«Rundschau» über «Sex ohne Gummi» beanstandet
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Mit Ihrem Brief vom 11. Juli 2016 haben Sie die Rundschau zum Thema „Sex ohne Gummi“, beanstandet, namentlich wegen Einseitigkeit, Unfairness und inhaltlichen Fehlern. Sie sehen die Persönlichkeitsrechte der Sexarbeitenden verletzt. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Voraussetzungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
Da es die »Rundschau«-Redaktion, namentlich Herr Thomas Vogel und Herr Jürg Brandenberger, versäumt haben, sich vor dem Beitrag zu »Sex ohne Gummi«, dessen Fokus (wohl wegen der implementierten Kondompflicht) auf dem Kanton Solothurn lag, bei der Fachstelle Lysistrada zu melden, sehen wir uns genötigt, nach der Ausstrahlung dieses reisserischen, sachlich bisweilen falschen und jedenfalls verschiedentlich journalistische Grundsätze verletzenden Beitrags vom 22. Juni diesbezüglich bei der Ombudsstelle SRG.D Beschwerde einzureichen. Dieser Rundschau-Beitrag vom 22. Juni 2016 war einseitig, unfair und teilweise inhaltlich falsch. Es wurden journalistische und ethische Regeln verletzt. Lysistrada ist die Fachstelle für Sexarbeit im Kanton Solothurn und versteht sich als Stimme der Sexarbeitenden, deren Persönlichkeitsrechte durch den Beitrag verletzt wurden. Die Sicht der Sexarbeitenden fand in diesem Bericht keine Erwähnung. Lysistrada hätte man als qualifizierte Stelle darum angehen können, wie auf dem Strassenstrich in Olten gefilmt werden kann und soll und wen man für eine Stellungnahme vor die Kamera holen könnte. Frau Monika B., »Szenekennerin«, war auf alle Fälle keine gute Wahl, wenn denn der Anspruch des Beitrags tatsächlich der war, zu zeigen, dass die Sexarbeitenden wegen ökonomischen Drucks gar nicht anders können, als risikoreiche Praktiken anzubieten. Frau Monika B. vertritt nicht die Sicht der Sexarbeitenden auf dem Strassenstrich in Olten, sondern profitiert von ihnen. Aber der Reihe nach.
Gleich der erste Satz des Beitrags nämlich ist reisserisch und sachlich falsch: Niemand »kauft sich eine Frau«, wenn er zu einer Prostituierten geht; man kauft sich schliesslich auch keinen Masseur, wenn man zur Massage geht. Sondern man bezahlt im Sexgewerbe für eine sexuelle Dienstleistung. Wenn diese auch mehrheitlich von Frauen angeboten wird, so gehört doch die dienstleistende Frau nicht demjenigen, der für die Dienstleistung bezahlt, nicht einmal für die Dauer des Geschlechtsverkehrs. Höchstproblematisch erscheinen uns die Aufnahmen mit versteckter Kamera auf dem Strassenstrich. Dass man sich dazu entschieden hat, Freier, die Sex ohne Gummi verlangen, dadurch anzuprangern, dass man Frauen zeigt, die das anbieten, ist eine komplette Verdrehung des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage. Warum, fragen wir uns da, hat man nicht eine Sexarbeiterin mit versteckter Kamera ausgestattet und Freier gefilmt, die Sex ohne Kondom verlangen? Die Antwort liegt auf der Hand: weil sich diese gegen solche Eingriffe in ihre Persönlichkeitsrechte wehren könnten und würden. Von den Sexarbeitenden dagegen können das die wenigsten, sei es, weil sie die Sprache nicht beherrschen, sei es, weil sie sich nicht als Sexarbeitende outen wollen. Einem Outing nahe kommt das Filmmaterial, das die Rundschau gezeigt hat. Man hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Stimmen der Sexarbeitenden zu verzerren, so dass sie nun von Nachbarn daran identifiziert werden können. Ausserdem hat man Freiern aus der ganzen Schweiz gezeigt, welche Frauen bereit sind, in Sex ohne Kondom einzuwilligen, und wie günstig sexuelle Dienstleistungen in Olten zu haben sind. Das verkleinert den ökonomischen Druck nicht gerade. Das SRF hebelt hier seine eigene Kritik mit dem Beitrag aus. Schlecht recherchiert hat man sodann die Gesetzeslage im Kanton Solothurn – und leider hat Herr Motschi den Sachverhalt nicht korrekt dargelegt und die Falschannahmen der Rundschau richtigstellen können: Das Gesetz sieht keine Bestrafung für Sexarbeitende vor, die ohne Kondom arbeiten, und erst recht nicht für solche, die das anbieten. Bestraft werden können einzig Freier, die sexuelle Dienstleistungen ohne Schutz in Anspruch nehmen. In Botschaft und Entwurf zum Gesetz1 heisst es dazu wörtlich: »Wichtig zu erwähnen ist, dass auch Kunden und Kundinnen von Personen, die im Betrieb Sexarbeit ausüben, in die Pflicht genommen werden (§ 33). Wer Sexarbeit in Anspruch nimmt, darf dies etwa nur unter Einsatz der grundlegenden Massnahmen zum Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten vornehmen (§ 33 Abs. 1 Bst. a).« Die Regelung im Kanton Solothurn funktioniert damit analog zur Freierbestrafung in Ländern, in denen Sexarbeit verboten ist (Stichwort »Schweden-Modell«). Hier dürfte man vom SRF etwas mehr journalistische Sorgfalt erwarten.
Von einer schon fast peinlichen Inkompetenz zeugt der aus der ungenauen Auseinandersetzung mit dem Gesetz entsprungene Vorwurf an die Sexarbeitenden, sie verhielten sich inkorrekt, wenn sie Sex ohne Kondom anbieten, wo doch die Solothurner Gesetzeslage klar sagt, dass sich strafbar macht, wer als Kunde Sex ohne Kondom verlangt. Mithin sind es also die »Rundschau«-Journalisten, die Herr Motschi, Amtsleiter des Amts für Wirtschaft und Arbeit, ins Visier der Polizei rücken müsste, da diese sich als Kunden ausgegeben und Sex ohne Kondom verlangt haben. Zuletzt nun zu Frau Monika B.: Sie profitiert mit ihren Häusern am Strassenstrich in Olten von dem Gewerbe dort, verursacht den ökonomischen Druck auf die Sexarbeitenden also mit und ist deswegen eine denkbar schlecht gewählte Interviewpartnerin. Eine kurze Absprache mit Lysistrada oder auch jemandem Zuständigen von der Kantonspolizei hätte genügt, und das SRF wäre nicht an eine derart unqualifizierte Stelle geraten. Es wäre zu erwarten, dass sich ein Staatsmedium bei einem so heiklen Thema wie der Sexarbeit vorgängig bei einer Fachstelle nach dem geeigneten Vorgehen erkundigte, auch und besonders, was Aufnahmen mit versteckter Kamera betrifft. Die Sexarbeitenden hatten in diesem Bericht und bei dieser Vorgehensweise von Anfang an keine Chance, denn die Spiesse waren ungleich lang.
B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Herr Mario Poletti, Redaktionsleiter der Rundschau, schrieb:
„Gerne nehmen wir Stellung zur Beanstandung der Fachstelle Lysistrada. Den Vorwurf, journalistische und ethische Regeln verletzt zu haben, weisen wir zurück. Vielmehr hatte der Rundschau-Beitrag eine wichtige, präventive Funktion, indem die Ausbeutung und gesundheitliche Gefährdung der Sexarbeiterinnen mit einer verfilmten Vorort-Recherche dokumentiert wurde. Konkret haben wir aufgezeigt, dass der Konkurrenzdruck im Gewerbe immer mehr Frauen dazu zwingt, Sex ohne Gummi zu tiefem Preis anzubieten. Wie das Bundesamt für Gesundheit BAG gegenüber der Rundschau bestätigte, breiten sich in der Folge Geschlechtskrankheiten wieder vermehrt aus. Die Rundschau hat weiter ausgeführt, dass einzig der Kanton Solothurn eine gesetzliche Grundlage hat, um gegen Freier vorzugehen, die Sex ohne Gummi wollen.
Zu den Vorwürfen im Einzelnen:
„Die Sicht der Sexarbeitenden fand in Ihrem Bericht keine Erwähnung“
Das stimmt nicht. Auf dem Strassenstrich in Olten und auch im Sex-Club im Rheintal geben mehrere Frauen in anonymisierter Form Auskunft vor der Kamera. Zwei Sexarbeiterinnen in Olten erklären, dass Sex ohne Kondom häufig verlangt wird, sie diesem Wunsch aber nicht entsprechen würden. Grundlage unserer Recherche waren neue Erhebungen des BAG. Diese besagen, dass sich Geschlechtskrankheiten wieder ausbreiten, weil Freier vermehrt auf Sex ohne Gummi bestehen. Wir haben uns entschieden, die Recherche mit versteckter Kamera zu dokumentieren. In unserem Fahrzeug waren zwei Kameras montiert, der Reporter trat als Freier auf und fragte explizit nach Sex ohne Kondom. Die Fachstelle Lysistrada kritisiert, dass wir sie vor den Dreharbeiten nicht kontaktiert haben. Das hat eine einfache Erklärung: weil wir uns für die verdeckte Recherche entschieden haben, erschien es wenig sinnvoll, die Fachstelle und damit wohl auch die Prostituierten quasi vorzuwarnen.
„Szenekennerin Frau B. war keine gute Wahl“
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Redaktion frei entscheidet, mit wem sie Interviews führt und mit wem nicht. Die Beanstanderin wirft der Szenekennerin Frau Monika B. ohne nähere Begründung vor, „mit ihren Häusern vom Strassenstrich zu profitieren und den ökonomischen Druck auf die Sexarbeitenden zu verursachen“. Die Rundschau erachtete Frau B. als eine geeignete Interviewpartnerin, eben weil sie Zimmer am Strassenstrich vermietet (was von der Rundschau transparent gemacht wird) und jeden Tag eng mit den Frauen, die dort stehen, in Kontakt ist. Frau B. sagte uns, für Polizei und Staatsanwaltschaft sei sie die Ansprechperson, wenn etwas auf dem Strassenstrich passiert. Tatsächlich ist im Beitrag auch Frau B. im Gespräch mit Polizisten zu sehen.
„Sachlich falsch: Niemand kauft sich eine Frau. Man kauft sich auch keinen Masseur.“
Ohne ein sprachwissenschaftliches Proseminar lancieren zu wollen, sind wir der Meinung, dass der Vergleich mit dem Masseur hinkt. Der Masseur übt eine offizielle Dienstleistung aus. Die Prostituierte gibt gegen Entgelt ihre Intimität preis.
„Höchstproblematisch: Aufnahmen mit versteckter Kamera“
Ausgehend von der erwähnten Studie des BAG über die Zunahme von Geschlechtskrankheiten wollte die Rundschau vor Ort recherchieren, ob Frauen auf Drängen der Freier tatsächlich ungeschützten Verkehr anbieten. Diese Beweisführung war allerdings nur mit versteckter Kamera möglich, denn keine Sexarbeiterin wird gegenüber einem Journalisten eingestehen, dass sie Sex ohne Gummi praktiziert. Das Ergebnis zeigte deutlich: Je später der Abend, umso eher waren die Frauen bereit, ungeschützten Sex mitzumachen. Die Frauen sind bei den Aufnahmen nicht erkennbar. Es war nicht notwendig, ihre Stimmen zu verfremden, da das Gesagte in den Kurz-Sequenzen nicht verständlich war und untertitelt werden musste. Niemand wird sie daran erkennen. Gemäss Aussagen von Frau Monika B., die am Strassenstrich Zimmer vermietet, waren die Frauen, die bei uns im Film aufgetreten sind, sehr zufrieden mit dem Ergebnis.
„Schlecht recherchiert – die Gesetzeslage im Kanton Solothurn“
Im Wirtschafts-und Arbeitsgesetz des Kantons Solothurn heisst es unter Paragraph 31: „Die (...) Anpreisung von sexuellen Handlungen ohne Massnahmen zum Schutz von übertragbaren Krankheiten (...) ist verboten.“ (Beilage 1)
Der Leiter des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn, Jonas Motschi, ist verantwortlich für die Umsetzung des Gesetzes, das den Gebrauch von Kondomen zwingend vorschreibt. Der Rundschau-Reporter hat ihm gezeigt, dass sich Frauen aus dem Kanton Solothurn explizit für ungeschützten Sex anbieten („AO-Nutte im Raum Olten privat buchbar“, „Blanke Besamung, Solothurn“). Es handelt sich mutmasslich um Prostituierte, die in einem Salon arbeiten oder einen solchen alleine oder mit anderen zusammen betreiben.
Amtsleiter Motschi sagt nicht, dass er diese Frauen bestrafen will. Er sagt aber im Interview mit der Rundschau, dass er die Fälle an die Polizei weitergibt. Diese soll abklären, ob die Frauen in einem Salon oder Bordell mit notwendiger Betriebsbewilligung arbeiten. Die Inhaber dieser Bewilligung würden sich dann strafbar machen. Allerdings hat sich in der textlichen Einbettung des Interviews mit Amtsvorsteher Motschi (bei 07.35) eine Unschärfe eingeschlichen. Wir erwähnen, Prostituierten und Freiern würden beim Sex ohne Gummi Geldstrafen drohen. Präzis und richtig ist: „Freiern sowie BetreiberInnen von Bordellen und Salons, wo Prostituierte Sex ohne Gummi praktizieren, drohen Geldstrafen“. Die rechtliche Thematik wird allerdings nicht im Umfeld des Strassenstriches abgehandelt und darum entsteht auch nicht der Eindruck, eine Sexarbeiterin auf dem Strassenstrich mache sich strafbar.
„Der Vorwurf, Frauen verhielten sich inkorrekt, wenn sie Sex ohne Kondom anbieten“
Rechtlich ist der Fall klar: Strassenprostituierte machen sich nicht strafbar beim Sex ohne Gummi. Allerdings war aus m oralischer Sicht für alle unsere Gesprächspartnerinnen klar, dass es unredlich ist, wenn Frauen damit werben, dass es bei ihnen Sex ohne Pariser gibt. Sie verschaffen sich damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Frauen, die ungeschützten Geschlechtsverkehr ablehnen. Im Kanton St. Gallen haben sich Bordelle bei der kantonalen Fachstelle Maria Magdalena beschwert, weil ein Konkurrent den Freiern ungeschützten Sex anbietet. (Beilage 2)
Fazit: Der Rundschau-Beitrag hat die neuesten BAG-Erhebungen über die beunruhigende Zunahme von Geschlechtskrankheiten publiziert und diese mit einer Vorort-Recherche dokumentiert. Damit wurde dem Publikum eine wichtige, präventiv wirkende Information vermittelt. Die Argumentation war jederzeit nachvollziehbar und sachgerecht. Aus diesen Gründen bitten wir Sie, die Beanstandung abzuweisen.
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Beurteilung der Sendung.
Ich verstehe das Anliegen hinter Ihrer Kritik, Sie sorgen sich um die Sexarbeitenden. Ihre Fachstelle leistet wichtige Arbeit für die Rechte und die Gesundheit dieser Frauen. Deshalb sind Sie verständlicherweise auch irritiert oder enttäuscht, dass die Redaktion Sie im Vorfeld nicht kontaktiert hat. In der Tat zeigt der Rundschau-Bericht „Sex ohne Gummi“ eine erschreckende Situation der Frauen. Zusammengefasst ist diese bereits in der Anmoderation. „Unser Reporter Thomas Vogel und Jürg Brandenberger haben im Rotlicht-Milieu jenen Frauen zugehört, die sich gezwungen sehen, auch riskante Wünsche der Freier zu erfüllen, heisst: für Geld alles zu opfern. Auch die eigene Gesundheit.“ Und gleichzeitig nochmals im Schlusssatz der Sendung: „Verliererinnen sind die Frauen.“
Die Rundschau-Redaktion nimmt ausführlich und weitgehend überzeugend Stellung zu Ihrer Beschwerde. Ich wiederhole deren Argumente nicht, sondern beschränke mich auf meine Sichtweise.
Das Thema des Beitrags ist höchst relevant, die ersten Ergebnisse der Studie des Bundesamtes für Gesundheitswesen sind beängstigend. Sie zeigen, wie verantwortungslos Freier sein können und wie sie die schwierige Lage der Sexarbeiterinnen ausnützen. Dieser Befund ist Ausgangslage des Berichtes. Dass für die Recherche vor Ort primär Olten ausgewählt wurde, macht Sinn, hat doch der Kanton Solothurn in seinem Wirtschafts-und Arbeitsgesetz eine gesetzliche Grundlage für möglichst grosse gesundheitliche Sicherheit der Frauen formuliert, indem nicht nur die Anbieter , sondern auch die Kundinnen und Kunden in Pflicht genommen werden. (§34, GS 2015, 57).
Sie sind namentlich der Ansicht, dass die Persönlichkeitsrechte der Sexarbeitenden verletzt wurden und schreiben, dass deren Sicht keine Erwähnung fand. Namentlich den zweiten Teil dieser Kritik kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Die Journalisten befragten Frauen im Strassenstrich Olten, zwei waren dann auch hörbar im Beitrag. Ebenso erklärte eine Sexarbeiterin in einem Bordell Aspekte ihrer Situation.
Komplexer ist der Vorwurf der Persönlichkeitsverletzung. Optisch scheinen mir die Frauen gut geschützt, akustisch wurden sie nicht verfremdet. In den publizistischen Leitlinien von SRF heisst es bei 4.6. dazu: „Grundsätzlich treten in den SRF-Programmen alle Personen mit ihrem echten Namen auf (Ausnahmen vgl. Art. 6.9: Namensnennung von mutmasslichen Straftätern und Opfern). Dem Wunsch nach Anonymität kann ausnahmsweise stattgegeben werden, wenn ein grosses öffentliches Interesse am Thema besteht. In jedem Fall muss die Qualität der Aussage überprüfbar sein (zweite Quelle) und die von der anonymen Aussage betroffenen oder beschuldigten Personen müssen Gelegenheit haben, sich angemessen zu äussern. Anonyme Aussagen vor der Kamera oder vor dem Mikrofon müssen mit der oder dem Vorgesetzten und der Chefredaktion abgesprochen sein. Gerade in politischen und gesellschaftlichen Kontroversen sind Transparenz und Offenheit anzustreben. Maskierungen und Stimmverfälschungen werden nur in begründeten Ausnahmen eingesetzt.“
Eine solche Ausnahme scheint mir hier möglich, aber nicht zwingend. Die einzelnen Frauen aufgrund ihrer Stimmen in einem breiteren Umfeld zu erkennen, dürfte schwierig bis unmöglich sein. Deshalb könnte man meiner Meinung nach auf eine Verzerrung verzichten.
Sie bemängeln weiter die Sprache, namentlich dass Frauen nicht gekauft würden. Da gebe ich Recht, dieser Begriff ist unklug und unkorrekt. Gekauft wird Sex, nicht die Frau. Dass beim rechtlichen Aspekt die Aussage des Solothurner Amtsvorstehers sprachlich unscharf eingebettet ist, hat die Redaktion selbst auch festgestellt. Zur Kompetenz und Eignung von Frau B. kann ich mich nicht äussern. Wichtig ist, dass ihre Funktion als Zimmervermieterin transparent gemacht wurde.
Wie aber ist der Gesamteindruck der Sendung - zeigt sie eine „Verdrehung des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage“, wie Sie schreiben. Hätten die Frauen verdeckt Freier filmen sollen? Ich meine nein. Die Botschaft der Sendung ist klar, unmissverständlich und erschreckend: Es gibt skrupellose Männer - Bordellbesitzer und Freier - die grundlegende Regeln zu missachten versuchen und damit sich selbst, insbesondere aber die Sexarbeitenden und ihr Umfeld gefährden.
Sie als Vertreterinnen der Fachstelle hätten das Thema möglicherweise anders aufbereitet. Das kann ich gut nachvollziehen. Es gilt aber die redaktionelle Freiheit. Die Redaktion entscheidet, welche Themen sie aufnimmt, mit wem sie Gespräche führt, wie sie filmt und den Beitrag gestaltet – innerhalb der journalistischen Regeln natürlich. Bei der von Ihnen kritisierten Sendung sehe ich keine besonderen journalistischen Mängel.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Sylvia Egli von Matt, stellvertretende Ombudsfrau
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