Kein Regelverstoss bei «SRF impact» zu Japan-Hype

Der «Japan-Hype» in der Schweiz war Thema des Onlineformats «SRF Impact» vom 9. Oktober 2024. Ein Beanstander kritisiert den Beitrag als tendenziös und nicht ausgewogen. Die subjektive Meinung der «Impact»-Journalistin werde als Fakt dargestellt. Die Ombudsleute sehen es anders.

Darum geht es in der beanstandeten Sendung

«SRF Impact» beschäftigte sich am 9. Oktober 2024 mit dem Japan-Hype. In ihrer Reportage taucht Host Anik Leonhardt ein in die Welt von Mangas (Comics) und Animes (Zeichentrickfilme) und versucht so, den Trend besser zu verstehen. Sie besucht ein Anime-Konzert und interviewt Anime-Fans. Zudem besucht sie eine Japan-Begeisterte und ihre Sammlung zu Hause und nimmt mit ihr an einem Manga-Zeichenkurs teil.

«SRF impact» vom 9. Oktober 2024:
«Japan-Hype in der Schweiz – Woher kommt die Begeisterung für Anime und Co.?»

Was wird beanstandet?

Der Beanstander kritisiert vor allem zwei Aspekte, welche Host Anik Leonhardt im Beitrag unter anderen anspricht: die sexualisierte Darstellung von Frauen in vielen Mangas und Animes und die Frage nach der «kulturellen Aneignung».

«Impact» stufe die Darstellung der Frauen in Animes als problematisch ein, so der Beanstander. Die Meinung der Moderatorin werde als «unangefochtenes ‹Faktum› präsentiert». Es gebe auch andere Sichtweisen auf die Darstellung der Frauenfiguren wie «künstlerische und sexuelle Freiheit» oder «Ausdruck von Selbstbestimmung und Empowerment», findet der Beanstander. Zudem könnten sexualisierte Darstellungen als Teil einer Fantasiewelt gesehen werden, die wenig mit der Realität zu tun» hätten.

Weiter stört sich der Beanstander an der Verwendung des Begriffs «kulturelle Aneignung» durch die Journalistin. Das sei ein «hochideologischer», «notorisch-woker Kampfbegriff». Auch dieser Begriff werde im Beitrag als Faktum verkauft, moniert der Beanstander. Dass dieser Begriff im Beitrag «ohne jegliche anderweitige Einschätzung» so stehen gelassen werde, offenbare eine «linke bis linksextremistische Ansicht im Beitrag», kommt der Beanstander zum Schluss.

Was sagt die Redaktion?

Die verantwortliche Redaktion kann den Vorwurf, der beanstandete Beitrag sei «extrem und unverfroren» und stelle einen neuen Höhepunkt in der «linken Tendenz» der SRG dar, nicht nachvollziehen.

«Impact» habe äusserst sachlich und fundiert über die Beliebtheit von Anime und Manga in der Schweiz berichtet. Die Redaktion weist darauf hin, dass es in einem journalistischen Format angezeigt sei, auch kritische Fragen zu stellen. Das habe nichts mit einer «linken Tendenz» zu tun.

Die Debatte über kulturelle Aneignung habe ihren Ursprung in den USA. Seit mehr als 40 Jahren werde das Phänomen von der Wissenschaft untersucht und in der Öffentlichkeit diskutiert. Spätestens seit einem Konzertabbruch in Bern 2022 seien der Begriff und der Diskurs darüber auch in der Schweiz angekommen. Es werde weiterhin intensiv diskutiert, ob und was unter «kulturelle Aneignung» falle, informiert die Redaktion.

Genau dieser Streitpunkt werde auch in der beanstandeten Reportage aufgegriffen. Bei einer Reportage über eine Kunst, die explizit nur aus einem Land stamme und einer Interviewperson, welche sich intensiv mit der Thematik auseinandersetze, aber nicht aus dieser Kultur bzw. diesem Land stamme, sei es journalistisch zulässig, sie offen darauf anzusprechen. Das bedeute nicht, dass damit die Kritik der kulturellen Aneignung insgesamt bejaht werde. Es sei auch sachgerecht, eine solche Frage zu stellen, ohne gesamthaft über die Existenz einer solchen Praxis zu diskutieren.

Ebenso ist es nach Ansicht der Redaktion berechtigt, über die sexualisierte Darstellung von Frauen zu sprechen: Denn durch die Recherche und Gespräche mit verschiedenen Fachpersonen sei die Existenz der Problematik rund um die sexualisierte Darstellung von Frauen in Mangas und Animes eingehend bestätigt worden. In der Reportage erkläre die Manga-Zeichnerin – und Japanologie-Studentin –, dass die gezeichneten Frauen meistens in Situationen sexualisiert gezeichnet würden, in denen sie nicht aktiv beteiligt seien, dies gegen ihren Willen geschehe oder sie peinlich berührt dargestellt würden. Gleichzeitig werde in der Reportage auch deutlich, dass die Sexualisierung der Frau nicht nur Mangas und Animes betreffe, sondern ein «globales Problem» – auch generell in der Popkultur – sei. Im Beitrag werde ausserdem nicht gesagt, dass sämtliche Frauendarstellungen in Animes und Mangas sexualisiert seien.

Was sagt die Ombudsstelle?

Die Ombudsleute weisen darauf hin, dass sich der beanstandete Beitrag an ein jugendliches Publikum richte. In ungezwungener Art und Weise gehe man der Fragestellung nach, weshalb die japanische Kultur bei vielen jungen Menschen in der Schweiz auf grosses Interesse stosse. Die Ombudsleute erachten die ganze Reportage als informativ und in keiner Weise tendenziös. Es sei das Bestreben der Moderatorin erkennbar, den «Japan-Hype» aufzuzeigen und Gründe für die Beliebtheit der japanischen Kultur und Lebensweise bei jungen Schweizer:innen nachzugehen.

Es ist für die Ombudsleute nachvollziehbar, dass die zum Teil sexualisierte Darstellung weiblicher Figuren in Animes und Mangas angesprochen werde. Dass es solche Darstellungen gebe, sei eine Tatsache. Wie man sie werte und ob man eine solche Bildsprache aus künstlerischen Gesichtspunkten als unproblematisch erachte, sei offenkundig eine Wertungsfrage.

Bei der Diskussion um die Übernahme von künstlerischen Ausdrucksweisen aus anderen Kulturen sei das Thema «kulturelle Aneignung» von einer gewissen Aktualität. Es sei aus diesem Grund zulässig bzw. sogar angebracht, die «zeichnende Japanologie-Studentin» darauf anzusprechen. Ihre differenzierte Argumentation sowie die Tatsache, dass die japanische Regierung die Verbreitung der japanischen Kultur aktiv fördere, würden einen möglichen Einwand der «kulturellen Aneignung» denn auch entkräften.

Insgesamt erreiche der Beitrag sein Ziel, auf den bestehenden «Japan-Hype» hinzuweisen, dessen Hintergründe nachzugehen und das Interesse an Mangas und Animes zu wecken. Die beanstandeten Themen sexualisierte Darstellung und kulturelle Aneignung stünden nicht im Zentrum des Beitrags. Die Zuschauer:innen könnten sich zudem zu allen aufgeworfenen Fragen eine eigene Meinung bilden.

Die Ombudsleute sehen somit keinen Verstoss gegen das Sachgerechtigkeits- und Vielfaltsgebot.

Text: SRG.D/dl

Bild: Screenshot SRF/SRG.D

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