Carte Blanche: Peter Küchler über sogenannte «Staatsmedien»

Zur Person

Peter Küchler ist Inhaber eines Kommunikationsbüros und Mitglied des Leitenden Ausschusses der SRG Zentralschweiz.

Für die neue Ausgabe unseres Mitgliedermagazins «LINK» erhält Peter Küchler, Mitglied des Leitenden Ausschusses der SRG Zentralschweiz die Carte Blanche. Er denkt darin über den Begriff der «Staatsmedien» nach, der heute im politischen Diskurs oft (zu) sorglos verwendet wird.

Der Chefredaktor der Wochenzeitung «Yangon Times» schaute mich ungläubig an: «Gibt es niemanden, der den Inhalt der Zeitungen vor dem Abdruck kontrolliert?» «Nein, das liegt in der Eigenverantwortung der Blätter», entgegnete ich wie selbstverständlich. «Gibt es keine Sanktionen bei einem Verstoss?» – «Höchstens Empfehlungen, in ganz seltenen Fällen ein Gerichtsverfahren.» In ironischem Unterton fügte ich hinzu: «Ein wenig Kontrolle wäre der Medienqualität in der Schweiz nicht abträglich.» Er lachte herzhaft und zeigte mir die nächste Ausgabe – mit dem Datum in acht Tagen.

2011 weilte ich in Myanmar und hatte Gelegenheit, verschiedene Medien zu besuchen. Land und Leute waren im Aufbruch – von der Militärdiktatur in eine vermeintliche Demokratie. Der Informationsminister dachte laut über die Abschaffung der Zensur nach. Medienschaffende unter den politischen Häftlingen sollten aus den Gefängnissen entlassen werden.

Die wenigen staatlichen Tageszeitungen wurden vom Informationsministerium herausgegeben. Alle anderen Printmedien durften nur wöchentlich erscheinen und unterlagen immer noch einer strengen Zensur. Diese «Journals» waren meist eine Woche vor dem eigentlichen Veröffentlichungsdatum fertig. Der Entwurf wurde anschliessend während zwei bis drei Tagen vom Informationsministerium geprüft. Vor Drucklegung mussten beanstandete Berichte ausgewechselt oder angepasst werden. Bei Verstoss gegen die Zensurauflagen hatte der Chefredaktor beim Ministerium eine Unterlassungsurkunde zu unterzeichnen. In schweren oder sich wiederholenden Fällen wurde die Zeitung für zwei, drei Wochen eingestellt. Während meines Aufenthalts war dieses Schicksal den «True News» widerfahren. Inzwischen hat sich die Lage in Myanmar drastisch verschlechtert.

Wie sorglos Begriffe wie «Staatsmedien» und «Zensur» als rhetorische Floskeln in unserem (medien) politischen Diskurs verwendet werden, dürfte nicht nur den Chefredaktor der «Yangon Times» verwundern.

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Text: Peter Küchler

Bild: zVg

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