Comedysendung «Headhunter» auf der Suche nach neuem Armeechef beanstandet
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Mit Ihrer e-Mail vom 14. Mai 2016 beanstandeten Sie die Sendung „Headhunter“ des Fernsehens SRF vom 13. Mai 2016. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher auf sie eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
- Die Schweizer Armee wird vollständig lächerlich gemacht, die Grenze des Zulässigen in einer Comedy Show wurde eindeutig überschritten. Die Beispiele und diverse Äusserungen verletzen alle, die bisher Dienst geleistet hatten. Witze und Schalk ok, aber nicht auf diese Art.
- Der gezeigte Waffeneinsatz ist nicht nur falsch, nein, er verniedlicht die Verantwortung eines gut ausgebildeten Angehörigen der Armee (AdA), das spottet jeder Beschreibung.
- Der Chef der Armee, Korpskommandant Blattmann, tritt demnächst zurück. So wie er dargestellt und lächerlich gemacht wurde, kann und will ich nicht akzeptieren. Wo führt das hin, wenn jede militärische, vom Bundesrat gewählte Person (Armeespitze) im Ausland, ja auch von den Armeegegnern, so dargestellt wird. Ich kann aufgrund von militärischer und ziviler Führungserfahrung festhalten: So geht es nicht. Witze machen ok, so lächerlich machen wie in der Show ist unangebracht. Wer kann die Leistungen der Generalität als Nichtmilitär (Profi) schon beurteilen?
- Auch die ‚Reklame‘ für Dienstverweigerer und der Aufruf gegen die vom Normalbürger verlangten Pflichten überschreiten für mich das Zulässige.
Eine Gelegenheit zur Stellungnahme von Miliz-und oder Berufsoffizieren zu den Leistungen der Armee würde ich angebracht finden. Dass Fehler und Unzulänglichen in einer Armee festgestellt werden, ist richtig, allerdings aber immer unter dem Gesichtspunkt der Toleranz, der Verhältnismässigkeit und Sachlichkeit von allen Beteiligten. Kein Wunder, dass viele Mandatsträger, Steuerzahler unter dem Aspekt des Service-public etwas Anderes verstehen. Inhalte und Qualität von übrigens allen Sendungen pro oder contra sind nötig und erwünscht.
Humorvolle und auch spitze Äusserungen oder Pointen gehören zu einer Comedy Show, das bin ich mir bewusst. Das Lächerlichmachen von Personen (Funktion) in der Öffentlichkeit hat sicher enge Grenzen.
Abschliessend erlaube ich mir festzuhalten, dass die Schweizer Armee mit ehemals 600`000 Ada und neu bald noch 100`000 AdA als Organisation der Spiegel der Bevölkerung darstellt.“
B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Frau Andrea Weber, Redaktionsleiterin Comedy, antwortete wie folgt:
„Gerne nehme ich zu der Beanstandung von Herrn X Stellung.
In seiner Beanstandung nennt Herr X die Ausgabe von ‚Headhunter‘ vom 13.5.2016 mit dem Thema ‚Neuer Armeechef‘. Aus dem Schreiben geht hervor, dass sich Herr X in erster Linie darüber ärgert, dass die Schweizer Armee in seinen Augen völlig lächerlich gemacht werde, ebenso der Chef der Armee, André Blattmann.
Bei der Sendung ‚Headhunter‘ handelt es sich um eine neue Comedy-Sendung, die aus einem satirischen Blickwinkel latent aktuelle Themen aufgreift. Im Zentrum der Sendung steht jeweils ein Thema und dessen Vertreter, welche Michel Gammenthaler und Anet Corti verbal, mit Bildern und Einspielfilmen sowie mit ihren Gästen komödiantisch und satirisch behandeln. Mit der Ankündigung, dass Herr Blattmann nächstes Jahr als Armeechef zurücktreten wird, lag es auf der Hand, dies auch in einer Comedy-Sendung zu thematisieren. Wie es der Titel der Sendung impliziert, wurden mögliche ‚Nachfolger‘ von Herrn Blattmann eingeladen. Mit den bekannten ‚Kandidaten‘ Patrick Frei (Kabarettist) und Meta Hiltebrand (Köchin und Gastro-Unternehmerin) war klar, dass es sich nicht um ernstgemeinte Nachfolge-Kandidaturen handeln konnte. Im Gegenteil: Die Absurdität dieser Konstellation sollte es ermöglichen, einen unkonventionellen und klar satirischen Blick auf eine Organisation zu werfen, die seit Jahren in der Schweiz kontrovers diskutiert wird und die auch schon mehrmals Inhalt einer Volksabstimmung war.
Die Satire übertreibt, ironisiert, banalisiert und karikiert Personen und Situationen, verknüpft willkürlich Themen und führt oft ins Absurde. Dies ist auch in der beanstandeten Sendung geschehen. Es liegt in der Natur der Sache, dass relevante Themen, wie dies die Schweizer Armee ist, aber auch in der Öffentlichkeit stehende Personen oft Ziel der Satire sind. Wichtig dabei ist, dass die Satire auch als solche erkennbar ist. Dies scheint uns im vorliegenden Fall klar ersichtlich gewesen zu sein, auch wenn es erst die dritte Ausgabe von ‚Headhunter‘ war und das Format noch nicht so bekannt ist. Sollten wir Herrn X trotzdem mit dieser Ausgabe verärgert haben, so bedauern wir das. Humor bleibt aber immer auch Geschmackssache, und nicht alle Menschen haben die gleichen Wertvorstellungen. Was den einen amüsiert, geht dem anderen bereits zu weit.“
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Beurteilung der Sendung. Ich habe großes Verständnis für Ihre Beanstandung: Die Armee sollte nicht grundlos lächerlich gemacht werden. Zwar ist klar: Die Sendung „Headhunter“ ist eine Satiresendung. Auf komödiantische Art suchen Anet Corti und Michel Gammenthaler jeweils einen neuen Chef für irgendeinen Bereich, und alle wissen, dass es sich um eine fiktive Postenbesetzung handelt, um die viel Schabernack getrieben wird. Da am 23. März 2016 bekannt geworden war, dass Armeechef André Blattmann auf den 31. März 2017 von seinem Posten zurücktreten wird[1], bot es sich geradezu an, auf satirische Weise einen neuen Armeechef zu suchen. Ebenso klar ist, dass die Armee Angriffsflächen bietet, die auch satirisch abgehandelt werden können. Und wenn einmal Satire im Spiel ist, dann muss sie zwar von einem wahren Kern ausgehen, aber keineswegs tolerant, sachlich und verhältnismäßig sein, wie Sie fordern – im Gegenteil!
Was haben nun Anet Corti und Michel Gammenthaler faktisch getan? Sie haben die Armee satirisch thematisiert. Sie haben die 33jährige Zürcher Köchin, Gastro-Unternehmerin und Kochbuchautorin Meta Hiltebrand und den 65jährigen Zürcher Kabarettisten, Schauspieler und Buchverleger Patrick Frey auftreten lassen und sie einem „Eignungstest“ als möglichem Armeechef unterzogen. Und sie haben das Studiopublikum abstimmen lassen, wer von den beiden denn Armeechef werden sollte – eine Abstimmung, die Meta Hiltebrand knapp gewann. Gegen all das spricht grundsätzlich nichts.
Hat die Sendung aber „die Grenze des Zulässigen“ überschritten, wie Sie schreiben? Hat sie alle, die je Militärdienst geleistet haben, beleidigt? Ich möchte die Frage anders stellen: Wurden Armee und Armeechef begründet mit Satire eingedeckt? Oder war die Kritik unbegründet?
Reden wir zuerst vom Armeechef, dann von der Armee als solche. Dass Armeechef André Blattmann nicht ganz freiwillig geht und ausscheidet, bevor er das Pensionsalter erreicht, ist allgemein bekannt. Bundesrat Guy Parmelin will die Armeereform mit einem neuen Armeechef umsetzen. Es gab also einen Konflikt im Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), und da Bundesrat Parmelin der Vorgesetzte von Armeechef Blattmann ist, konnte er sich durchsetzen. Ein solcher Konflikt ist durchaus ein Thema für die Medien und ein Anlass für Kommentare, auch für satirische. Anet Corti und Michel Gammenthaler haben das Thema aufgegriffen und ein paar witzige Mutmassungen angestellt, warum wohl Parmelin mit Blattmann nicht mehr zufrieden war, aber die Mutmassungen waren alle völlig harmlos. Armeechef Blattmann wurde keineswegs lächerlich gemacht.
Etwas anders sieht es bei der Armee an und für sich aus. Es gibt immer wieder kritikwürdige Vorfälle in der Armee; in der Rüstungsbeschaffung kommt es hin und wieder gar zu Skandalen, und die Armee hat Schwächen. Hier aber hat meines Erachtens die Redaktion zu wenig recherchiert und keine belegbaren Vorwürfe zusammengetragen. Die Satire richtete sich kaum gegen konkrete Kritikpunkte, sondern blieb sehr allgemein wie: „Die Armee nützt weder der Landesverteidigung etwas, noch macht sie aus jungen Burschen richtige Männer“ – „Wir sind auf ganz hohem Niveau bereit für gar nichts“ – oder: „Die Armee ist ein dilettantisch organisiertes Pfadilager für große Buben“. Diese Qualifizierungen wurden nicht belegt. Satire sollte aber immer von einem wahren Kern ausgehen und diesen dann überspitzen und übertreiben, verfremden, ins Lächerliche ziehen. Mir war das alles etwas zu billig.
Wäre Ihre Beanstandung eine Beschwerde vor der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI), dann würde die UBI wahrscheinlich sagen: Es handelt sich um eine Satiresendung, die Satire ist als solche erkennbar, es wurden keine Schwachen oder Minderheiten diskriminiert, also ist das Programmrecht nicht verletzt. Die UBI habe nur eine Rechtsaufsicht auszuüben, keine Fachaufsicht, also sage sie nichts zur journalistischen oder kabarettistischen Qualität einer Sendung und nichts zu Fragen des guten oder schlechten Geschmacks. Als Ombudsmann bin ich etwas freier. Ich finde das Konzept von „Headhunter“ durchaus attraktiv. Aber die satirische Kritik an der Armee wäre überzeugender, wenn sie durch recherchierte Belege mehr Tiefgang hätte. So, wie sie daherkam, fand ich sie teilweise unbegründet. Eine Rechtsverletzung kann ich hingegen nicht ausmachen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen/bundesrat.msg-id-61116.html
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