«Was geht uns der Gotthard an?»
Am 1. Juni wird der Gotthard-Basistunnel eröffnet – ein Jahrhundertbauwerk wie der erste Tunnel. Er wird die Schweiz ein weiteres Stück näher zusammenrücken lassen. Grund genug für die SRG, ebenfalls näher zusammenzurücken und ein Gotthardprogramm der Superlative auf die Beine zu stellen.
«Es ist wie beim Gotthardtunnel selbst», sagt SRF-Kulturchefin Nathalie Wappler über die Zusammenarbeit auf nationaler Ebene: «Man fährt auf der einen Seite hinein und kommt an einem anderen Ort wieder heraus. Wie es dort aussieht, weiss man erst, wenn man ankommt.»
Am 1. Juni werden die ersten beiden Züge durch den Gotthard-Basistunnel (GBT) fahren, zeitgleich von Erstfeld im Norden und von Bodio im Süden aus. Wie bereits der erste, 1882 fertiggestellte Gotthardtunnel von Göschenen nach Airolo, wird auch der GBT zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der längste Eisenbahntunnel der Welt sein. Und er wird den Norden und den Süden des Landes ein gutes Stück näher zusammenrücken lassen.
Die Eröffnung des NEAT-Herzstücks ist ein Grossereignis – auch für die SRG. Wie der Tunnelbau selbst, ist auch das Gotthardprogramm im Fernsehen, Radio und online vom Geist getragen, Sprach- und Kulturgrenzen zu überwinden: «Schon früh haben wir uns auf die Fahne geschrieben, das Projekt national zu koordinieren und alle Landesteile einzubinden», sagt Nathalie Wappler.
«Schon früh haben wir uns auf die Fahne geschrieben, das Projekt national zu koordinieren und alle Landesteile einzubinden» Nathalie Wappler, SRF Kulturchefin und Leiterin des Gottthardprojekts
Das erste Highlight des bis Ende Jahr ausgestrahlten Sonderprogramms wird die Direktübertragung der Eröffnungsfeierlichkeiten am 1. Juni sein – selbst eine technische Pionierleistung, mit Live-Schaltungen aus dem 57 Kilometer langen Tunnel, über zwei Kilometer tief unter der Erde. Neben dem nationalen Signal für alle Unternehmenseinheiten wird SRF mit tpc zudem ein internationales Signal produzieren.
Von Information bis Fiktion
In der Planung konnte man auf eine lange Geschichte der Zusammenarbeit innerhalb der SRG zurückgreifen, seit rund zwei Jahren gibt es auch ein nationales Koordinationsteam zur Förderung des interregionalen Programmaustauschs. Es ist ein breit abgestütztes Team, wie Susanne Läng, Gotthard-Projektkoordinatorin, erklärt: «Unser RSI-Koordinationskollege kommt aus der Unterhaltung, die Kollegen von RTR und RTS aus der Information. Der Lead für die TV-Übertragung der Eröffnungsfeier liegt bei der Chefredaktion von SRF, ich wiederum bin sonst in der Kulturabteilung tätig. Wir repräsentieren in diesem Projektteam also nicht nur die verschiedenen Unternehmenseinheiten, sondern auch alle Programmbereiche.»
«Wir repräsentieren in diesem Projektteam nicht nur die verschiedenen Unternehmenseinheiten, sondern auch alle Programmbereiche.» Susanne Läng, Gotthard Projektkoordinatorin SRF
Gottardo – Tunnel oder Käse?
Dass auf nationaler Ebene kooperiert wird, ist also nicht neu für die SRG – noch nie wurde jedoch für ein so grosses Projekt so eng zusammengearbeitet. Es versteht sich von selbst, dass dies nicht immer ganz reibungslos verlief. Projektleiterin Nathalie Wappler meint dazu: «Es gehört zur kulturellen Vielfalt dieses Landes, dass auch die Ansichten, Meinungen und Entscheidungswege in den verschiedenen Unternehmungen divergieren.» Der Schlüssel für eine erfolgreiche Kooperation? «Einander zuhören», ist Läng überzeugt.
«Es gehört zur kulturellen Vielfalt dieses Landes, dass auch die Ansichten, Meinungen und Entscheidungswege in den verschiedenen Unternehmungen divergieren.» Nathalie Wappler, SRF Kulturchefin
Zum Beispiel beim Wunsch der Projektleitung nach einem möglichst einheitlichen visuellen Auftritt: «Das fängt bei der Titelsetzung an», erzählt Susanne Läng: «Der Begriff ‹GOTTHARD›; ‹GOTHARD› oder ‹GOTTARDO› schien uns als Oberbegriff für die Sendelogos der Regionen schlüssig, um nicht zu sagen selbsterklärend, daher haben wir auch unsere Gestaltungsideen entsprechend konzipiert. Bis wir lernen mussten, dass die RSI-Kollegen unter ‹Gottardo› eben nicht den Gotthard verstehen, sondern einen Käse aus der Region. Für RSI heisst es nun korrekt ‹SAN GOTTARDO›. In solchen Momenten muss man sich auch mal an der eigenen Nase nehmen und Dinge nicht voraussetzen, die einem selbstverständlich erscheinen.»
Anders als im Tessin hielt sich in der Westschweiz die Begeisterung für das Thema zu Beginn in Grenzen. Weit weg von Göschenen und Bodio fragte man sich: «Was geht uns der Gotthard an?» Wappler sagt, die Zeit sei ein wichtiger Faktor gewesen. Da das Projekt frühzeitig in Angriff genommen wurde, konnte man immer wieder bei den verschiedenen Redaktionen vorsprechen, sie davon überzeugen, dass es Sinn ergibt, die Kräfte zu bündeln. Die Kollegen beim RTS erkannten bald die herausragende Bedeutung des Gotthards für das ganze Land und sprangen ebenfalls auf den Zug auf.
Von wegen «Göschenen–Airolo»
Die Eröffnungsfeier am 1. Juni und das Tunnelfest vom 4. und 5. Juni markieren den Start; im Sommer wird mit der Spezialreihe «Schweiz aktuell am Gotthard» dann die zweite Phase des Gotthardprojekts eingeläutet. Abgeschlossen wird das Gotthardjahr mit der Ausstrahlung des Fernsehfilm-Zweiteilers «Gotthard» – eine Grossproduktion in Kooperation mit ZDF und ORF – pünktlich zum SBB-Fahrplanwechsel vom 11. Dezember und damit zur offiziellen Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels. Auch diese Programmierung erfolgt auf nationaler Ebene, gemeinsam mit RTS und RSI. Dazwischen wird übers Jahr verteilt ein Programm geboten, das einen «360-Grad-Blick» auf den Gotthard ermöglicht, wie es Läng formuliert.
Nathalie Wappler ist überzeugt, dass sich der Koordinationsaufwand und die Kooperation über Sprachgrenzen hinweg gelohnt haben. Auch für die Zukunft: «Es sind Strukturen der Zusammenarbeit aufgebaut worden, die man als eine Art ‹Blaupause› für künftige Projekte wird nutzen können.»
«Es sind Strukturen der Zusammenarbeit aufgebaut worden, die man als eine Art ‹Blaupause› für künftige Projekte wird nutzen können.» Nathalie Wappler, Kulturchefin SRF und Leiterin des Gottthardprojekts
Von wegen «Tunnelblick» und «Göschenen–Airolo» also. Kein Auge dafür, was rundherum passiert, zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus – der Tunnel hat keine besonders ehrbare Rolle als Metapher, ganz im Gegensatz zu seiner Schwester, der Brücke. Es ist Zeit für eine Rehabilitation: Der Gotthard und das Gotthardprojekt der SRG zeigen, dass man mit einem Tunnel durchaus Brücken bauen kann.
Highlights SRF-Gotthardprogramm 2016
Das ganze Programm finden Sie auf der Website von SRF
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