Mehr Klarheit und Einordnung zum AHV-Rechenfehler gefordert
Die «Tagesschau»-Hauptausgaben vom 6. und 7. August 2024 thematisierten den Rechenfehler des Bundesamts für Sozialversicherungen betreffend künftiger AHV-Ausgaben. Zwei Beanstander monierten unkorrekte Angaben sowie zu wenig Einordnung des Rechenfehlers. Die Ombudsleute unterstützen die Beanstandungen.
Darum geht es in der beanstandeten Sendung
Die «Tagesschau» vom 6. August 2024 berichtete über den Rechenfehler des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) bei der Projektion künftiger AHV-Ausgaben. Exponent:innen der SP und FDP sowie der stellvertretende Direktor des BSV kamen zu Wort. Anschliessend sprach der Bundeshausredaktor mit dem Moderator über das schwindende Vertrauen der Bevölkerung in die Politik und über mögliche politische Konsequenzen des Rechenfehlers.
Am Folgetag korrigierte die «Tagesschau» eine Aussage des Moderators vom Vortag: Das BSV habe sich nicht um 4 Mrd. pro Jahr verrechnet, sondern für das Jahr 2033. Die «Tagesschau» erwähnte zudem, die Information des BSV zum Rechenfehler sei irreführend gewesen. Schliesslich ordnete ein Kommunikationsexperte die Kommunikation des BSV ein.
Was wird beanstandet?
Zwei Beanstander kritisieren den «Tagesschau»-Beitrag vom 6. August. Während ein Beanstander die Informationen im Beitrag als «nur zum Teil korrekt» bezeichnet, moniert der andere, die «Tagesschau» habe den Sachverhalt willentlich falsch dargestellt. Ausserdem habe SRF die Medienmitteilung des Eidgenössischen Departementes des Innern «konstruiert» und auf absurde Art und Weise interpretiert. Man habe auch vermieden, den erwähnten Betrag einzuordnen. Er kritisiert zudem den «Tagesschau»-Beitrag vom 7. August. Nach der Klarstellung habe man dem BSV unterstellt, «nicht die ganze Wahrheit» kommuniziert zu haben.
Was sagt die Redaktion?
Die «Tagesschau»-Redaktion räumt ein, der Moderator habe im Beitrag vom 6. August in seiner An- und Zwischenmoderation fälschlicherweise von «4 Milliarden pro Jahr» gesprochen. Das sei ärgerlich, jedoch ein Fehler in einem Nebenpunkt. Die Redaktion weist den Vorwurf, der Fehler sei willentlich geschehen, entschieden zurück. Insgesamt sei der Sachverhalt korrekt dargestellt worden, so die «Tagesschau»-Redaktion. Denn der Fokus des Beitrags habe auf den möglichen politischen und rechtlichen Konsequenzen des BSV-Rechenfehlers gelegen und nicht auf der Grösse des BSV-Rechenfehlers. Man habe korrekt berichtet, wie verschiedene Kreise auf den Rechenfehler des BSV reagierten und entsprechende Massnahmen forderten.
Der Beitrag gebe ebenso korrekt wieder, dass die finanzielle Zukunft der AHV nicht so schlecht sei wie vom Bund ursprünglich berechnet. Aus der im Beitrag gezeigten Grafik sei erkennbar, dass es sich bei der Zahl von 4 Milliarden um ein Total handle. Den Fehler bei der Moderation habe man jedoch selbst erkannt und so schnell wie möglich korrigiert, nämlich im ersten Beitrag der «Tagesschau»-Hauptausgabe am Folgetag.
Thema des Beitrags am Folgetag sei ausserdem die irreführende Information seitens BSV gewesen. Die Nachfrage bei einem Kommunikationsexperten erachtet die «Tagesschau»-Redaktion als berechtigt, auch wenn die eigene Berichterstattung am Vortag nicht einwandfrei ausgefallen sei.
Was sagt die Ombudsstelle?
Die Ombudsleute bestätigen, dass die Medienmitteilung des BSV nicht durchwegs präzise gewesen sei und bei SRF und anderen Medien für Verwirrung gesorgt habe. Das BSV habe am 6. August 2024 nebst einer Medienmitteilung auch zwei Anhänge veröffentlicht. In einer Grafik im ersten Anhang seien die jeweiligen Abweichungen in den Berechnungen pro Jahr (für die Jahre 2027 bis 2033) dargestellt. Die Gesamtsumme der Abweichungen werde in der Medienmitteilung des BSV hingegen nicht erwähnt und auch nicht in der Grafik als Summe ausgewiesen. Die Grafik weise die Zahlen jedoch für jedes einzelne Jahr aus. Es wäre also möglich gewesen, die Gesamtsumme von rund 14.2 Milliarden durch eine einfache Addition zu errechnen, finden die Ombudsleute.
Somit sei nicht nur die Aussage im «Tagesschau»-Beitrag vom 6. August unpräzise gewesen, wonach die Abweichung 4 Milliarden pro Jahr» betrage. Auch die Aussage, es gebe eine «Abweichung von 4 Milliarden», wäre nicht korrekt gewesen.
Der Argumentation der Redaktion, die falsche Aussage der Moderation sei ein Fehler in einem Nebenpunkt, können die Ombudsleute nicht folgen. Der «Tagesschau»-Bericht vom 6. August habe fünf Minuten gedauert und sei einer der zentralen Beiträge der Sendung gewesen. Nach Ansicht der Ombudsleute wäre ein präziserer Umgang mit den vom BSV kommunizierten Zahlen möglich und notwendig gewesen. Gerade weil es um die Glaubwürdigkeit der Verwaltung gehe und auch darum, ob das Abstimmungsresultat zur Erhöhung des Frauenrentenalters rechtlich noch Bestand habe.
Die Dimensionen der Abweichungen seien für die Zuschauerinnen und Zuschauer schwierig einzuschätzen. Deshalb wäre in den Augen der Ombudsleute eine Einordnung und Bewertung wichtig gewesen, um sich eine eigene Meinung über das Ausmass und die Auswirkungen der Fehlberechnungen auf die mittelfristige Finanzierung der AHV bilden zu können. Die im Beitrag gezeigte Grafik sei nicht näher erläutert worden und für die Zuschauerinnen und Zuschauer kaum nachvollziehbar gewesen.
Die Ombudsleute sehen im «Tagesschau»-Beitrag vom 6. August somit das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt.
In der «Tagesschau» vom 7. August sei die am Vortag gemachte Aussage zur Schätzabweichung von «4 Milliarden pro Jahr» berichtigt worden. Darauf sei Kritik an der Kommunikation des BSV erfolgt. Es werde nach Ansicht der Ombudsleute allerdings der Eindruck erweckt, das BSV habe in seiner Kommunikation einen Teil der Zahlen verschwiegen. Doch die Berechnungsdifferenzen für die einzelnen Jahre vom BSV seien sehr wohl umfassend bekanntgegeben worden. Lediglich das Total für die Jahre 2027-2033 sei vom BSV nicht genannt worden.
Nach Auffassung der Ombudsleute wäre es angebracht gewesen, im Beitrag vom 7. August Klarheit zu schaffen. So hätte die Kritik an den Formulierungen des BSV bzw. dessen Unterlassung, das Total der Ausgabendifferenzen zu nennen, näher erläutert werden sollen. Dies hätte es den Zuschauerinnen und Zuschauern erlaubt, sich eine eigene Meinung darüber zu bilden, inwieweit das BSV «Teilwahrheiten» verbreitet habe.
Die Ombudsleute sehen deshalb auch im Beitrag vom 7. August das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt.
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