Uneinigkeit über die «heisse Phase» vor Wahlen

Beanstandet wurde der «10vor10»-Beitrag «SVP setzt auf Quereinsteiger» vom 1. April 2016. Der Beitrag geht anhand des Beispiels der St. Galler Regierungsratskandidatin Esther Friedli dem Phänomen der Quereinsteiger bei der Schweizerischen Volkspartei nach. Ein Fernsehzuschauer bezeichnet den Bericht als unausgewogen und Gratiswerbung für Esther Friedli und die SVP. Für Ombudsmann Roger Blum ist der Sendezeitpunkt des Beitrags entscheidend. Seiner Ansicht nach fällt der Bericht in die «heisse Phase» des Wahlkampfs.

Den Vorwurf der Gratiswerbung weist Christian Dütschler, Redaktionsleiter von «10vor10» zurück. Der Beitrag zeige anhand eines konkreten und aktuellen Beispiels ein Phänomen auf, welches in der erfolgreichsten Partei der Schweiz gehäuft auftrete und über das ein Nachrichtenmagazin wie «10vor10» berichten sollte. Nämlich dass Kandidaten mit wenig politischer Erfahrung und weitgehend unbekanntem politischem Profil von der Parteileitung portiert würden. Nebst Esther Friedli seien im Beitrag auch andere SVP-Quereinsteiger wie Magdalena Martullo-Blocher, Hans-Ueli Vogt und Roger Köppel vorgestellt worden. Dütschler verweist auch auf die breite Berichterstattung über Friedlis Kandidatur in anderen Medien.

Besondere Sorgfaltspflicht vor Wahlen

Für Ombudsmann Roger Blum ist eine solche Nomination wie die von Esther Friedli ebenfalls von öffentlichem Interesse. Uneinig sind sich Blum und die SRF-Verantwortlichen vor allem über den Ausstrahlungszeitpunkt des Beitrags:

«[Gegen den Beitrag] wäre nichts einzuwenden gewesen, wenn ‹10 vor 10› den gleichen Beitrag unmittelbar nach Bekanntwerden der Kandidatur gebracht hätte. Zu diesem Zeitpunkt war die Nachricht ein zwingendes Medienthema (...).» Ombudsmann Roger Blum

Vor Abstimmungen und Wahlen gilt eine besondere journalistische Sorgfaltspflicht. Diese sensible Phase wird durch die Publizistischen Leitlinien von SRF geregelt und auf diese stützt sich Christian Dütschler: Demnach sind Einzelauftritte von Kandidierenden oder Exponenten in den letzten drei Wochen vor dem Urnengang unzulässig, wenn sie eine einseitige Plattform bieten.

Die Sendung sei mehr als drei Wochen vor dem zweiten Wahlgang der Regierungsratswahlen ausgestrahlt worden, betont Dütschler. Ausserdem seien die übrigen Regierungsratskandidaten mit Namen und Parteizugehörigkeit genannt und mit Bild gezeigt worden.

Andere Quereinsteiger zu wenig gewichtet

Ombudsmann Roger Blum weist darauf hin, dass die Entscheide der Unabhängigen Beschwerdeinstant für Radio und Fernsehen (UBI) und des Bundesgerichts über den Publizistischen Leitlinien stehen. Gemäss diesen beiden Instanzen würden Abstimmungskämpfe bereits zwei Monate vor dem Termin beginnen. Im konkreten Fall des zweiten Regierungsrats-Wahlgangs in St. Gallen falle gemäss Roger Blum die beanstandete Sendung auf jeden Fall in die «heisse Phase».

Zu diesem Zeitpunkt hätte ein Beitrag über Quereinsteiger in der SVP die anderen Quereinsteiger nebst Esther Friedli stärker gewichten müssen. Weiter sei Friedli zu wenig kritisch befragt worden, sie habe somit durch die Sendung eine Plattform erhalten.

Lesen Sie den Schlussbericht 4249.

Text: SRG.D /dl

Bild: Screenshot aus «10vor10»-Beitrag vom 1.4.2016, SRF

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