«Regi»-Archiv: Geschichtsbuch zum Anhören
SRF öffnet die Regionaljournal-Archive für das Publikum. Dadurch werden die Stimmen aus der Nachbarschaft, die das «Regi» über Jahre eingefangen hat, für alle erneut hörbar.
Über 40 Jahre Radioschaffen umfasst das Archiv des Regionaljournals Bern Freiburg Wallis, das seit diesem Jahr für die Öffentlichkeit zugänglich ist. In der Sammlung befinden sich sämtliche «Regi»-Sendungen seit dem Gründungsjahr 1978. Sie fasst die unterschiedlichsten Töne aus der Region zusammen: Vom Nachschiesskurs in Ostermundigen im Jahr 1984 bis hin zur Reportage aus Gondo nach dem verheerenden Bergsturz im Jahr 2000.
«Die Sendungen des Regionaljournals ergeben über die Jahre ein Geschichtsbuch der Region zum Anhören für die ganze Bevölkerung», sagt Manuel Meyer, Co-Bereichsleiter Recherche und Archive bei SRF. Er koordiniert die verschiedenen Archivierungs- und Digitalisierungsprojekte, mit denen historische Bestände von SRF der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Gesellschaftlicher Wandel hörbar
Die audiophile Form ermögliche einen emotionalen Zugang zu den Inhalten, so Meyer. «Gehört sind Geschichten besonders zugänglich. Wir merken dies anhand der positiven Rückmeldungen aus dem Publikum.» Gerade die Nähe zu der Bevölkerung sei ja die Stärke der Regionaljournale.
Die Beiträge des Regionaljournals zeigten auch den gesellschaftlichen Wandel der letzten Jahrzehnte auf, sagt Meyer weiter. So erstaunt es nicht, dass gewisse Aussagen heute irritieren. Als Beispiel nennt er einen Bericht über die erste Tramfahrerin der Stadt Bern 1986. «Der Regi-Redaktor zitiert in seinem Bericht aus der Pressemitteilung der Verkehrsbetriebe. Darin wird die Präsentation der ersten weiblichen Tramchauffeuse als ‹Vorstellung der weiblichen Uniform samt Inhalt› angekündigt, ausserdem wird ihr Beziehungsstatus als ‹noch zu haben› deklariert. Dieser Chauvinismus empört auch den damaligen Redaktor, wie im Beitrag unschwer zu hören ist. Dennoch: Solche Fundstücke erzählen viel über den Zeitgeist der 80er-Jahre.»
Ein Glücksfall für die Redaktion
Christian Liechti, heutiger Redaktionsleiter des SRF Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, sagt: «Die Berichterstattung darüber, was vor meiner eigenen Haustüre passiert, das ist Service public pur. Die Regis waren und sind noch immer stark verankert in der Region. Diese Nähe macht alle Aufnahmen im Archiv aus und macht es spannend, darin zu stöbern.»
«Wir können das Archiv für die Recherche sehr gut nutzen.»
Christian Liechti, Redaktionsleiter Regionaljournal Bern Freiburg Wallis
Für die Redaktion sei das Archiv eine Goldgrube. «Wir können es für die Recherche sehr gut nutzen. Beispielsweise jährte sich im Juli dieses Jahres das Canyoningunglück im Saxetbach zum 25. Mal. Wir finden nun rasch Sendungen, die das Regionaljournal damals dazu produzierte. Vor diesem Hintergrund können wir anschliessend im Rahmen unserer Berichterstattung die Brücke in die Gegenwart schlagen.»
Ein Fundus der Dialekte
Die Sammlung sei neben den Geschichten selbst auch ein riesiger Dialekt-Fundus, so Projektleiter Manuel Meyer. Da alle im Regionaljournal auftretenden Personen in ihrem jeweiligen Dialekt sprechen, leistet die Sammlung einen wichtigen Beitrag zur Dokumentation der Mundart.
Doch nicht nur die Alltagssprache, auch die Aufmachung der Sendungen habe sich über all die Jahre verändert, so Redaktionsleiter Christian Liechti. «Hört man sich alte Beiträge an, merkt man schnell: Die Aussprache, die Sprechhaltung, der Duktus ist anders als bei den heutigen Moderationen.» Aber, so Liechti weiter: «Das journalistische Handwerk ist praktisch gleichgeblieben. Eine Reportage lebt noch immer von den O-Tönen vor Ort, von den Interviews mit Direktbetroffenen, von Einschätzungen anhand eigener Erfahrungen. Das Handwerk mit seinen Regeln bleibt das gleiche.»
Das Archiv des Regionaljournals Bern Freiburg Wallis ist das zweite, das für das Publikum geöffnet wurde. Die Region Zürich Schaffhausen ist bereits für die Öffentlichkeit verfügbar. Bereits abgeschlossen ist die Aufarbeitung des Bestands des Regionaljournal Basel Baselland, die Publikation erfolgt in den kommenden Wochen. Auch die weiteren Regionaljournale sind entweder in Umsetzung oder in Planung. Manuel Meyer sagt: «Es ist unser Ziel, dass die Beiträge aller Regionaljournale möglichst vollständig zur Verfügung stehen, damit die Hörer:innen selbst eintauchen können in die kleinen und grossen Geschichten Ihrer Region.»
Das SRF Archiv
Das SRF Archiv kümmert sich um das audiovisuelle Kulturerbe von Schweizer Radio und Fernsehen und präsentiert regelmässig Archivperlen aus ihrem riesigen Fundus. Interessierte können in Kindheitserinnerungen schwelgen oder miterleben, wie bekannte Sendungen wie beispielsweise «10vor10» zum ersten Mal auf Sendung gingen
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