Keine False-Balance in «Wunderheiler»-Reportage
«Reporter» erzählt die Geschichte des Heilpraktikers Hannes Jacob. Dessen selbst erfundene Methode soll gegen diverse Beschwerden helfen. Fehlte dieser Reportage die kritische Einordnung? Die Ombudsstelle sagt: nein.
Darum geht es in der beanstandeten Sendung
«Reporter» porträtierte am 17. April 2024 Hannes Jacob. Der gebürtige Appenzeller lebt in Neuenburg und bietet dort die Heilmethode «Extraktion von pathologischer Information», kurz EPI, an, die er selbst erfunden hat. EPI soll wirksam sein zur Behandlung verschiedener Krankheiten, speziell Allergien. Wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit der Methode gibt es keine. Jedoch versuche Jacob seit Jahren, seine Behandlungserfolge im Rahmen medizinischer Studien untersuchen zu lassen. Dies habe bisher nicht geklappt, aufgrund von Vorbehalten und fehlender Offenheit seitens der Vertretenden der Schulmedizin, wie «Wunderheiler» Jacob ausführt.
«Reporter» vom 17. April 2024
«Reporter» vom 17. April 2024
Was wird beanstandet?
Vier Beanstandungen monieren, der Beitrag zeige einseitig die Sicht von Hannes Jacob. Diese False Balance sei problematisch, da die Methoden solcher «Wunderheiler» äusserst zweifelhaft seien. Es fehle eine kritische Einordnung seitens einer Fachperson oder des Journalisten. Die in der Reportage verhandelte Heilmethode sei Teil eines Geschäftsmodells, das mit der Verzweiflung von Menschen spiele. Ein unkritischer Beitrag über ein solches Angebot und dessen Erfinder verletze deshalb die journalistische Verantwortung. Gerade Personen mit chronischen Krankheiten könnten durch den Beitrag dazu verleitet werden, sich unwirksamer und teurer Behandlungen zu unterziehen.
Was sagt die Redaktion?
Die Redaktion weist die Vorwürfe zurück. Zum einen sei das Reportagemagazin «Reporter» immer und ganz bewusst fokussiert auf eine Person. Diese werde möglichst eng begleitet, um aktuelle Themen anhand der Geschichte dieser Protagonist:innen zu erzählen.
Hannes Jacob biete seine Therapie in der Romandie seit Jahren mit beachtlichem Erfolg an. In der Deutschschweiz sei er aber weitgehend unbekannt. Er verspreche niemandem Heilung und sehe sein Angebot als komplementär, nicht alternativ zur Schulmedizin.
Die Sendung habe nie zum Ziel gehabt, die energietherapeutischen Heilmethoden wissenschaftlich umfassend abzubilden. Doch die Reportage zeige auf, dass Jacobs Arbeit teils grosse Erfolge, teils kleine und grosse Verbesserung in der Empfindung der Patient:innen, aber durchaus auch Misserfolge zu verzeichnen habe. Aus diesem Umstand mache auch der «Wunderheiler» kein Geheimnis. Im Gegenteil wünsche er sich eine fundierte wissenschaftliche Prüfung der EPI, die ihm bisher seitens der Forschung aufgrund fehlender Offenheit seitens der Schulmediziner:innen verwehrt werde. Darin sehe Jacob auch die fehlende wissenschaftliche Evidenz für seine Heilmethode begründet.
Was sagt die Ombudsstelle?
Die Ombudsstelle schreibt, nicht schulmedizinische Heilmethoden würden von einem nicht geringen Anteil der Bevölkerung in Anspruch genommen. Viele erhofften sich davon die Linderung länger andauernder Beschwerden. Die Diskussion um deren Wirkungsgehalt sei bereits alt.
Eine Anpreisung zweifelhafter Behandlungsmethoden geschehe im «Reporter»-Beitrag indes nicht. Im Gegenteil blieben viele Fragen offen, die Machart der Reportage lasse auch Zweifel an der Arbeit von Hannes Jacob zu. Der rund 33-minütige Beitrag habe nicht zum Ziel, die kontroversen Positionen zum Thema esoterische «Wunderheiler» auszuleuchten, sondern stelle vielmehr eine schillernde Persönlichkeit in den Mittelpunkt. Weiter erzählten diverse Personen von der erfolgreichen Therapie, unter anderem sei auch der Autor des Beitrags von seiner Pollenallergie geheilt worden. Jacob führe aus, dass er an einem engeren Austausch mit der Schulmedizin interessiert wäre, bisher mit seinen Kontaktversuchen aber aufgelaufen sei.
Die Ombudsstelle stellt fest, dass weder der Journalist noch Jacob selbst die präsentierte Therapie als Alternative zur Schulmedizin präsentiere. Im Gegenteil werde die Komplementarität des Angebots betont. Damit stützt die Ombudsstelle die Argumentation der Redaktion.
Erfolgreich, so die Ombudsstelle weiter, sei EPI vor allem bei Krankheiten, die massgeblich durch die Lebenssituation der Erkrankten geprägt seien (zum Beispiel Schmerzsymptomatiken) oder denen erfahrungsgemäss diffuse oder nicht bekannte Ursachen zugrunde lägen (zum Beispiel Lebensmittelintoleranzen, Allergien), so dass Placebo-Effekte, psychische Faktoren oder (auto-)hypnotische Wirkungen eine zentrale Rolle spielen könnten.
Der Beitrag stelle also ein zulässiges Porträt einer Person dar. Das Publikum erhalte so Einblick in eine Lebensrealität, die für viele Menschen in der Schweiz existiere. Dass Zuschauer:innen, die an Therapien bei sogenannten «Wunderheilern» interessiert sind, auf Jacob aufmerksam würden, lasse sich dabei nicht vermeiden. Es sei aber sowieso ein Leichtes, ihn und seine Methode im Internet ausfindig zu machen.
Einen Verstoss gegen das Sachgerechtigkeitsgebot von Art. 4 des Radio- und Fernsehgesetzes stellt die Ombudsstelle deshalb nicht fest.
Kommentar
Kommentarfunktion deaktiviert
Uns ist es wichtig, Kommentare möglichst schnell zu sichten und freizugeben. Deshalb ist das Kommentieren bei älteren Artikeln und Sendungen nicht mehr möglich.