Twitter: Wo hört die Privatsphäre auf?
Ein Fernsehzuschauer erkennt sich in einem Beitrag von «10vor10» in einem eingeblendeten Tweet wieder. Wurde er in seiner Persönlichkeit als Privatperson verletzt? Der Ombudsmann hat dazu Stellung genommen.
Immer wieder ärgern sich Kunden der SBB über Pannen und unpünktliche Züge. Dies wird auch via Twitter vermeldet. Im «10vor10»-Beitrag («Der Bund setzt Testkunden im ÖV ein», 9.8.2016), der eben diese Kritik von ÖV-Benutzern zum Inhalt hat, wurden zur Illustration einer Aussage exemplarisch drei Tweets eingeblendet, die sich zu konkreten Verspätungen von Zügen äussern. Ein Zuschauer hat sich während der kurzen Einblendung des Screenshots im Bild sowie mit Namen wiedererkannt und ist der Ansicht, dass seine Persönlichkeit mittels Verpixelung hätte geschützt werden müssen.
Ombudsmann Roger Blum übernimmt bei der Beurteilung die Haltung von Redaktionsleiter Christian Dütschler, der überwiegend die rechtlichen Aspekte beleuchtet, und er bezieht sich zudem auf den gesunden Menschenverstand.
Auf der rechtlichen Ebene hat das Bundesgericht in seinem Urteil 5A_975/2015 die Öffentlichkeit von Tweets bestätigt und in einem Grundsatzentscheid beurteilt: [1]
<Grundsätzlich sind Tweets denn auch nicht für einen bestimmten Empfänger oder einen geschlossenen, vom Sender festgelegten Empfängerkreis bestimmt (...). Im Gegenteil möchte ein Twitterer typischerweise möglichst viele Follower erreichen und hat insbesondere auf die weitere Verbreitung des Tweets keinen Einfluss. Vielmehr haben es die Betreiber von Twitter – nicht zuletzt aus kommerziellen Gründen – gerade darauf angelegt, dass die Follower empfangene Tweets weiterverbreiten. Ein einfacher Klick genügt für den sog. Retweet; bei diesem handelt es sich um einen Teil der für Twitter typischen Verbreitungskette. Es ist jedem Twitterer bewusst, dass er über seine Nachricht, einmal abgesandt, und deren weitere Verbreitung keinerlei Kontrolle hat, und es ist auch allgemein bekannt, dass sich Texte, Bilder und Videos auf verschiedenen Social Media wie ein Virus innert kürzester Zeit um den ganzen Globus ausbreiten können; im englischen Sprachgebrauch ist dieses Phänomen unter dem Ausdruck ‚it went viral‘ bekannt.>
Und unter Beizug des gesunden Menschenverstands sieht Blum in der Verwendung des Tweets unter anderem keine Ehrverletzung gegeben, im Gegenteil: In den Augen des Publikums habe der Beanstander auf einen Missstand aufmerksam gemacht, nämlich auf krasse Verspätungen bei der SBB. Die Beanstandung wurde vom Ombudsmann nicht gestützt.
[1] http://www.polyreg.ch/bgeunpub/Jahr_2015/Entscheide_5A_2015/5A.975__2015.html
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