Aufzeichnung

Am 31. August 2024 findet im Rahmen des SRF-Themas «Faszination Medien» der SRF-Erlebnistag in Zürich statt. Mit etwas Verlosungsglück haben Sie die Möglichkeit, live bei der Aufzeichnung von «Para-Graf» dabei zu sein.

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Text: Pascal Zeder

Bild: SRF/

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