Quizsendung «Wir mal vier» beanstandet
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Mit Ihrem online übermittelten Brief vom 7. Oktober 2016 beanstandeten Sie die in der Quizsendung „Wir mal vier“ vom 3. Oktober 2016 gemachte Aussage von Moderator Sven Epiney gegenüber den zum Quiz angetretenen vier thurgauischen Schwestern (ab Minute 7:07) „Dir chömet ja auso usere Meitlifamilie, vier mau es Meitschi und es füfts mau heis d’Eltere nid wölle versueche?“ als sexistisch und diskriminierend.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
„Diese Aussage, gemacht hier in einem angesagten Familienquiz!, erinnert an die Aussagen von Angehörigen von vor über fünfzig Jahren, wenn kein ‚Stammhalter‘ eintraf. Diese Zeiten sind in der Gesetzgebung längst vorbei, sowohl durch das Frauenstimmrecht, das neue Eherecht und auch das Gleichstellungsgesetz. Diese Änderungen in den Auffassungen über die Stellung und die Rolle der Frauen in der Gesellschaft sollten endlich auch bei SRF in allen Sendungen beachtet werden.
Ich möchte von Herrn Epiney wissen, was er mit dieser Aussage gemeint hat. Ausserdem möchte ich SRF bitten, die jungen Moderatoren dahingehend zu unterrichten, dass sie solche ‚diskriminierenden, augenzwinkernden als Spässchen gemeinte Äusserungen‘ zu unterlassen hätten. Sie sind auch heute noch für Frauen sowohl hierzulande als auch weltweit alles andere als lustig und die Haltung gesellschaftlich leider immer noch zu beobachten. Kein Wunder, wenn in den Medien solche Haltungen immer wieder unwidersprochen tradiert werden. Wer hat denn schon eine Ahnung, wie solche Äusserungen bei Mädchen und Frauen ankommen? Wohl nur die, die das selber, mitsamt den daraus entstehenden Konsequenzen, miterlebt haben.
Zu erwähnen ist auch die Tatsache, dass weltweit weit mehr Mädchen abgetrieben werden als Jungen. Solche wie die erwähnte und ähnliche Aussagen sind in SRF sowohl im Fernsehen als auch am Radio immer wieder zu hören und wurden schon etliche Male bei den jeweiligen Redaktionen beanstandet. Scheinbar leider ohne Erfolg.
Es ist höchste Zeit, dass einmal solche ‚Sprüche‘ und ihre Hintergründe in SRF zur Sprache gebracht werden und die Moderatoren angehalten, sich ihre Aussagen besser zu überlegen.“
B. Die zuständige Redaktion erhielt Gelegenheit, sich zu Ihrer Beanstandung zu äußern. Frau Sibylle Marti, Redaktionsleiterin Quiz, schrieb:
„Gerne nehmen wir zum Schreiben von Frau X vom 7. Oktober 2016 betreffend einer Aussage von Sven Epiney, Stellung:
Der Unterhaltungswert von Quizsendungen hängt zu einem grossen Teil davon ab, wie der Moderator spontan auf alle möglichen Situationen reagiert und mit den Kandidaten interagiert. Auch ist es wichtig, dass die Kandidaten dem Publikum näher gebracht werden, so dass Emotionen transportiert werden, die Zuschauer mitfiebern können. Im Rahmen der beanstandeten Sendung begann unser Moderator Sven Epiney ein kurzes Gespräch mit den vier Kandidatinnen, alles Schwestern, folgendermassen: ‚Dir chömet ja usere Meitlifamilie, chame säge. Vier Mau es Meitschi und es füfts Mau heis d’Eltere nid wölle versueche?‘ Dann lachen die Kandidatinnen und eine von ihnen antwortet: ‚Ich glaub nach vier isch dänn öppe gnueg gsi‘. Anschliessend dreht sich das Gespräch um die Thematik, dass sich vier Frauen ein Bad teilen müssen. Die Stimmung im Studio ist vergnüglich und es wird immer wieder gelacht.
Frau X beanstandet die einleitende Frage von Sven Epiney als sexistisch und diskriminierend. Das Diskriminierungsverbot in der Schweizerischen Bundesverfassung (Art. 8 Abs. 3), sowie das Gleichstellungsgesetz verbieten die Ungleichbehandlung von Mann und Frau in jeglichen Lebensbereichen. Die spontane Frage: ‚Und es füfts Mau heis d’Eltere nid wölle versueche?‘, suggeriert unseres Erachtens in keiner Art und Weise eine Ungleichbehandlung von Mann und Frau, auch nicht im Sinne des Gesetzgebers. Die Frage alleine enthält keine wertende Aussage. Sie würde übrigens genau gleich gestellt, wenn es sich um vier Brüder handelte, denn vier gleichgeschlechtliche Geschwister innerhalb einer Familie sind doch eher ungewöhnlich.
Es ist nie die Rede davon, ob es nun besser wäre, wenn der oder die Nächstgeborene ein Mann oder eine Frau gewesen wäre. Dass es sich bei der Frage von Sven Epiney um eine diskriminierende Äusserung handeln soll, ist unserer Meinung nach eine nicht zwingend naheliegende Interpretation. Es geht hier nicht um eine Mann-Frau-Thematik, sondern um die Tatsache, dass man innerhalb einer kinderreichen Familie eher eine Mischung aus Brüdern sowie Schwestern erwarten würde. Die Frage von Sven Epiney dürften sich wohl auch viele Zuschauer zuhause gestellt haben.
Grundsätzlich haben wir im Rahmen unserer Quizsendungen eine hohe Sensibilität im Umgang mit geschlechtsspezifischen Themen und betrachten die in der Bundesverfassung verankerte Gleichberechtigung als wichtigen Grundwert, der jederzeit zu respektieren ist. Die Beanstandung von Frau X können wir in diesem Fall nicht nachvollziehen.
Wir hoffen, Ihnen mit diesen Ausführungen zu dienen und stehen für weitere Fragen jederzeit gerne zur Verfügung.“
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der beanstandeten Stelle im Quiz. Artikel 4 Absatz 1 des Radio- und Fernsehgesetzes lautet: „Alle Sendungen eines Radio- oder Fernsehprogramms müssen die Grundrechte beachten. Die Sendungen haben insbesondere die Menschenwürde zu achten, dürfen weder diskriminierend sein noch zu Rassenhass beitragen noch die öffentliche Sittlichkeit gefährden noch Gewalt verherrlichen oder verharmlosen.“[1] Die Rundfunkmedien sind also verpflichtet, die Grundrechte einzuhalten. Dazu gehören das Diskriminierungsverbot und die Gleichberechtigung von Frau und Mann. Artikel 8 der Schweizerischen Bundesverfassung lautet:
1. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
2. Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.
3. Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
4. Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor.“[2]
Trotz Gleichstellungsgesetz ist dieser Artikel in Bezug auf die Geschlechtergleichheit noch nicht gänzlich vollzogen . Noch gibt es nicht überall Chancengleichheit, noch gibt es keine Lohngleichheit – die Frauen verdienen im Schnitt für gleichwertige Arbeit immer noch weniger als die Männer -, noch sind Frauen in Führungspositionen der Politik, der Wirtschaft, der Justiz, der Diplomatie und in kulturellen Institutionen untervertreten. Es gibt viel mehr alleinerziehende Frauen als alleinerziehende Männer. Umso wichtiger ist es, dass Frauen wie Sie weiter für die volle Gleichberechtigung kämpfen. Dazu gehört auch die gesellschaftliche Gleichwertigkeit. Dazu gehört der Verzicht auf Sexismus.
Wann aber ist der Tatbestand von Sexismus erfüllt?
Im Gender-Glossar von Anja Thiele wird Sexismus wie folgt definiert:
„Sexismus bezeichnet jede Form der Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres zugeschriebenen Geschlechts sowie die diesem Phänomen zugrunde liegende Geschlechterrollen festschreibende und hierarchisierende Ideologie. Er bezieht sich auf gesellschaftlich erwartete geschlechtsspezifische Verhaltensmuster (Geschlechterstereotype), wobei Männer eine privilegierte Position haben (Patriarchat) und deshalb primär Frauen als von Sexismus betroffen gelten. Aus sozialpsychologischer Perspektive können gleichwohl auch Männer von Sexismus betroffen sein. (...)“ [3]
Zum Sexismus gehört beispielsweise, dass Männer den Frauen stereotype Rollen zuschreiben, die sie selber in der Hierarchie besser stellen, also beispielsweise die Rollen als Hausfrau, als Sekretärin, als Assistentin, als Dienstleisterin. In Deutschland war 2010 beispielsweise ein Fünftel der Bevölkerung der Meinung, dass sich die Frauen wieder mehr auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter besinnen sollten. Eine Form des Sexismus äußert sich auch als sexuelle Belästigung. Zum Sexismus gehören ferner die in gewissen Kreisen üblichen „Herrenwitze“. Der Komplexität des Sexismus und auch den heute üblichen subtilen Formen widmete sich 2014 eine ganze Nummer der Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“.[4]
War die Aussage und Frage von Sven Epiney sexistisch und folglich eine Diskriminierung der vier Frauen? Ich sehe es nicht so. Es war ein unbeschwert vorgetragenes Späßchen, das die Frauen nicht abwertete, sondern das eher der Neugierde zuzuschreiben ist, die auch die Neugierde des Publikums sein konnte: Wie war es – zu viert als Mädchen? Hättet Ihr gerne einen Bruder gehabt? usw. Frau Marti fügt in ihrer Stellungnahme an: Der Moderator hätte wahrscheinlich auf gleiche Weise vier Brüder befragt. Diese Ansicht teile ich.
Natürlich ist der Schritt zum Sexismus und damit zur Diskriminierung schnell getan. Darum müssen Journalisten – ob als Moderatoren, Kommentatoren, Korrespondenten (ich verwende hier absichtlich nur die männliche Form) – sich stets bewusst sein, dass die Gleichheit der Geschlechter nicht nur eine Formulierung der Gesetzgebung ist, sondern dass sie jeden etwas angeht und dass sie sich in den Köpfen der Einzelnen vollziehen muss. Im konkreten Fall betrachte ich indes die rote Linie nicht als überschritten.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20001794/index.html
[2] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19995395/index.html
[3] http://www.gender-glossar.de/de/glossar/item/13-sexismus
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