SRG und private Medien: «Geschlossen gegen Übermacht der Tech-Plattformen»

Die wahre Herausforderung für Schweizer Medien liegt nicht in der gegenseitigen Konkurrenz, sondern im gemeinsamen Widerstand gegen die wachsende Macht der Tech-Giganten, erklärt Medienforscher Mark Eisenegger.

Zur Person

Prof. Dr. Mark Eisenegger forscht über den digitalen Strukturwandel der Öffentlichkeit, Qualität der Medien und den Wandel von Organisationskommunikation. Seit 2020 ist er Co-Direktor und Studienprogrammdirektor am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung (IKMZ) der Universität Zürich. Er leitet das Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög).

Mark Eisenegger, auch dieses Jahr hat das Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich die Veränderungen in der Schweizer Medienlandschaft analysiert. Was sind die zentralen Erkenntnisse?

Unsere Untersuchung hat ergeben, dass Nutzer:innen der SRG-Nachrichtenangebote auch häufiger private Medien, das heisst Boulevard- und Pendlerzeitungen sowie Abonnementmedien, konsumieren. Wir haben in unserer Untersuchung keine Hinweise darauf gefunden, dass die SRG-Nutzung etwas zu tun hat mit der relativ geringen Zahlungsbereitschaft für Online-Nachrichten. Die Nutzung öffentlicher Medien ergänzt also private Angebote, anstatt sie zu verdrängen. Dieser Befund ist besonders in einer Zeit wichtig, in der viele private Medienhäuser aufgrund sinkender Abo- und Werbeeinnahmen unter wirtschaftlichem Druck stehen.

Wie wurde diese Studie methodisch aufgebaut und wie stellen Sie die Glaubwürdigkeit sicher?

Unsere Untersuchung hat methodisch für die Schweiz das repliziert, was andere internationale Studien für andere Länder auch untersucht haben. Diese internationalen Studien haben sich auf die gleiche Datengrundlage wie wir abgestützt – den Reuters Digital News Report. Die Methodik dieser Studien wurde einem wissenschaftlichen Peer-Review-Verfahren unterzogen, genügt also höchsten wissenschaftlichen Standards.

Was sagen Sie zur Kritik der Verleger, die weiterhin davon ausgehen, dass die SRG private Medienangebote verdrängt?

Die Verleger vertreten die «Crowding-out»-These und befürchten, dass SRG-Angebote die Nutzung privater Nachrichtenmedien beeinträchtigen. Unsere Daten zeigen das Gegenteil: Die SRG fördert durch ihre Berichterstattung offensichtlich ein Interesse an Journalismus, was auch privaten Medien zugutekommt. Wir haben das empirisch nicht untersucht, aber ich vermute, dass Nutzer:innen, die sich für vertiefte Meinungen und Kommentare interessieren, ergänzend auf private Abonnementmedien zurückgreifen. Dies lässt sich gut an politischen Grossereignissen wie den kürzlichen US-Wahlen veranschaulichen: Während die SRG online auf eine nüchterne Faktenvermittlung setzte, lieferten private Anbieter rasch Kommentare. Da die SRG in der Öffentlichkeit ein emotional diskutiertes Thema ist, war es keine Überraschung für uns, dass es Gegenwind gab. Trotzdem hatten wir gehofft, dass auch SRG-kritische Stimmen der vorgelegten Evidenz offen gegenüberstehen.

«Die eigentliche Bedrohung für private Medien sind die globalen Tech-Plattformen.»

Inwiefern könnte eine starke SRG die privaten Medien stärken?

Die regulatorischen Beschränkungen der SRG im Online-Bereich spielen den privaten Anbietern in die Karten, da Inhalte ohne einen audiovisuellen Sendungsbezug ein Längenlimit haben und zudem 75 Prozent der SRG-Inhalte einen audiovisuellen Bezug aufweisen müssen. Die eigentliche Bedrohung für private Medien sind die globalen Tech-Plattformen, die einen Grossteil der Werbeeinnahmen abziehen und journalistische Inhalte ohne angemessene Vergütung nutzen. Eine stärkere Kooperation, etwa durch gemeinsame digitale Infrastrukturen oder den Einsatz gemeinsamer Technologien, könnte den Medienplatz Schweiz stärken und auch kleineren Anbietern helfen. Es ist notwendig, dass SRG und private Medienhäuser geschlossen gegen die Übermacht der Tech-Plattformen auftreten.

Welche weiteren Herausforderungen durch Tech-Plattformen sehen Sie für die Schweizer Medienlandschaft?

Ein erheblicher Teil der Werbeeinnahmen fliesst an Plattformen wie Google und Meta, die journalistischen Inhalte zudem oft verwenden, ohne den Journalismus angemessen zu entschädigen. Ein Leistungsschutzrecht könnte helfen, indem Medienhäuser für die Nutzung ihrer Inhalte vergütet werden. Die Situation wird durch KI zusätzlich verschärft, da Inhalte häufig ohne Quellenangabe genutzt werden. Wenn KI-generierte Inhalte zur Norm werden, ohne dass journalistische Quellen sichtbar sind, wird das Vertrauen der Nutzer:innen leiden. Es braucht dringend einheitliche Regelungen und Standards, damit die Transparenz und Glaubwürdigkeit der Medien gewahrt bleibt.

Wo sehen Sie Chancen für eine intensivere Zusammenarbeit zwischen SRG und privaten Medien?

Ein grosses Potenzial liegt in der Förderung der Medienkompetenz. Die SRG und private Medien könnten zusammenarbeiten, um das Interesse an Nachrichten und Politik zu stärken. Initiativen wie YouMedia oder CheckNews in der Schweiz oder solche wie UseTheNews in Deutschland sind gute Vorbilder, um Nachrichtenverzicht entgegenzuwirken. Medienkompetenz ist nicht nur für das Medienverständnis wichtig, sondern auch, um politische Bildung und demokratische Teilhabe zu fördern.

«Internationale Studien zeigen, dass viele Menschen Nachrichten als zu negativ empfinden.»

Viele Menschen konsumieren immer weniger Nachrichten. Was können die SRG und private Medien tun, um diesem Trend entgegenzuwirken?

Internationale Studien zeigen zum Beispiel, dass viele Menschen Nachrichten als zu negativ empfinden. Dem könnte konstruktiver Journalismus entgegenwirken. Dieser spricht nicht nur Probleme an, sondern zeigt auch Lösungsansätze auf.

Wie könnte die SRG langfristig das Mediensystem unterstützen und stärken?

Besonders wichtig ist, dass SRG und private Medien gemeinsam Medienkompetenz in Schulen fördern, damit junge Menschen Qualitätsjournalismus und dessen Bedeutung für die Gesellschaft zu schätzen wissen. Da wird bereits einiges gemacht. Ein gesunder publizistischer Wettbewerb zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Medien stärkt letztlich das gesamte Schweizer Mediensystem. Medienpolitisch wäre eine kanalunabhängige Medienförderung, die auch Online-Angebote unterstützt, ein wichtiger Schritt.

Die Studie

Mit dem Jahrbuch Qualität der Medien untersucht das fög – Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich jährlich die Veränderungen in der Schweizer Medienlandschaft. Die Herausgeberinnen und Herausgeber liefern darin aktuelle Kennzahlen zur Medienqualität, Mediennutzung, Medienkonzentration und Finanzierung sowie zur Entwicklung des Schweizer Mediensystems. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.

Soll die SRG stärker mit den Privaten zusammenarbeiten? Diskutieren Sie in den Kommentaren mit!

Text: Nicole Krättli

Bild: zVg

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