Trailer für Krimireihe «The Fall – Tod in Belfast» beanstandet

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Mit E-Mail vom 5. Januar 2016 beanstanden Sie die Vorschau für den Film „The Fall – Tod in Belfast“, der am gleichen Tag nach „Meteo“ und der Werbung um ca. 20.05 Uhr ausgestrahlt wurde. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich mit meinem Brief vom 6. Januar bereits bestätigt.

Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stel­lung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die Angelegenheit analysieren können. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute meinen Schlussbericht zu senden.

1. Sie begründen Ihre Unzufriedenheit wortwörtlich wie folgt:

„In dieser Vorschau wurden Bilder brutaler Übergriffe auf Frauen gezeigt. Es war beängstigend, wie der Täter auf die Frauen losging. Der Schrecken im Gesicht der Frauen bleibt mir noch lange in Erinnerung. Haben wir im realen Leben nicht schon genug Probleme mit Übergriffen auf Frauen? Just am gleichen Abend – wenige Minuten vor der Ausstrahlung der beanstandeten Vorschau – hatte die Tagesschau über die organisierten Angriffe auf Frauen in Köln, Hamburg und Stuttgart berichtet.

Ich möchte Sie bitten, die Verantwortlichen an ihre Verantwortung zu erinnern und die Ausstrahlung solcher entwürdigender und gefährlicher Bilder zu unterbinden.

Für Ihre Hilfe danke ich Ihnen.“

2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Ich möchte Ihnen das Schreiben von Herrn Wim Möllmann, Brand Manager und Leiter der Mediaplanung, nicht vorenthalten. Er schreibt Folgendes:

„Der Bereich Gestaltung & Marketing nimmt wie folgt Stellung:

Das Publikum erwartet vom Fernsehen, dass es die Komplexität der Wirklichkeit im Programm widerspiegelt, und dazu gehört auch das Phänomen der Gewalt, das seit jeher in unserer Gesellschaft existiert. Über die gesetzlichen Vorschriften hinaus, wägen unsere Programmverantwortlichen, die publizistischen Leitlinien und Jugend­schutzrichtlinien berücksichtigend, jedoch sehr sorgfältig ab, wie viel Gewaltdarstel­lung dem Publikum zugemutet werden kann. Unser Programm vermittelt daher auch mehrheitlich positive Werte wie Mitgefühl, Solidarität und Gerechtigkeit in Form von Dokumentarfilmen, Magazinen, Sport, musikalischen Unterhaltungsshows und famili­enfreundlichen Spielfilmen und Serien.

Krimis erfreuen sich grosser Beliebtheit, denn die Fiktion erlaubt uns, negative und bedrohliche Aspekte der Realität ohne Risiko und im Schutz unserer vier Wände zu erleben und ermöglicht damit eine Auseinandersetzung mit schweren Themen. Das Krimi-Genre ist gerade deshalb auch sehr populär, weil hier gesellschaftlich relevan­te und wichtige Themen im fiktionalen Gewand thematisiert werden.

Krimis erzählen von Verbrechen und ihren Folgen und sind per Definition keine leich­te Unterhaltung. Dass diese Produktionen in den vergangenen Jahren bei der Dar­stellung von Gewalt und ihren Folgen expliziter geworden sind, lässt sich generell beobachten. Diese Entwicklung ist die Folge eines veränderten Zuschauerverhaltens und betrifft folglich auch die Programmvorschauen, die aus dem Filmmaterial her­gestellt werden.

Das Publikum, an das sich das Hauptabendprogramm richtet, ist in aller Regel fähig, die fiktionale von der realen Ebene zu unterscheiden, und lässt sich bei der Festle­gung seiner Bedürfnisse und Rezeptionsgewohnheiten nicht gerne bevormunden. Es erwartet zudem, von SRF bestmöglich über das Programm informiert zu werden. Diesem Bedürfnis kommen wir unter Anderem mit Programmvorschauen nach.

Für das Hauptabendprogramm ab 20.00 Uhr, das sich grundsätzlich an ein mündiges bzw. beaufsichtigtes Publikum richtet, achten die Programmverantwortlichen darauf, dass entsprechende Szenen einem Publikum ab 12 Jahren zugemutet werden kön­nen. Dies gilt auch für unsere Vorschauen und wurde auch beim Trailer zu ‚The Fall‘ so gehandhabt, weiterhin in der Annahme, dass das Publikum auch an Programm­schnittstellen in der Lage ist, die fiktionale von der realen Ebene zu unterscheiden.

Wie Frau X richtigerweise anmerkt, sind Übergriffe auf Frauen überall auf der Welt noch immer eine traurige Realität. Dass auch die Opfer von Serienmör­dern vorwiegend Frauen sind, ist leider auch ein Fakt.

Die erfolgreiche britische Krimi-Serie ‚The Fall‘ aus dem Jahre 2013 erzählt von der Jagd der Polizei nach einem solchen Serienmörder, und der Trailer vermittelt in weni­gen Sekunden diesen Inhalt. Sowohl in der Produktion wie auch in der Planung der Trailer haben die Programmverantwortlichen darauf geachtet, dass unsere publizisti­schen Leitlinien und Jugendschutzrichtlinien eingehalten werden und dass die inhalt­liche Diskussion dabei sehr ernst genommen wird. Sex- oder Gewaltdarstellungen wie in dieser Programmvorschau werden demzufolge nicht im direkten Umfeld eines ausgewiesenen Kinderprogramms platziert.

Die gezeigten Frauen sind Opfer eines sehr gefährlichen Mörders. Dies ist eine be­drohliche Situation, und gibt die düstere Atmosphäre der Fiktion wieder. Weder im Film noch in der Programmvorschau wird Gewalt verherrlicht oder verharmlost. Im Gegenteil. Ein gefährlicher Mörder muss gefasst und Gerechtigkeit hergestellt werden.

Jedes Individuum besitzt unterschiedliche Interessen und Sensibilitäten und legt sei­nen persönlichen Grenzwert bezüglich Gewaltdarstellungen fest, weshalb Konflikte unvermeidbar sind. Zudem erhöhen Naturkatastrophen, einschneidende politische, gesellschaftliche und kriminelle Ereignisse die Sensibilität der Zuschauer. Bei SRF sind sich die Programmverantwortlichen dieser Situation bewusst. Jede Entschei­dung inhaltlicher oder planerischer Natur wird auch diesbezüglich ernsthaft abgewo­gen.

Frau Xs Entrüstung und Anliegen sind für uns nachvollziehbar. Den­noch bitten wir um Verständnis dafür, dass auch die Einhaltung aller gesetzlicher Regelungen und Richtlinien einzelnen Zuschauern manchmal nicht reichen. Rück­meldungen unserer Zuschauer nehmen wir daher auch immer zum Anlass, unser Vorgehen zu hinterfragen und den Diskurs über Gewaltdarstellungen im TV-Pro­gramm stetig weiterzuführen. Wir können Frau X versichern, dass dies auch in diesem Fall geschehen wird.

Insgesamt sind wir der Überzeugung, dass die Programmvorschau zur Serie ‚The Fall‘ vom 5. Januar 2016 in einem adäquaten Programmumfeld platziert war und der Inhalt der Programmvorschau für das Hauptabendpublikum geeignet ist. Des Weite­ren gehen wir davon aus, dass das Publikum die gezeigten fiktionalen Inhalte von den realen Inhalten aus der tagesaktuellen Berichterstattung trennen und einordnen kann.

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen möchte ich Sie gerne ersuchen, die Bean­standung abzuweisen.“

3. Soweit die Stellungnahme der Verantwortlichen von SRF. Herr Will Möllmann argu­mentiert ausführlich, warum seiner Meinung nach Ihre Beanstandung abgewiesen werden soll.

Geht es nun um meine eigene Beurteilung, so kann ich Ihre kritische Reaktion durch­aus nachvollziehen. Zwar teile ich die Auffassung der Verantwortlichen von SRF, wonach zwischen fiktionaler und realer Ebene unterschieden werden muss und im Rahmen der Programmautonomie auch harte Krimis im Programm von SRF durch­aus Platz haben dürfen. Dass in der Programmvorschau auch für derartige Sendun­gen geworben wird, ist verständlich und grundsätzlich zulässig. Doch die Ausstrah­lung der Vorschau des Filmes „The Fall – Tod in Belfast“ kurz nach 20 Uhr scheint mir aus verschiedenen Gründen problematisch zu sein.

Zuerst einmal bezüglich Jugendschutz: Die geltenden Richtlinien über Programmie­rung von fiktionalen Programmen mit Gewaltdarstellung sehen vor, dass aus Rück­sicht auf Kinder und Jugendliche dafür gesorgt wird, dass die ZuschauerInnen von SRF „möglichst nicht ungewollt mit fiktionalen Darstellungen von Sex, Gewalt und anderen heiklen Inhalte konfrontiert werden, die für sie nicht geeignet sind bzw. an denen sie Anstoss nehmen könnten“. Dies sei zum einen mit der zeitlichen Platzie­rung der Sendungen im Programm und zum anderen mit akustischen und visuellen Warnungen zu erreichen. Diese Bedingungen werden bei der Ausstrahlung des Kri­mis selber erfüllt: „The Fall“ läuft jeweils nach 23 Uhr und gerade um den Jugend­schutz zu gewährleisten, kann diese Serie auf SRF-Online nur zwischen 23 und 5 Uhr morgens angeschaut werden.

Dies gilt aber nicht für die von Ihnen beanstandete Vorschau. Sie wurde kurz nach 20 Uhr ausgestrahlt, zu einem Zeitpunkt, an dem laut eigenen Richtlinien die SRF-Programmverantwortlichen darauf zu achten haben, dass „entsprechende Szenen einem Prime-Time-Publikum ab 12 Jahren zugemutet werden können“. Diese Vo­raussetzung wurde nicht beachtet, werden doch mit Ausnahme der dritten Folge, welche ab 12 Jahren freigegeben wurde, alle anderen Folgen von „The Fall“ erst ab 16 Jahren freigegeben.

Es stellt sich auch die Frage, ob in der Vorschau zum Film „The Fall“ Gewalt verherr­licht oder verharmlost wurde, was Art. 135 StGB verbietet. Diese Frage abschlies­send zu beantworten, ist für die Ombudsstelle nicht einfach. Ginge es um den Film selber, könnte man wie Herr Möllmann argumentieren, dass ein gefährlicher Mörder gefasst werden muss und somit Gerechtigkeit hergestellt wurde. Das Publikum identifiziert sich deshalb mit dem Opfer gegen den Täter. Doch in der 36 Sekunden dauernden Vorschau zum Film kann eine solche Differenzierung nicht stattfinden. „Kranke Lust, nackte Angst, schöne Opfer: der Serientäter sucht wieder Heroinsüch­tige, immer dieses Glücksgefühl des ersten Rausches“ wird mit Bildern misshandel­ter Frauen im O-Ton unterstrichen. Und weiter: „Was könnte intimer sein als langsam das Leben aus einem anderen Menschen zu quetschen?“ Indem von „Glücksgefühl“, ja sogar beim Mord von „intimer“ Befriedigung die Rede ist, wurde meines Erachtens Gewalt verharmlost, ja sogar verherrlicht.

Aufgrund aller dieser Gründe teile ich Ihre Auffassung, wonach die Ausstrahlung der­artiger Szenen um 20 Uhr unterbunden werden sollten. Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, erachte ich deshalb als berechtigt.

4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Mög­lichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 54A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

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