Podcastboom: Chance für Qualitätsjournalismus?

Der Boom von Audio on demand geht weiter. Podcasts schaffen, was anderen Medienformen schwerfällt: Sie fesseln das Publikum auch mit Langformaten. Das schafft Möglichkeiten für aufwändig recherchierten Journalismus. Die grösste Hürde ist dabei aber die Finanzierung.

Unterwegs im Zug, beim Kochen, beim Joggen: Podcasts haben sich in den letzten Jahren zum Massenmedium entwickelt. Und die Nutzungszahlen steigen weiter an, auch in der Schweiz. Laut dem IGEM-Digimonitor 2024 der Interessengemeinschaft Elektronische Medien Schweiz (IGEM) hören fast zwei Drittel der Bevölkerung ab und zu Podcasts.

Podcast ist nicht gleich Podcast

Die Schweiz ist kein Einzelfall, ähnliche Zahlen liefern Erhebungen aus Deutschland oder den USA. Und parallel zu den Nutzenden sei auch das Angebot stark gewachsen, sagt Cheyenne Mackay. Sie ist Head of Content bei Podcastschmiede, einer auf Podcasts spezialisierten Storytelling-Agentur, Mitgründerin des Sonohr-Festivals sowie ehemalige Radioredaktorin bei SRF. Sie schätzt alleine die Zahl der Schweizer Produktionen auf heute weit über 1000. Sie sagt: «Vor zehn, fünfzehn Jahren waren wir eine sehr überschaubare Community, heute ist der Markt riesig.»

Das habe auch damit zu tun, dass Podcast ein vielfältiges Genre ist: «Podcast alleine bedeutet nur, dass es Audioinhalt on demand ist – also nicht wie im Radio zeitlich linear ausgestrahlt wird. Wie diese Form ausgestaltet ist, kann völlig unterschiedlich sein: vom Gespräch unter zwei Freunden über das Leben bis zu mehrteiligen und aufwändigen journalistischen Recherchen.»

Die wachsende Beliebtheit erklärt sich Mackay damit, dass Podcasts heute eine Lücke füllen würden, welche sich in der Radioberichterstattung der letzten Jahre aufgetan hat. «Die Vielfalt der Beiträge wurde beschnitten, Hintergrund und vertiefte Auseinandersetzung wurde immer mehr gekürzt.» Podcasts springen hier in die Bresche. Aber natürlich profitierten sie auch vom veränderten Nutzungsverhalten, weg vom Linearen hin zur zeitlich unabhängigen Nutzung. «Vergleichbar mit dem Wandel von TV hin zu Streamingangeboten», so Mackay.

Aber Podcasts hebe sich auch inhaltlich vom einstigen Radioprogramm ab. «Viele Formate fokussieren sich mit einem ganz spezifischen Thema auf ein Nischenpublikum. Für das Publikum von Massenmedien wären die Inhalte zu wenig spannend, man könnte sie nicht im Radio laufen lassen. Die Community, die sich für die im Podcast behandelten Fragen interessiert, wird aber dafür ganz spezifisch abgeholt.»

Physische Nähe zum Gehörten

Podcasts schaffen dabei etwas, womit andere Medien zunehmend Mühe bekunden: Während durch die Digitalisierung und die Beliebtheit von Social Media Inhalte immer kürzer präsentiert werden, schaffen es Podcasts, die Aufmerksamkeit des Publikums während längerer Zeit für sich zu beanspruchen. Der Audiojournalismus on demand hat damit das Potenzial, lange Recherchen zu präsentieren, teils stundenlang und auch über mehrere Episoden hinweg.

Doch warum ist das so? «In Podcasts sind Authentizität und Transparenz zentrale Elemente des Storytellings. Die Moderation geschieht mehr auf Augenhöhe, man lädt die Hörer:innen ein, bei der eigenen Erkenntnissuche dabei zu sein.» Das sei ein grosser Unterschied zum klassischen Audiojournalismus. «In journalistischen Podcast-Geschichten gibt es öfter Eingeständnisse, wo die eigene Recherche an Grenzen stösst oder dass es noch offene Fragen gibt», so die Expertin.

Plattformen der SRG am beliebtesten

Die beliebteste Podcastplattformen sind seit 2023 erstmals jene der SRG-Unternehmenseinheiten SRF, RTS und RSI. Die internationalen Streamingplattformen Spotify und Youtube liegen nur bei der jungen Zielgruppe unter 35 Jahren noch immer höher im Kurs, wenn es ums Hören von Podcasts geht.

Quelle: IGEM-Digimonitor 2023

Diese Nahbarkeit führe dazu, dass das Publikum eine parasoziale Beziehung zu dem oder der Podcaster:in aufbaue. Man fühle sich mit den Menschen verbunden, welche die Geschichte erzählen, so Mackay. Das liege aber nicht nur an der Erzählform, sondern auch mit der physischen Nähe der Hörenden zum Podcast, ist sie überzeugt. «Podcasts werden, anders als Radio, oft über Kopfhörer gehört. Dadurch hat man die Person, die spricht, direkt im Ohr. Das macht das Storytelling sehr intim.»

Monetarisierung ist schwierig

Podcasts seien die Demokratisierung des Audios, wie dies Youtube für Video war, so Mackay weiter. «Jede:r kann heute Podcasts machen, es braucht wenig Equipment und die Softwares sind heute extrem bedienungsfreundlich.» Und genau wie beim Video entstehe dadurch ein Qualitätsgefälle zwischen professionellen und Laienproduktionen. «Technisch ist ein Podcast heute vergleichsweise einfach umzusetzen. Aber Elemente wie Dramaturgie, Storytelling sowie eine ansprechende Moderation gehören zum Handwerk des Audio-Journalismus.»

Die grösste Herausforderung für Podcastmacher:innen sei die Monetarisierung ihres Produkts, so Mackay. Speziell in der Schweiz: «Die Deutschschweiz ist mit fünf Millionen Menschen ein marginaler Markt. Viele Leute hier hören wohl mehr deutsche Produktionen.» Gleichzeitig gebe es kaum Förderung für breit recherchierten Audiojournalismus on demand, deshalb sei die wichtigste Einnahmequelle heute die Werbung. «Für genügend Werbeeinnahmen braucht ein Podcast aber immer eine gewisse Reichweite. Ohne finanzielle Mittel oder eine Kooperation mit einem grossen Medienhaus ist diese aber schwer zu erreichen. Es ist leider eine Huhn-Ei-Situation.»

Diese Schwierigkeit hat auch die Stiftung Radio Basel erkannt, die 2019 den Förderpreis «KatalysatOhr» ins Leben gerufen hat. Damit werden Audio-Beiträge aus der Schweiz gezielt mit Geld, aber auch mit professionellen Produktionsmöglichkeiten im Basler Radiostudio unterstützt. Der Preis steht allen Personen mit Wohnsitz in der Schweiz offen.

Vergeben wird der «katalysatOhr» am SONOHR Radio und Podcast Festival, das von Cheyenne Mackay mitgegründet wurde. Sie betont die Wichtigkeit solcher Förderpreise, gerade aufgrund der technischen Unterstützung. Aber: «Eine umfangreiche, unabhängige Recherche überstiegen die Produktionskosten eines professionell hergestellten Audioformats deutlich. Es gibt jedoch noch immer zu wenige Angebote zur finanziellen Förderung, weshalb die Dichte an gut recherchierten und spannend erzählten Geschichten aus der Schweiz leider noch zu tief ist. Hier gibt es noch immer ein grosses Potenzial.»

«katalysatOhr» 2024: Ausschreibung läuft

Bis am Montag, 16. September läuft die Ausschreibung für die diesjährige Ausgabe des Audio-Wettbewerbs «katalysatOhr». Der Preis, den die Stiftung Radio Basel vergibt, fördert unabhängig produzierte Podcasts und Hörspiele aus der ganzen Schweiz. Er wird im Rahmen des SONOHR Radio und Podcast Festivals vergeben.

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Text: Pascal Zeder

Bild: zVg

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