Die Pandemie erneut im Mittelpunkt
Rahmenabkommen, Erneuerbare Energien und die Gendersprache gaben der Ombudsstelle SRG.D gehörig Arbeit. Aber der Grossteil der Beanstandungen ging wie schon 2020 auf «Corona» zurück. Die Ombudsleute fassen zusammen.
Zumindest was die Pandemie betrifft, könnten die beiden Ombudsleute Esther Girsberger und Kurt Schöbi auf den Jahresbericht 2020 verweisen. Denn sowohl von der Arbeitslast als auch von der inhaltlichen Ausgestaltung der Beanstandungen dominierte «Corona» auch das Berichtsjahr 2021. Dank der guten Zusammenarbeit der beiden Co-Leitungspersonen und der Pensenaufstockung auf 140 Prozent, konnten die wiederum über 1000 Beanstandungen fristgemäss abgeschlossen werden. 25 Beanstandungen (2.5 Prozent) wurden ganz, 45 (4.5 Prozent) teilweise gutgeheissen.
Sehr oft wurde beanstandet, man habe zu wenig über die Corona-Demonstrationen berichtet und vor allem die Zahl der Demonstrierenden falsch wiedergegeben. Den Vorwurf der quantitativ ungenügenden Berichterstattung wies die Ombudsstelle regelmässig zurück. Es wurde sehr oft über die Demonstrationen berichtet, aber selbstredend nicht über jede, da der Newsgehalt sich sehr in Schranken hält, wenn zum x-ten Mal demonstriert wird, ohne dass neue Aspekte erwähnenswert wären. Der zweite Vorwurf betraf die Anzahl der Demonstrierenden. Dieser war nicht immer von der Hand zu weisen, was aber in den seltensten Fällen den Redaktionen zuzuschreiben war. Die Polizei und Agenturen nannten Schätzungszahlen, mitentscheidend waren immer auch der Zeitpunkt der Zählung und die Eigeninteressen der Zählenden/Schätzenden.
Dass die Reaktionen der Beanstanderinnen und Beanstander auf Sendungen nicht immer positiv ausfielen, versteht sich angesichts der besonders gegenüber Corona selektiven Wahrnehmung vieler Beanstanderinnen und Beanstander von selbst. Ebenso, dass die vorgebrachten Vorwürfe im Grunde genommen gar nicht die ausgestrahlten Sendegefässe betrafen, sondern ganz allgemein die Unzufriedenheit gegenüber der Politik von Bundesrat und Kantonsregierungen.
Noch stärker als im ersten Pandemiejahr wurde in den Beanstandungen vorgebracht, dass die Minderheitsmeinungen – zum Beispiel die Nebenwirkungen der Impfungen oder die Überlastung der Intensivstationen – zu wenig gehört bzw. zu wenig oft in der Berichterstattung aufgegriffen worden seien. Den Ombudsleuten fiel aber auf, dass die Minderheiten, namentlich die Massnahmegegnerinnen und -gegner, im Vergleich zu dem die Massnahmen als adäquat bezeichnenden Bevölkerungsteil überdurchschnittlich oft zu Wort gekommen sind.
Neben den Abstimmungsvorlagen, von denen vor allem die Initiative über das Verhüllungsverbot zu reden gab, fielen folgende Themen auf, die zu etlichen Beanstandungen führten:
- EU-Rahmenabkommen: Als der Bundesrat im Mai 2021 verkündete, die Verhandlungen über das Rahmenabkommen mit der EU abzubrechen, war die Berichterstattung von SRF flächendeckend und vermochte vorübergehend sogar «Corona» in den Hintergrund zu drängen. Substanziell war der Vorwurf einer «Sammelbeanstandung», eingereicht durch rund ein Dutzend Persönlichkeiten, die mittels «Zeitraumbeschwerde» kritisierten, die Berichterstattung habe schon im Vorfeld, ganz besonders aber im Nachgang zum Abbruch, vorwiegend die negativen Seiten der gescheiterten Verhandlungen betont. Die Beanstandung wurde – trotz oder gerade weil beide Seiten nicht in allen Punkten auf ihrem Standpunkt beharrten – einvernehmlich abgeschlossen, nachdem sich SRF-Vertreterinnen und -Vertreter aus der Inlandredaktion, des Bundeshauses und des EU-Korrespondenten in Brüssel zusammen mit der Ombudsstelle zu einer mündlichen Aussprache mit einem Teil der Beanstander getroffen hatten.
- Gender: Wiederholt stiessen sich Beanstander (die männliche Form ist hier bewusst gewählt) am Umgang der Geschlechtsformen bei SRF. Die Beanstander sprachen der SRG die Legitimation ab, «eigene Sprachregelungen ungefragt einzuführen». Allerdings ist die deutsche Sprache kein starres Konstrukt und eine Anpassung an die gesellschaftliche Entwicklung sicher kein Verstoss gegen das RTVG.
- Energiepolitik: Häufiger als in den letzten beiden Jahren wurde die Berichterstattung über die Energiepolitik bzw. über erneuerbare Energien beanstandet. Was angesichts der Versorgungssicherheit im Energiebereich nicht weiter erstaunlich ist. Die Ombudsleute hiessen einige Beanstandungen zum Thema «Erneuerbaren» gut. Denn gemäss ihrer Einschätzung wurde den Skeptikerinnen und Skeptiker der aktuellen Pläne im Energiebereich da und dort zu wenig Rechnung getragen und damit das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt.
- Beanstandete Sendegefässe: Auch wenn SRF auf immer mehr Kanälen präsent ist, ist nach wie vor das Fernsehen am meisten der Kritik ausgesetzt. Es umfasst rund 62 Prozent der Fälle im Vergleich zu 20 Prozent, die das Radio betreffen. Twitter, Facebook, Instagram oder Tiktok-Einträge, deren Inhalt redaktioneller Art sind, werden noch selten beanstandet.
- Kommentarfunktion: Sehr häufig gingen bei der Ombudsstelle Beanstandungen gegen die Handhabung der Kommentarspalten ein. Diese sei nicht neutral, intransparent und willkürlich. Das Aufschalten und Löschen von nutzergenerierten Kommentaren fällt allerdings nicht in die Zuständigkeit der Ombudsstelle (und nachgelagert der Unabhängigen Beschwerdeinstanz, UBI), allenfalls in diejenige des Bundesamts für Kommunikation, soweit die Netiquette betroffen ist. Dies hielt die UBI in ihrem Entscheid vom 30. Juni 2021 fest.
Die Ombudsleute wollen nicht verschweigen, dass sie bei aller Leidenschaft ihrem Amt gegenüber ab und zu versucht sind den Bettel hinzuschmeissen. Nicht wegen der Flut an Beanstandungen. Sondern wegen der ganz offensichtlich häufigen rein ideologisch begründeten Eingaben, die substanziell haltlos sind. Aufgewogen wird dieser Ärger durch Beanstandungen, die substanziell sind und deren herausfordernde Behandlung sehr befriedigend ist.